Dino frisst Maus: Paläontologen haben im versteinerten Mageninhalt eines Microraptors den Fuß eines mausgroßen Säugetiers gefunden. Damit verdichten sich die Hinweise darauf, dass dieser vogelähnliche Dinosaurier ein generalistischer Fleischfresser war und sich von einer Vielzahl an Beutetieren ernährte, darunter Vögel, Eidechsen, Fische und nun auch Säugetiere. Ob der Microraptor seine mausähnliche Beute selbst erlegt oder als Aas gefressen hat, ist allerdings noch unklar.
Was stand bei Dinosauriern auf der Speisekarte? Um diese Frage zu beantworten, greifen Paläontologen meist auf Zahnanalysen der Urzeitgiganten zurück und rekonstruieren, für welche Art von Nahrung sich ihr Gebiss geeignet haben könnte. In ganz seltenen Fällen kommt es auch vor, dass die letzte Mahlzeit eines Dinosauriers als versteinerter Magen- oder Darminhalt die Jahrmillionen überdauert. Von den vielen hundert Skeletten fleischfressender Dinosaurier (Theropoden) ist das bislang allerdings nur bei 20 Exemplaren der Fall gewesen.
Säugetier-Fuß im Bauch
Doch die Analyse eines 120 Millionen Jahre alten Fossils aus chinesischen Seeablagerungen erhöht die Zahl der Theropoden-Skelette mit erhaltener letzter Mahlzeit jetzt auf 21. Bei dem Fossil handelt es sich um einen Microraptor zhaoianus, der zu Lebzeiten gerade einmal so groß wie eine Krähe und ebenso vollständig gefiedert war. Mit seinen gefiederten Armen und Beinen konnte er aber wahrscheinlich nur vierflügelig gleiten und noch nicht aktiv fliegen.
Der Microraptor ist bei den Fossilien mit erhaltenem Mageninhalt gewissermaßen überrepräsentiert. Das nun von Forschern um David Hone von der Queen Mary University of London untersuchte Exemplar ist bereits das vierte mit erhaltenen Nahrungsresten. Zuvor waren in den Bäuchen der Mini-Räuber bereits Fische, Vögel und Eidechsen entdeckt worden.
Doch allem Anschein nach fraß Microraptor auch Säugetiere, wie ein fossiler Fußknochen offenbart, den Hone und sein Team im Magen des untersuchten Tieres fanden. Der Fuß ist einen Zentimeter lang und gehörte offenbar zu einem etwa mausgroßen Säugetier. Ob der Microraptor den Nager selbst erbeutete oder als Aas gefressen hat, ist laut Forscherteam unklar.
Flexibler Speiseplan
Zusammen mit den Mageninhalten der anderen drei Microraptoren deutet der Säugetier-Fund daraufhin, dass die Tiere generalistische, also nicht wählerische Fleischfresser waren. „Zu wissen, dass sie nicht auf eine bestimmte Nahrung spezialisiert waren, ist eine große Sache“, sagt Hones Kollege Hans Larsson. Denn das könnte nach Ansicht des Forscherteams der erste Beweis für eine solche Ernährungsweise unter Dinosauriern überhaupt sein.
Generalistische Raubtiere wie Füchse oder Krähen sind wichtige Stabilisatoren in heutigen Ökosystemen, weil sie ihr Fressverhalten je nach Verfügbarkeit anpassen und sich von unterschiedlichem Futter ernähren können. „Die Erkenntnis, dass Microraptor ein generalistischer Fleischfresser war, eröffnet eine neue Perspektive auf die Funktionsweise alter Ökosysteme und einen möglichen Einblick in den Erfolg dieser kleinen, gefiederten Dinosaurier“, sagt Larsson. (Journal of Vertebrate Paleontology, 2022; doi: 10.1080/02724634.2022.2144337)
Quelle: University of Alberta, McGill University