Spannender Fund: Zum ersten Mal haben Forschende wilde Varianten der Bierhefe Saccharomyces eubayanus auch in Europa nachgewiesen – der Hefeart, aus der im Mittelalter die erste untergärige Lagerbier-Hefe hervorging. Die Wildhefen wurden in Bodenproben aus Dublin entdeckt und belegen erstmals, dass die Eubayanus-Hefen auch auf unserem Kontinent wild vorkommen. Das legt nahe, dass es auch bei uns in Mitteleuropa noch verborgene Vertreter dieses Urvaters der Lager-Bierhefe gibt.
Bierbrauen hat eine lange Tradition: Schon vor 13.000 Jahren brauten Menschen im Nahen Osten erste Biere und vor 5.000 Jahren gab es Brauereien auch in China und in Ägypten. Wilde Varianten des Hefepilzes Saccharomyces cerevisiae ließen dabei die warme Maische „obergärig“ fermentieren. Im Mittelalter jedoch entwickelten süddeutsche Bierbrauer erstmals eine neue Braumethode, durch die neue Biersorten wie Lagerbier, Pils oder Schwarzbier entstanden. Solche untergärigen Biere machen heute gut 90 Prozent aller verkauften Biere aus.
Entscheidend für das untergärige Brauen war eine neue Hefeart, Saccharomyces pastorianus, die auch bei niedrigen Temperaturen Zucker zu Alkohol vergären konnte. Diese Lagerbier-Hefe entstand durch eine zufällige Kreuzung der gängigen Bierhefe Saccharomyces cerevisiae mit einer zweiten wilden Hefeart, Saccharomyces eubayanus.
Woher kam der Lagerbier-Hefe-Urvater?
Das Merkwürdige jedoch: Dieser hefige Urvater der Lagerbier-Hefe, Saccharomyces eubayanus, wurde 2011 erstmals in Patagonien nachgewiesen und seither auch in anderen Teilen der Neuen Welt, in China, Tibet und Neuseeland. Doch genetischen Rekonstruktionen zufolge muss die erste Einkreuzung dieser Hefeart in Mitteleuropa stattgefunden haben. „Es ist daher überraschend, dass bisher keine europäischen Isolate von Saccharomyces eubayanus entdeckt wurden“, sagen Sean Bergin vom University College Dublin und seine Kollegen.
Doch das hat sich nun geändert: Bergin und sein Team haben erstmals wilde Vertreter von Saccharomyces eubayanus in Europa nachgewiesen. Entdeckt haben sie diese Bierhefen durch Zufall, als sie im Rahmen eines Projekts Bodenproben auf dem Campus der Dubliner Universität auf Hefen hin untersuchten. Als die die gefundenen Hefen auf Nährmedien bei verschiedenen Temperaturen anzüchteten, gab es zwei Isolate, die anders als die meisten Wildhefen nur bei kühlen Temperaturen wuchsen.
Erster Nachweis der Eubayanus-Hefen in Europa
DNA-Analysen enthüllten: Es handelte sich um zwei Varianten von Saccharomyces eubayanus – dem bisher nur aus anderen Erdteilen bekannten Vorfahren der Lager-Bierhefe. Die Genomsequenzen der beiden irischen Hefen ähneln einigen zuvor in Nordamerika entdeckten Stämmen von S. eubayanus, teilen aber auch rund 40 Prozent ihrer DNA mit tibetischen Stämmen dieser Bierhefeart. Vergleiche mit der Lager-Bierhefe Saccharomyces pastorianus ergaben zudem, dass es auch mit dem Eubayanus-Anteil dieser Hybridform einige Übereinstimmungen gibt.
Die Entdeckung der irischen Eubayanus-Hefen belegt damit, dass es auch in Europa wilde Vertreter des Lagerbier-Hefe-Vorfahren gibt – und vermutlich auch früher schon gab. Die Genomvergleiche legen allerdings auch nahe, dass die irischen Eubayanus-Varianten nicht allein der gesuchte Elternstamm der hybriden Lager-Bierhefe gewesen sein können. Stattdessen muss es im mittelalterlichen Europa auch noch andere Varianten dieser Hefen gegeben haben, darunter auch engere Verwandte der in Tibet nachgewiesenen Eubayanus-Formen.
Eubayanus-Hefen auch bei uns in Mitteleuropa?
„Unsere genetischen Daten sprechen dafür, dass keiner der bisher bekannten Isolate von Saccharomyces eubayanus allein der direkte Vorfahre der Lagerbier-Hefen gewesen sein kann“, konstatieren Bergin und seine Kollegen. Sie vermuten, dass die Lager-Bierhefe Saccharomyces pastorianus erst durch mehrere Kreuzungen der Ur-Bierhefe Saccharomyces cerevisiae mit verschiedenen Varianten wilder Eubayanus-Stämme entstanden ist.
Die Nachfahren dieser mittelalterlichen Wildhefen könnten auch heute noch in Mitteleuropa existieren. „Es ist wahrscheinlich, dass in Europa Isolate mit noch mehr Ähnlichkeiten zu Saccharomyces pastorianus auf ihre Entdeckung warten“, mutmaßen die Forschenden. Möglicherweise wurden diese Wildhefen noch nicht gefunden, weil sie nur in kleineren Populationen oder bestimmten Ökosystemen vorkommen.
„Vielleicht haben wir einfach nicht an den richtigen Stellen oder passenden ökologischen Nischen gesucht“, konstatieren Bergin und seine Kollegen. (FEMS Yeast Research, 2022; doi: 10.1093/femsyr/foac053)
Quelle: University College Dublin, Oxford University Press