Genetik

Magnet-Gene in nicht-magnetischen Bakterien entdeckt

„Schlafende“ Gencluster verraten mehr über Bakterien-Evolution

Magnetosomen
Magnetosomen (durch Fluoreszenzmarkierung grün gefärbt) verleihen Bakterien einen Magnetsinn. Doch wozu hat die Mikrobe Rhodovastum atsumiense Magnetosomen-Gene, wenn sie diesen Magnetsinn gar nicht braucht? © A. Paulus

Magnetsinn in der DNA: Forschende haben erstmals Magnetosomen-Gene in einem nicht-magnetischen Bakterium entdeckt. Wahrscheinlich brachte sie einst ein horizontaler Gentransfer in der freien Natur dorthin. Das Empfänger-Bakterium Rhodovastum atsumiense hat die Gene allerdings stumm geschaltet, sodass sich die Magnetosomen-Produktion nicht einmal mehr künstlich anregen lässt. Der kuriose Fall bietet Wissenschaftlern nun die Gelegenheit, mehr über den Umgang von Bakterien mit „unbrauchbaren“ Genen zu erfahren.

Ein Magnetsinn, der eine Orientierung am Magnetfeld der Erde erlaubt, ist im Tierreich durchaus verbreitet. Zugvögel besitzen diesen inneren Kompass ebenso wie Schildkröten, Füchse und Hunde. Auch sogenannte magnetotaktische Bakterien sind mit einem Magnetsinn ausgestattet. Die wasserlebenden Mikroben können dank ihres Kompasses gezielt jene Wasserschichten ansteuern, die ihnen optimale Wachstumsbedingungen versprechen. Das gelingt, indem sie Magnetosomen – magnetische Nanopartikel aus Eisenoxid- oder Sulfidkernen – bilden und kettenförmig im Zellinneren anordnen.

Zufallsfund in der Datenbank

Eigentlich würde man Gene zur Magnetosomen-Bildung nur in Bakterien vermuten, die einen Magnetsinn auch wirklich benötigen und einsetzen. Doch Forschende um Marina Dziuba von der Universität Bayreuth haben Magnetosomen-Gene nun auch in einem nicht-magnetischen Bakterium entdeckt. Der Fund gelang ihnen zufällig, als sie gerade Genom-Datenbanken durchsuchten und dabei auf ein seltsam vertrautes Muster im Genom des Photosynthese betreibenden Bakteriums Rhodovastum atsumiense stießen.

Das Bakterium besaß DNA-Sequenzen zur Magnetosomen-Bildung – und das, obwohl es nach gängiger Meinung gar keine Magnetosomen produziert. Dziuba und ihr Team versuchten daraufhin, das Bakterium mit verschiedensten Labormethoden zur Magnetosomen-Herstellung anzuregen, was ihnen jedoch nicht gelang.

Ein weiterer Versuch sollte Klarheit darüber bringen, ob Rhodovastum atsumiense zumindest prinzipiell in der Lage ist, Magnetosomen-Biosynthese zu betreiben. Dafür transferierten die Wissenschaftler einen vollständigen Satz Magnet-Gene von einem magnetotaktischen Bakterium in das Erbgut von Rhodovastum.

Labor-Gene starten Kompass-Produktion

Das Ergebnis: Die künstlich eingesetzten Gene brachten die nicht-magnetische Mikrobe Rhodovastum dazu, Magnetosomen zu produzieren und gelegentlich sogar zu kurzen Ketten zusammenzusetzen. Das Bakterium ist demnach grundsätzlich dazu fähig, magnetische Nanopartikel herzustellen. Doch die von ihm produzierten Magnetosomen waren kleiner und schlechter organisiert als bei magnetotaktischen Bakterien, wie die Wissenschaftler berichten. Schon nach kurzer Zeit stellte Rhodovastum die Produktion sogar komplett ein.

Was war passiert? „Dieser Befund deutet darauf hin, dass die funktionelle Expression der erworbenen Magnetosomen-Gencluster eine beträchtliche Stoffwechsel-Belastung darstellt“, erklären Dziuba und ihre Kollegen. Denn für seinen Lebensstil benötigt Rhodovastum keine Magnetosomen. Sie dennoch zu produzieren, bringt ihm mehr Kosten als Nutzen. Deshalb hemmt es ihre Produktion, indem es das Ablesen der Magnetosomen-Gene verhindert, wie weitere Analysen ergaben.

Doch woher stammen die von Natur aus in Rhodovastum vorhandenen Magnet-Gene? Zusätzliche Genom-Analysen der Forschenden ergaben, dass das Gencluster höchstwahrscheinlich aus einem magnetischen Bakterium stammt, das der Klasse der Alphaproteobakterien angehört. Das Cluster ist vermutlich über horizontalen Gentransfer im Erbgut von Rhodovastum gelandet. Bei dieser Art des Gentransfers tauschen Bakterien Teile ihrer DNA mit anderen Bakterien aus, was ihr Erbgut modifiziert und wodurch im Extremfall sogar neue Arten entstehen können.

Ruhende Gene als Evolutions-Mechanismus

Doch Rhodovastum kann offensichtlich nicht viel mit dem einst erworbenen Erbgut anfangen. Dass es trotzdem noch in seiner DNA schlummert und nicht wieder herausgeschnitten wurde, erklärt sich Dziuba folgendermaßen: „Der Gentransfer hat vermutlich erst in einem jüngeren Stadium der Evolution stattgefunden. Eine rasche Eliminierung war nicht erforderlich, weil die Magnetosomen-Gene keinen schädigenden Einfluss auf das Wirtsbakterium haben.“

Die Magnet-Gene nutzen dem nicht-magnetischen Bakterium zwar nichts, verbrauchen im Ruhezustand aber auch keine unnötige Energie, weshalb Rhodovastum es nicht eilig hat, sie wieder loszuwerden. Allerdings ist nicht bekannt, ob Rhodovastum sich nur im Labor der Magnetosomen-Produktion verweigert oder sie vielleicht in seinem natürlichen Lebensraum unter speziellen Bedingungen doch wieder einschaltet.

Es ist also nicht abschließend geklärt, ob das Bakterium die Fremd-Gene in Zukunft gänzlich ausradieren oder im Ruhemodus behalten wird. Die Experimente von Dziubas Team zeigen jedoch, dass Bakterien transferierte, „unbrauchbare“ Gene zumindest vorübergehend in einem ruhenden Zustand behalten können, was neue Erkenntnisse zur Bakterien-Evolution beisteuert. (The ISME Journal, 2022; doi: 10.1038/s41396-022-01348-y

Quelle: Universität Bayreuth

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