Wie sind die schweren Elemente in unserem Universum entstanden? Für die Seltenerdmetalle Lanthan und Cer liefert nun eine Neutronenstern-Kollision die Antwort. Denn in ihrem Spektrum haben Forschende jetzt erstmals die Signaturen dieser Lanthanoide nachgewiesen. Dies bestätigt, dass die für so schwere Atome nötigen Neutroneneinfang-Reaktionen nur bei extremen kosmischen Ereignissen stattfindet. Auch das Actinoid Thorium könnte bei der Neutronenstern-Kollision produziert worden sein, der Nachweis ist aber weniger eindeutig.
Kurz nach dem Urknall gab es im Universum nur Wasserstoff und ein wenig Helium und Lithium. Schwerere chemische Elemente bildeten sich erst durch die Kernfusion im Inneren der ersten Sterne, Roten Riesen und in Supernovae. Doch bei Atomen aus der Gruppe der Lanthanoide und Actinoide sowie bei Schwergewichten ab Bismut mit der Ordnungszahl 83 reichen diese Prozesse nicht mehr aus. Diese Elemente können nur durch einen energiereichen, schnellen Neutroneneinfang entstehen, den sogenannten r-Prozess.
Wo dieser r-Prozess im Kosmos stattfindet, war lange unklar. Aber als Astronomen im Jahr 2017 erstmals eine Neutronenstern-Kollision mit Teleskopen und Gravitationswellen-Detektoren registrierten, konnten sie in der Explosionswolke die spektralen Signaturen von Gold, Platin und Strontium nachweisen – Elementen, die nur durch schnellen Neutroneneinfang entstehen.
Fahndung nach kosmischen Seltenerdmetallen
Jetzt haben Wissenschaftler erstmals auch die Signatur von Seltenerdmetallen im Spektrum einer Neutronenstern-Kollision identifiziert. Bisher war nicht klar, wie die Spektrallinien von Elementen aus der Gruppe der Lanthanoide und Actinoide bei solchen Kilonova-Explosionen aussehen und ob sie überhaupt zu beobachten sind. „Um Elementinformationen aus den Spektren zu gewinnen, benötigt man zuerst spektroskopisch präzise Atomdaten“, erklären Nanae Domoto von der Tohoku Universität in Japan und seine Kollegen.
Für ihre Studie haben die Forschenden daher zunächst die Struktur und Energieniveaus der Elektronenhüllen von Elementen ab Strontium aufwärts analysiert. Mithilfe eines Modells ermittelten sie dann, welche Energiezustände und damit Spektrallinien unter den Bedingungen einer Neutronenstern-Kollision von diesen Atomen zu erwarten wären.
Welche Elemente wären im Spektrum sichtbar?
Das Ergebnis: „Nur einige wenige Elemente mit den Ordnungszahlen 38 bis 88, darunter Strontium, Ytterbium, Zirkon, Barium, Lanthan und Cer, können in solchen Spektren starke Absorptions-Signaturen erzeugen“, berichten Domoto und seine Kollegen. Besonders gut sichtbar sind demnach Elemente aus den Periodensystemgruppen II bis IV, weil sie eine relativ geringe Zahl von Außenelektronen und niedrig liegende Energieniveaus besitzen.
Ausgehend von diesen Erkenntnissen modellierten die Forschenden als nächste, bei welcher Wellenlänge des Spektrums die Linien dieser Elemente liegen und in welchem Stadium des Nachglühens einer Neutronenstern-Kollision sie am besten sichtbar wären. Daraus ergab sich, dass die Absorptionslinien von Ytterbium und Zirkon, aber auch von den Seltenerdmetalle Lanthan und Cer im Nahinfrarotbereich liegen müssten.
Klarer Nachweis von Lanthan und Cer
Als die Forschenden in den Infrarot-Daten der Neutronenstern-Kollision von 2017 nach diesen Spektrallinien fahndeten, wurden sie tatsächlich fündig: Es zeigten sich Linien in den beobachteten Spektren, die gut mit den zuvor im Modell simulierten Spektralsignaturen von Lanthan und Cer übereinstimmten. Auch mögliche Spuren von Thorium, Ytterbium und Zirkon konnten sie identifizieren. „Dies ist der erste direkte Nachweis von Seltenerdmetallen im Spektrum von Neutronenstern-Kollisionen“, sagt Domoto.
Dem Team gelang es sogar, grob abzuschätzen, wie viel Lanthan und Cer bei der Neutronenstern-Kollision GW17081 gebildet wurden. Demnach liegt der Massenanteil von Lanthan bei gut zwei Millionstel, der von Cer bei einem bis 100 Hunderttausendsteln. „Dies ist die erste spektroskopische Abschätzung von Lanthanoid-Häufigkeiten in den Ejekta einer Neutronenstern-Kollision“, so Domoto und seine Kollegen.
Die Forschenden hoffen, dass ihre Methode es ermöglichen wird, künftig auch noch andere schwere Elemente in Neutronenstern-Kollisionen und anderen extremen kosmischen Ereignissen nachzuweisen. „Dies hilft uns dabei zu verstehen, wie Elemente im Universum entstehen“, so Domoto. (The Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-4357/ac8c36)
Quelle: Center for Computational Astrophysics