Überraschender Fund: Das X-Chromosom von Männern wird in manchen Krebstumoren ausgeschaltet – obwohl es eigentlich von den männlichen Körperzellen gebraucht wird. Doch in den männlichen Krebszellen wirkt ein Blockade-Mechanismus, der sonst nur bei Frauen aktiv ist, wie eine Studie nun enthüllt. Warum das männliche X-Chromosom von den Tumoren stillgelegt wird, ist erst in Teilen geklärt. Es könnte mit Chromosomenanomalien der Krebszellen zusammenhängen oder der Stummschaltung von Tumor-Supressorgenen dienen.
Frauen tragen in allen Körperzellen zwei X-Chromosomen, Männer dagegen nur ein X und ein stark verkümmertes Y-Chromosom. Dieser Unterschied bestimmt nicht nur das genetische Geschlecht, er hat auch Folgen für den Zellstoffwechsel und die Gesundheit. So könnte das zweite X-Chromosom als Reserve gegen krankmachende Mutationen dienen und daher Frauen ihre längere Lebenserwartung bescheren.
Allerdings ist auch bei Frauen unter normalen Bedingungen nur eines der beiden X-Chromosomen voll aktiv, das zweite wird weitgehend stummgeschaltet. Dafür sorgt das XIST-Gen: Es produziert eine RNA, die sich um das zweite X-Chromosom wickelt und so das Ablesen von dessen Genen zum großen Teil blockiert. Weil Männer kein zweites X-Chromosom haben, dürfte XIST in ihren Körperzellen dagegen nicht aktiv sein.
XIST-Gen in Männer-Tumoren aktiv
Doch das ändert sich offenbar, wenn ein Mann an Krebs erkrankt, wie Ananthan Sadagopan vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston und seinen Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie untersucht, ob in männlichen und weiblichen Krebszellen Anomalien in der Aktivität des XIST-Gens und damit beim Stummschalten des X-Chromosoms gibt. Dafür analysierten sie gut 4.800 Gewebeproben von 33 verschiedenen Krebsarten bei Männern und Frauen.