Landwirtschaft

Europa: Hälfte des Weizens ist mit Pilzgift kontaminiert

Fusarium-Pilz macht jährlich Millionen Tonnen Weizen für den menschlichen Verzehr unbrauchbar

Weizenernte
Rund die Hälfte des in Europa geernteten Weizens weist Spuren von giftigen Pilztoxinen auf. © Bim/ iStock

Versteckte Kontamination: Fast die Hälfte des in Europa geernteten Weizens ist vom Fusarium-Pilz befallen und enthält daher Spuren giftiger Mycotoxine, wie eine Studie enthüllt. In den zehn Jahren vor der Pandemie wurden dadurch 75 Millionen Tonnen Weizen für die menschliche Ernährung unbrauchbar. Bedenklich jedoch: Auch der zugelassene Weizen enthält noch Toxinreste, was zu einer chronischen, schleichenden Gesundheitsbelastung führen kann. Zudem werden in den Kontrollen nicht alle Fusarium-Toxine erfasst.

Weizen ist eines unserer wichtigsten Grundnahrungsmittel. In Europa essen wir im Schnitt rund 66 Kilogramm Weizen pro Kopf und Jahr – meist als Brot oder Nudeln. Doch das Getreide hat es nicht leicht: Weizen ist anfällig gegenüber Dürre und Hitze, daher führen besonders trockene, heiße Sommer wie 2018 zu schweren Missernten. Bei warm-feuchtem Wetter wird der Weizen dagegen oft von Fusarium-Pilzen befallen. Diese Pflanzenparasiten hemmen das Wachstum und die Körnerbildung des Getreides und produzieren giftige Stoffwechselprodukte.

Fusarium-Befall
Der mit Fusarium-Pilzen befallene Weizen ist an Verfärbungen der Ähren erkennbar. © Tomasz Klejdysz / Getty images

Das Problem der Fusarium-Toxine

Die Fusarium-Toxine sind jedoch für Mensch und Tier giftig. Einige dieser Pilzgifte wie das Deoxynivalenol (DON) stören die Proteinsynthese, können Wachstumsverzögerungen und bei akuter Vergiftung Übelkeit und Erbrechen verursachen. Andere, darunter Zearalenon (ZEA), stören den Hormonaushalt und können bestimmte Krebsformen begünstigen. „Mit Fusarium-Toxinen kontaminiertes Getreide kann eine signifikante Gefahr für unsere Gesundheit darstellen, vor allem weil wir ihre Auswirkungen auf unser Wohlbefinden erst in Teilen kennen“, erklärt Seniorautor Neil Brown von der University of Bath.

In der EU darf Weizen ab einer Belastung von 1.250 Mikrogramm DON pro Kilogramm gar nicht mehr für Lebensmittel verwendet werden, ab 750 Mikrogramm ist er nicht mehr für den direkten Verzehr – beispielsweise in Cerealien – zugelassen. Das kontaminierte Getreide wird dann meist als Tierfutter genutzt. Um das Ausmaß der Belastung von Nahrungs- und Futterweizen zu ermitteln, haben Brown und sein Team Daten zweier europäischer Kontrollbehörden zu nationalen Toxinwerten von 2010 bis 2019 ausgewertet und so das bisher vollständigste .

Pilzgift-Spuren in 47 Prozent des Weizens

Das Ergebnis: „Das Fusarium-Toxin DON wurde in Nahrungsweizen aller europäischer Länder nachgewiesen“, berichten die Forschenden. Im Schnitt waren 47 Prozent des Getreides mit dem Pilzgift belastet. Fast die Hälfte des in Europa geernteten Weizens enthält demnach zumindest Spuren von Pilzgift. Am höchsten war der Anteil kontaminierter Proben dabei in Nordeuropa und Großbritannien, dort hatten 69 bis 93 Prozent des Nahrungsweizens erhöhte Fusariumwerte.

In den meisten Fällen lag die Belastung allerdings unter den EU-Grenzwerten, im Schnitt enthielten die Proben 358 Mikrogramm pro Kilogramm. Aber es gab auch Ausreißer mit mehr als 14.500 Mikrogramm DON pro Kilogramm. „Wir schätzen, dass rund fünf Prozent des Weizens in Europa das erlaubte Limit überschritten hat, das entspricht in den zehn Jahren rund 75 Millionen Tonnen“, berichtet Erstautorin Louise Johns von der University of Bath. „Die Herabstufung dieses Weizens zu Tierfutter bedeutet einen Verlust von drei Milliarden Euro.“

Bei dem an Tiere verfütterten Weizen lagen die Toxinwerte wenig überraschend deutlich höher als beim Nahrungsweizen. Im Schnitt enthielten die Proben 858 Mikrogramm DON pro Kilogramm, Höchstwerte reichten aber bis zu 49.000 Mikrogramm pro Kilogramm. „Das ist bedenklich für die Tiergesundheit, zeigt aber auch, wie hoch die Belastung unseres Nahrungsweizens ohne die Grenzwerte wäre“, sagt Johns.

Folgen chronischer Belastung noch unbekannt

Das Problem jedoch: Auch wenn Nahrungsweizen nur Spuren von Fusarium-Toxinen enthält, kann dies langfristig ungesund sein. „Es gibt ernste Befürchtungen, dass eine chronische Belastung der Nahrung mit diesen Mycotoxinen der menschlichen Gesundheit schadet“, sagt Brown. So schätzt die europäische Lebensmittelkontrollbehörde, dass die chronische Belastung mit dem Pilzgift DON schon jetzt die tolerierbare Tagesmengen für Kinder überschreitet.

Hinzu kommt: Ein großer Teil des Weizens ist mit gleich mehreren Fusarium-Toxinen kontaminiert. „25 Prozent des Nahrungsweizens und 45 Prozent des Futterweizens enthielt neben DON auch mindestens ein weiteres Mycotoxin“, berichten die Forschenden. Dabei ist die Dunkelziffer wahrscheinlich noch deutlich höher, weil die meisten Routinetests diese anderen Fusariumtoxine nicht erfassen. „Wir wissen bisher nicht, welche Gesundheitsfolgen die Belastung mit mehreren Mycotoxinen gleichzeitig hat“, betont Brown. „Der zunehmende Anteil solcher Co-Kontaminationen gibt aber Grund zur Sorge, auch wegen möglicher Synergie-Effekte zwischen den Pilzgiften.“

Zunahme des Pilzbefalls im Süden Europas

Ebenfalls Sorge bereitet den Forschenden, dass die Fusarium-Belastung im Süden Europas in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Bei den Ausbrüchen 2018 und 2019 wurden im Mittelmeerraum sogar Rekordwerte erreicht. „Wir wissen nicht, was diese Zunahme der Mycotoxine verursacht, hier benötigen wir noch mehr Forschung“, sagt Johns. „Aber wir vermuten, dass das wärmere Klima in Verbindung mit veränderten Anbaupraktiken eine wichtige Rolle spielt.“

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es dringend nötig, das Problem der Fusarium-Belastung besser zu überwachen und zu erforschen. „Wir müssen mehr darüber wissen, wie sich der Fusarium-Befall auf den Feldern entwickelt und welche Gebiete künftig am stärksten gefährdet sind“, sagt Koautor Dan Bebber von der University of Exeter. „Gerade im Zuge des Klimawandels wird dies immer wichtiger.“ (Nature Food, 2022; doi: 10.1038/s43016-022-00655-z)

Quelle: University of Bath

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