Überraschende Unterschiede: Neutronensterne scheinen zwar äußerlich gleich, in ihrem Inneren sind sie es aber nicht – es gibt offenbar zwei grundlegend verschiedene Sorten, wie eine Studie nahelegt. Demnach ist das Innere von leichteren Neutronensternen mit weniger als 1,7 Sonnenmassen außen weich und innen hart, bei schwereren Exemplaren ist es dagegen genau umgekehrt. Diese Unterschiede könnten künftig sogar von Gravitationswellen-Detektoren nachgewiesen werden.
Ein Neutronenstern entsteht, wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebenszyklus in einer Supernova explodiert. Übrig bleibt dann ein Sternenkern, bei dem die Masse von ein bis zwei Sonnen auf nur 20 bis 30 Kilometer Durchmesser komprimiert ist. Ihre enorme Schwerkraft macht Neutronensterne zu den perfektesten Kugeln im Kosmos. In ihrem Inneren sind Dichte und Druck so hoch, dass selbst Atome zerfallen und nur Neutronen übrigbleiben. Im Kern bildet sich dadurch ein exotischer, superfluider Materiezustand – so die Annahme.
Schallwellen als Hinweisgeber
Doch wie das Innere von Neutronensternen beschaffen ist, lässt sich bisher nur theoretisch rekonstruieren. Denn die extremen Bedingungen im Inneren dieser Sternenreste können in irdischen Laboren nicht nachgestellt werden. Deshalb existieren zurzeit viele unterschiedliche physikalische Modelle, die versuchen, die Struktur von Neutronensternen – von der Oberfläche bis hin zum inneren Kern – mit Hilfe sogenannter Zustandsgleichungen zu beschreiben.
Eine wichtige Größe in diesen Gleichungen ist die Schallgeschwindigkeit in dichter Materie. Denn sie gibt Aufschluss darüber, wie steif und damit hart das Medium ist. Bei Neutronensternen lässt sich darüber ermitteln, wie gut die dichte, komprimierte Materie dem enormen Druck der Schwerkraft standhalten kann. Je härter und damit steifer die exotische Neutronenmischung im Kern des Sternenrests ist, desto schneller breitet sich der Schall in ihr aus.
Für ihre Studie haben nun Physiker unter Leitung von Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt mehr als eine Million Zustandsgleichungen für das Innere von Neutronensternen konstruiert und sie mit astronomischen Beobachtungen und kernphysikalischen Parametern abgeglichen.
Maximaltempo gleich, Lage des Maximums verschieden
Das Ergebnis: Wie erwartet bewegen sich Schallwellen nahe der Oberfläche der Neutronensterne nicht mit maximalem Tempo, denn dort ist die Materie weniger dicht. Wie die Berechnungen ergaben, ist ihr Verhalten dort auch weitgehend unabhängig von der Masse des Neutronensterns. Das ändert sich jedoch mit zunehmender Tiefe. Die Geschwindigkeit der Schallwellen nimmt nach innen hin zu, bis sie einen Maximumwert erreicht. Dieser ist ab einer bestimmten Masse bei allen Neutronensternen gleich hoch, wie das Team berichtet.
Das Überraschende jedoch: Die Lage dieses Maximums ist sehr wohl von der Masse des Neutronensterns abhängig. Bei leichten Sternenresten von bis zu 1,7 Sonnenmassen sind die Schallwellen im Kern am schnellsten – er ist demnach der härteste und steifste Teil des Neutronensterns. Doch mit zunehmender Masse der Neutronensterne bewegt sich das Schwallwellen-Maximum näher an die Oberfläche. Für schwere Exemplare liegt es sogar in den äußeren Schichten, wie Forschenden ermittelten. Diese Sternenreste sind demnach außen härter als innen.
Neutronensterne haben demnach je nach Masse eine stark unterschiedliche Struktur. Rezzola vergleicht dies mit der Konsistenz verschiedener Schokopralinen-Sorten: „Leichte Neutronensterne ähneln Pralinen mit einer harten Nuss umhüllt von weicher Schokolade. Schwere Sterne sind hingegen eher wie Pralinen mit einer harten Hülle aus Schokolade und einer cremig weichen Füllung“, erklärt der Forscher. „Das ist ein außerordentlich interessantes Ergebnis, weil es darüber Aufschluss gibt, wie komprimierbar der Kern eines Neutronensterns sein kann.“
Über Gravitationswellen nachweisbar?
Spannend auch: Bisher beruhen diese Erkenntnisse nur auf theoretischen Modellen, es könnte aber eine Chance geben, sie anhand von astronomischen Beobachtungen zu überprüfen, wie Rezzola und sein Team berichten. Denn wie sie ermittelt haben, könnte sich die Steifigkeit eines Neutronensterns bei Kollisionen solcher Sternenreste verraten. „Diese Eigenschaft steht in Verbindung mit einem Wert, der in Gravitationswellen direkt messbar ist“, erklären die Astrophysiker.
Damit könnten Gravitationswellen-Detektoren wie LIGO, Virgo und KAGRA dabei helfen, mehr über die innere Struktur von Neutronensternen herauszufinden und gängige theoretische Modelle zu präzisieren: „Diese Erkenntnisse werden eine besonders wichtige Rolle dabei spielen, die zurzeit unbekannte Zustandsgleichung mit zukünftigen Gravitationswellenmessungen von Neutronensternkollisionen genauer zu bestimmen“, sagt Koautor Christian Ecker vom Trinity College in Dublin. (The Astrophysical Journal Letters, 2022; doi: 10.3847/2041-8213/ac9b2a; doi: 10.3847/2041-8213/ac8674)
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main