Kein Knalleffekt: Urzeitliche Langhals-Dinosaurier wie der Diplodocus oder der Apatosaurus konnten mit ihren peitschenartigen Schwänzen wohl doch keinen Überschallknall erzeugen, wie Modellrechnungen jetzt zeigen. Demnach beschleunigte die Schwanzspitze der Tiere nicht wie bislang angenommen auf über 340, sondern maximal auf 33 Meter pro Sekunde – zu langsam für einen Überschallknall. Als Waffe zur Verteidigung gegen Räuber dürfte der Dino-Schwanz aber trotzdem getaugt haben, so die Wissenschaftler.
Sauropoden waren die größten Landtiere aller Zeiten. Mit ihrem ikonischen langen Hals und den säulenartigen Beinen waren die tonnenschweren Pflanzenfresser selbst für große Raubsaurier keine leichte Beute. Die Untergruppe der Diplodociden, zu denen auch Diplodocus und Apatosaurus gehörten, besaß außerdem einen länglichen, peitschenartigen Schwanz, der vermutlich auch im Kampf gegen Räuber zum Einsatz kam. Eine Studie aus dem Jahr 1997 geht sogar davon aus, dass er ebenso wie eine menschengemachte Peitsche einen Überschallknall erzeugen konnte.
Virtueller Apatosaurus mit Krokodilhaut
Doch diese Annahme muss revidiert werden, wie Forschende um Simone Conti von der Neuen Universität Lissabon nun herausgefunden haben. Um zu testen, ob der peitschenartige Schwanz der Diplodociden tatsächlich einen Überschallknall erzeugen konnte, entwickelten sie ein Computermodell eines Apatosaurus, das auf fünf fossilen Exemplaren basiert. Das virtuelle Modell ist über zwölf Meter lang, fast eineinhalb Tonnen schwer und besteht aus 82 Zylindern, die die Wirbel des Tieres nachahmen sollen.
Um die Schwanzbewegung dieses Sauropoden zu rekonstruieren, bewegten Conti und seine Kollegen die modellierte Schwanzbasis in einem Bogen, wodurch sich die wellenartige Bewegung bis zum letzten Schwanzwirbel fortsetzte und dort eine peitschenartige Schleife bildete. Dabei testeten sie, ob Haut, Sehnen und Bänder des Modellschwanzes dieser Belastung standhalten konnten. Da über das Weichgewebe ausgestorbener Tiere nicht viel bekannt ist, mussten die Forschenden mit modernen Alternativen arbeiten. Für den Parameter der Haut setzten sie etwa Krokodilhaut ein.
Riss statt Knall
Das Ergebnis: Im Modell riss der Schwanz des Sauropoden, wenn seine Spitze auf die für einen Überschallknall nötigen 340 Meter pro Sekunde beschleunigt wurde. Daraus schließen Conti und seine Kollegen, dass der Peitschenschwanz eines Apatosaurus oder Diplodocus nicht dafür geeignet war, einen Knall zu erzeugen.
In früheren Modellrechnungen waren Wissenschaftler allerdings davon ausgegangen, dass der Schwanz der Diplodociden nicht mit dem letzten Schwanzwirbel endete, sondern einen sogenannten „Popper“ besaß. Diese mutmaßliche, aber nie bei einer Ausgrabung entdeckte Weichteilstruktur aus Haut, Sehnen oder Keratin hätte den Schwanz um einen Meter verlängert und Geschwindigkeiten von 560 Metern pro Sekunde ermöglicht – so jedenfalls die theoretische Annahme.
Auch eine Schwanzverlängerung bringt es nicht
Das Team um Conti testete auch diese jahrzehntealten Ergebnisse mit seinem modernen Modell, indem es dem Modellschwanz drei verschiedene Popper-Typen hinzufügte. Die erste Struktur bestand aus drei Haut- und Keratin-Segmenten, die zweite aus geflochtenen Keratin-Fäden und die dritte aus Weichgewebe, dessen Form einem mittelalterlichen Werkzeug, dem Dreschflegel, nachempfunden war.
Doch selbst mit Popper knallte es im Labor nicht. „Kein Material kann in irgendeinem angenommenen Zustand den Bruch des Schwanzes bei einer Geschwindigkeit von 340 Metern pro Sekunde verhindern“, berichten die Wissenschaftler. Die Maximalgeschwindigkeit, die sie am Computer erzielen konnten, betrug gerade einmal 33 Meter pro Sekunde – nur etwa ein Zehntel der Geschwindigkeit, die es für einen Überschallknall bräuchte.
Trotzdem eine effektive Waffe
Doch auch wenn der Apatosaurus demnach wohl keinen Überschallknall produzieren konnte: Mit umgerechnet fast 120 Kilometer pro Stunde waren seine Schwanzschläge trotzdem nicht gerade langsam. Das macht es „wahrscheinlich, dass die Schwänze als Verteidigungswaffen oder im Kampf mit anderen Diplodociden eingesetzt werden konnten. Ob das jetzt in einem Revierkampf oder im Wettbewerb um Fortpflanzungspartner war, bleibt natürlich spekulativ“, erklärt Contis Kollege Emanuel Tschopp.
Von einem Saurierschwanz dieser Geschwindigkeit getroffen zu werden, entspricht laut Forschungsteam der Wucht eines Golfballs, der sich mit 315 Kilometern pro Stunde fortbewegt. „Ein solcher Druck würde zwar keine Knochen brechen oder die Haut aufreißen, aber er würde einen spürbaren Schlag auf das Körperäußere ausüben“, erklären die Forschenden. Das hätte den Peitschenschwanz zu einer wirksamen, wenn auch knalllosen Waffe gemacht. (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-21633-2)
Quelle: Universität Hamburg, Scientific Reports