Geowissen

Beringstraße: Landbrücke entstand später als gedacht

Verbindung zwischen Asien und Nordamerika fiel erst vor rund 35.700 Jahren trocken

Beringia
Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor rund 26.000 bis 19.000 Jahren gab es eine Landbrücke durch die Beringstraße. Aber wann entstand sie? © US National Park Service

Verzögerte Passage: Die Beringia-Landbrücke zwischen Asien und Nordamerika fiel erst vor rund 35.700 Jahren trocken – zehntausende Jahre später als gedacht, wie Isotopendaten nun enthüllen. Das wirft neues Licht auf das Wachstum der Eisschilde vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit. Gleichzeitig schränkt es das Zeitfenster ein, in dem die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner von Asien nach Amerika ziehen konnten. Sie müssen die Landbrücke schon kurz nach ihrem Trockenfallen betreten haben.

Gängiger Theorie nach wurde Amerika über die Beringstraße besiedelt: In mehreren Einwanderungswellen zogen Menschen während der letzten Eiszeit aus Asien auf die damals bestehende Beringia-Landbrücke und dann – wahrscheinlich mit Verzögerung – weiter nach Nordamerika. Wann die ersten dieser Migrationen stattfanden, ist allerdings strittig: Klassische Annahmen datieren die Besiedlung Amerikas auf die Zeit vor rund 15.000 Jahren, DNA-Vergleiche und neuere archäologische Funde legen dagegen eine Migration schon vor mehr als 30.000 Jahren nahe.

Beringmeer
Heute liegt die einstige Beringia-Landbrücke gut 50 Meter tief unter Wasser. © Julie Granger

Das Problem: Bisher ist unklar, ab wann die heute rund 50 Meter unter der Wasseroberfläche liegende Beringia-Landbrücke passierbar war. Klar ist, dass sie während des glazialen Maximums vor 26.000 bis 19.000 Jahre trockenlag, weil der Meeresspiegel damals 130 Meter niedriger lag als heute. Doch für die Zeit davor gehen die Meeresspiegel-Schätzungen weit auseinander – die Spanne der aus indirekten Daten ermittelten Werte reicht von minus 25 bis minus 105 Meter.

Stickstoff-Isotope als Indikatoren

Jetzt haben Jesse Farmer von der Princeton University und seine Kollegen die Entwicklung von Meeresspiegel und Beringia-Landbrücke mit einer neuen Methode untersucht: Sie analysierten das Stickstoff-Isotopenverhältnis von vier Sedimentproben, die sie unmittelbar nördlich der heutigen Beringstraße und an einem Vergleichsstandort abseits der Meerenge entnahmen. Sie enthalten Ablagerungen und fossile Kalkalgen aus der Zeit vor 46.000 Jahren bis heute.

Die Idee dahinter: Das Wasser des Pazifiks enthält einen höheren Anteil des Stickstoff-Isotops 15N als das des Arktischen Ozeans. Solange die Bering-Meerenge offen ist, kann das Pazifikwasser frei nach Norden strömen und reichert den westlichen Arktischen Ozean mit diesem Isotop an. Ist jedoch die Meerenge durch die Bering-Landbrücke versperrt, unterbindet sie diesen Wasseraustausch und der Arktische Ozean behält seine niedrigen Werte. Die fossilen Schalen der Kalkalgen haben die jeweiligen Isotopenwerte des Wassers konserviert und erlauben so die Rekonstruktion.

„Das Spannende daran ist, dass uns dies eine unabhängige Information über den globalen Meeresspiegel in dieser Zeit liefert“, erklärt Koautorin Tamara Pico von der University of California in Santa Cruz. „Einige der bisher vorgeschlagenen Werte unterscheiden sich ziemlich stark und wir konnten nun schauen, welche davon mit den Stickstoffdaten übereinstimmen und welche nicht.“

Meeresspiegel
Veränderungen der Stickstoff-Isotope im westlichen Arktischen Ozean und Rekonstruktion des Meeresspiegels in der Zeit von vor 46.000 Jahre bis heute. © Farmer et al. / PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Meeresspiegel sanken nur langsam

Das Ergebnis: Vor 46.000 Jahren zeigten die Daten aus dem Arktischen Ozean noch eine deutliche Erhöhung der 15N-Werte. Das belegt, dass die Beringstraße damals noch überflutet war und Wasser aus dem Pazifik ungehindert nach Norden vordringen konnte. Der Meeresspiegel kann demnach in dieser frühen Phase der letzten Eiszeit nicht mehr als 50 Meter unter dem heutigen gelegen haben – wahrscheinlich lag er sogar deutlich höher.

Das wiederum bedeutet, dass die mächtigen, wasserbindenden Eisschilde in dieser frühen Phase der Eiszeit langsamer gewachsen sind als es gängige Modelle zu Klima und Eis vorsehen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass es nach dem Abfall der Temperaturen eine substanzielle Verzögerung in der Entwicklung der Eisschilde gab“, sagt Pico. „Mehr als die Hälfte des Eisvolumens vom glazialen Maximum wurde demnach erst nach der Zeit vor 46.000 Jahren gebildet.“

Landbrücke erst vor 35.700 Jahren

Doch wann bildete sich die Beringia-Landbrücke? Den neuen Daten zufolge geschah auch dies deutlich später als vielfach angenommen. „Die Beringstraße war von vor mindestens 46.000 Jahren bis vor 35.700 Jahren überflutet und erst dann, rund 10.000 Jahre vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, bildete sich die Landbrücke“, berichten Farmer und seine Kollegen.

Das hat auch Bedeutung für unser Verständnis der Migration damaliger Menschen von Asien nach Nordamerika: „Bisher nahm man an, dass die Landbrücke schon eine Weile offen war, bevor die Menschen sie überquerten“, erklärt Co-Autor Daniel Sigman von der Princeton University. Doch das kann nicht der Fall gewesen sein, wie die neuen Daten zeigen.

Migration direkt nach dem Trockenfallen der Passage?

Wenn die ersten Menschen tatsächlich schon vor dem glazialen Maximum die Landbrücke überquerten, wie es 20.000 bis 30.000 Jahre alte archäologische Funde aus Amerika nahelegen, dann müssen sie fast direkt nach dem Trockenfällen der Landbrücke aufgebrochen sein. Das würde auch zu den genetischen Daten passen, die für eine Abspaltung von den Populationen Nordsibiriens vor rund 36.000 Jahren sprechen.

Allerdings bedeutet dies auch, dass diese ersten Auswanderer schon nach Beringia aufbrachen, als die Landbrücke vermutlich noch eher karg war und kaum bessere Bedingungen bot als ihre Heimat. Das wirft die Frage auf, was die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner zur Migration in dieses unbekannte Gebiet bewegte und wann genau sie damit begannen. Diese Fragen gilt es nun zu klären. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2206742119)

Quelle: PNAS, Princeton University, University of California – Santa Cruz

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