Verdammt nochmal! Jede Sprache hat ihre eigenen Schimpfwörter, doch die klingen international ähnlicher als bislang angenommen, wie Forscher nun herausgefunden haben. Demnach fehlen in Schimpfwörtern verschiedener Sprachen häufig die Approximanten, also die Laute l, r, w und y. Die Forscher vermuten, dass diese Konsonanten zu weich und zu wenig anstößig klingen und deshalb nicht gut geeignet sind, um beim Schimpfen negative Emotionen auszudrücken.
Fluchen ist mehr als nur Beleidigung. Studien haben gezeigt, dass Fluchen sogar Schmerzen lindern und die Schmerztoleranz erhöhen kann. Selbst Tiere geben in Not rauere Töne von sich. Man geht davon aus, dass der Klang eines Schimpfwortes uns Menschen dabei helfen soll, unsere negativen Emotionen angemessen auszudrücken. Doch ab wann klingt ein Wort wie ein Schimpfwort? Und gibt es dabei sprachübergreifende Muster?
Eine Schimpfwort-Sammlung aus aller Welt
Auf der Suche nach solchen Mustern haben Shiri Lev-Ari und Ryan McKay von der Royal Holloway University of London zunächst Schimpfwörter aus aller Welt gesammelt. Sie baten dafür Sprecher von fünf sehr unterschiedlichen Sprachen – Hebräisch, Hindi, Ungarisch, Koreanisch und Russisch –, die vulgärsten Wörter aufzulisten, die ihre Sprache hergibt. Rassistische Ausdrücke schlossen Lev-Ari und McKay allerdings aus.
Auf diese Weise sammelten sie 141 Schimpfwörter und stellten prompt eine Gemeinsamkeit fest: „Die Ergebnisse unserer Pilotstudie deuten darauf hin, dass Schimpfwörter seltener Approximanten enthalten.“ Zu den Approximanten zählen die Laute l, r, w und y. Dabei handelt es sich um Konsonanten, bei denen die Luft ohne harte Stopps und ohne starke Reibung relativ gleichmäßig und ungehindert aus dem Mund entweichen kann. Doch ist dieser Zusammenhang reiner Zufall oder nehmen wir Wörter ohne Approximanten tatsächlich als buchstäblich anstößiger wahr?
Schimpfwort oder harmlos?
Um das herauszufinden, führten Lev-Ari und McKay eine Folgestudie mit 215 Teilnehmern durch, die wiederum in komplett anderen Sprachen beheimatet waren als die Probanden aus der ersten Studie, nämlich Arabisch, Chinesisch, Finnisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Sie zeigten ihnen Paare aus Pseudowörtern, die sich die Forscher ausgedacht hatten und die es in keiner Sprache gibt.
Aus dem Deutschen nahmen Lev-Ari und McKay beispielsweise das Wort „Baum“ und wandelten es zu den Fantasiewörtern „Laum“ und „Tsaum“ ab. „Die Teilnehmer hörten sich diese Pseudowortpaare an und mussten erraten, welches Mitglied jedes Paares ein Schimpfwort war“, erklären die Forscher. Ist ihre Approximanten-Theorie korrekt, dann müssten die Probanden im obigen Beispiel das Wort „Tsaum“ als Schimpfwort und „Laum“ als harmlos einordnen, da es den Approximanten „l“ enthält.
Entschärfte Flüche
Und tatsächlich: Die Studienteilnehmer stuften Wörter ohne Approximanten in 63 Prozent der Fälle als Schimpfwörter ein. Das Vorkommen von Approximanten wirkt sich also durchaus auf unsere Wahrnehmung von Wörtern als anstößig oder harmlos aus. Diese Erkenntnis brachte Lev-Ari und McKay auf eine weitere Idee. Könnte es sein, dass wir bei Ersatz-Schimpfwörtern, also im Englischen etwa „darn“ statt „damn“ oder im Deutschen „Scheibenkleister“ statt „Scheiße“, extra Approximanten einbauen, um die Wörter so zu entschärfen?
Sie werteten dafür 67 entschärfte Flüche aus dem Oxford English Dictionary aus. Diese enthielten tatsächlich häufiger Approximanten als die Original-Schimpfwörter, „was darauf hindeutet, dass Sprecher, die Schimpfwörter veränderten, um sie weniger anstößig zu machen, dies durch die Einführung von Approximanten taten.“ Allerdings ist dieser Zusammenhang zunächst nur für die englische Sprache belegt.
Universelles, sprachübergreifendes Muster
Weltweit betrachtet konnten Lev-Ari und McKay mit ihrer Forschung aber durchaus ein universelles Fluch-Muster aufdecken. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht alle Laute gleichermaßen für Schimpfwörter geeignet sind und dass die Lautsymbolik – bei der bestimmte Laute mit bestimmten Bedeutungen assoziiert werden – weiter verbreitet ist als bisher angenommen“, fassen sie zusammen.
Demnach lässt sich ein Fluch offenbar erheblich pointierter und deutlicher ausdrücken, wenn er keine weichen Approximanten enthält. Stattdessen bevorzugen wir beim Fluchen instinktiv harte, „anstößige“ Konsonanten. (Psychonomic Bulletin & Review, 2022; doi: 10.3758/s13423-022-02202-0)
Quelle: Springer