Überraschende Entdeckung: Ob wir uns zum Sport aufraffen und dabei Freude empfinden, könnte auch von unserer Darmflora abhängen. Denn bestimmte Bakterien im Darm geben Botenstoffe ab, die auf Nerven und Gehirn wirken und Glücksgefühle beim Sport fördern, wie eine Studie mit Mäusen enthüllt. Töteten Forschende diese Bakterien mit Antibiotika ab, verloren die zuvor bewegungsaffinen Tiere ihre Sportmotivation, umgekehrt wurden sie durch eine Mikroben-Transplantation zu Sportfans.
Bewegung ist für unsere Gesundheit essenziell: Sie hilft gegen Übergewicht und Depressionen, hält das Gehirn fit und kann unser Leben deutlich verlängern. Doch während manche Menschen freiwillig noch nach Feierabend Sport treiben und auch am Wochenende aktiv sind, fällt dies vielen anderen schwer: Trotz guter Vorsätze landen sie immer wieder auf dem Sofa. Was aber macht einige von uns zu Couchpotatos, andere dagegen zu Sportfans? Und warum empfinden manche Menschen eine ausgeprägte Befriedigung beim Training, während andere vergebens auf ein „Runner’s High“ hoffen?
Fahndung nach Einflussfaktoren für die Bewegungsfreude
Eine neue, überraschende Antwort auf diese Fragen könnten nun Lenka Dohnalova von der University of Pennsylvania und ihre Kollegen gefunden haben. Für ihre Studie hatten sie zunächst verschiedene Zuchtstämme von Mäusen freien Zugang zu einem Laufrad und einer Tretmühle gegeben und beobachtet, wie sich die individuellen Bewegungszeiten der Tiere unterschieden. Tatsächlich gab es bei den Mäusen wie bei uns Menschen einige, die diese Bewegungsangebote sehr oft nutzten, während andere dies kaum taten.
Aber warum? Um das herauszufinden, untersuchten die Forschenden das Genom, die Stoffwechselaktivität und andere Parameter der Mäuse auf mögliche Unterschiede zwischen den „Sportfans“ und den Bewegungsmuffeln – insgesamt erfassten sie mehr als 10.500 Datenpunkte pro Maus. Doch weder im Erbgut noch in der Stoffwechselaktivität der Tiere fanden sich Unterschiede, die das Bewegungsverhalten erklären könnten.
Darmflora im Visier
Deshalb untersuchte das Team nun einen weiteren Faktor: die Darmflora. Denn schon länger ist bekannt, dass die Bakteriengemeinschaft in unserem Darm nicht nur unsere Verdauung prägt, sondern auch unseren Appetit, unsere Stimmung und sogar unsere geistige Gesundheit beeinflussen kann. Dies geschieht über mikrobielle Botenstoffe, die an den Darmnerven andocken und so Signale auslösen, die bis ins Gehirn gelangen.
Ob diese Bauch-Hirn-Verbindung auch die Bewegungslust beeinflussen kann, haben Dohnalova und ihr Team zunächst mithilfe einer Antibiotika-Kur untersucht. Sie töteten gezielt die gesamte Darmflora der „Sportfans“ unter ihren Mäusen ab und beobachteten, was geschah. Für den Gegentest transplantierten die Wissenschaftler einigen bewegungsfaulen Mäusen die Darmflora von bewegungsfreudigen Tieren.
Zwei Bakterienarten und ihre Botenstoffe als Auslöser
Und tatsächlich: Die zuvor motivierten und bewegungsfreudigen Tiere wurden durch den Verlust ihrer Darmflora zu Sportmuffeln. Umgekehrt machte die Transplantation der Darmbakterien von bewegungsfreudigen Mäusen auf „Sportmuffel“ diese nun zu Sportfans. Nähere Analysen ergaben, dass dafür vor allem zwei Bakterienarten verantwortlich waren: Eubacterium rectale und Coprococcus eutactus. Waren sie in der Darmflora reichlich vertreten, motivierte dies die Mäuse zum Sport.
Aber wie? Wie die Forschenden herausfanden, produzieren diese Darmbakterien bestimmte Moleküle, die sogenannten Fettsäureamide (FAA). Erhielten „faule“ Mäuse solche Fettsäureamide mit dem Futter, begannen auch sie, sich mehr zu bewegen. Analysen ergaben, dass diese bakteriellen Botenstoffe eine Signalkaskade aktivieren, die bis ins Gehirn reicht. Das Andocken an sogenannte CB1-Endocannabinoid-Rezeptoren der Darmnerven löst dabei ein Nervensignal aus, das an das Striatum im Gehirn weitergeleitet wird. Dort bewirkt es die Freisetzung von Dopamin – einem Glückshormon.
Dopamin-Schub verursacht Freude beim Sport
Das bedeutet: Die Gegenwart bestimmter Mikroben im Darm kann beeinflussen, ob Sport eine positive Stimmung oder sogar Glücksgefühle auslöst – ähnlich wie beim sogenannten „Runner’s High“. Tatsächlich ergaben die Experimente, dass die bewegungsaffinen Mäuse beim Sport einen signifikant stärkeren Dopaminschub im Gehirn aufwiesen als ihre unmotivierten Artgenossen.
„Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die intestinalen Fettsäureamide auf diese Weise die Motivation zur Bewegung erhöhen“, erklären Dohnalova und ihre Kollegen. Sie vermuten, dass sich dieser Signalweg ursprünglich entwickelt hat, um Tiere zum aktiven Futtersuchen und damit zu ausdauernder Bewegung zu animieren. „Das könnte eine ganz neue Forschungsrichtung der Bewegungsphysiologie eröffnen“, so die Forschenden.
Auch bei uns Menschen?
Nach Ansicht der Wissenschaftler liegt es nahe, dass die Darmbakterien und ihre Stoffwechselprodukte auch bei uns Menschen eine ähnliche Wirkung haben. Demnach könnte die Zusammensetzung der Darmflora mitbeeinflussen, ob wir bei Bewegung und Sport Freude empfinden und zum Weitermachen motiviert sind oder nicht. Dohnalova und ihr Team wollen nun als nächstes auch beim Menschen nach einem solchen Darm-Hirn-Signalweg suchen.
„Wenn sich die Präsenz eines ähnlichen Signalwegs beim Menschen bestätigt, könnte dies eine effektiven Möglichkeit eröffnen, um Menschen zu mehr Bewegung und damit einem gesünderen Lebensstil zu bringen“, sagt Seniorautor Christoph Thaiss von der University of Pennsylvania. Denn dann könnte schon eine gezielte Ernährung oder die Gabe der sportfördernden Bakterienarten als Probiotikum Sportmuffeln dabei helfen, ihre Bewegungsunlust zu überwinden.
Bis es so weit ist, muss allerdings noch einiges an Forschung erfolgen, wie auch die nicht an der Studie beteiligten Wissenschaftler Gulistan Agirman und Elaine Hsiao von der University of California in Los Angeles betonen, dennoch sehen auch sie in den neuen Erkenntnissen erhebliches Potenzial: „Sollte dieses Phänomen auch für Menschen relevant sein, dann wäre die psychotrope Wirkung der mikrobiellen Moleküle von großem Interesse für therapeutische Optionen“, schreiben sie in einem begleitenden Kommentar. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05525-z)
Quelle: University of Pennsylvania School of Medicine