Zwischen Highspeed und Gemächlichkeit: Einige Tiere nehmen Veränderungen ihrer Umgebung viel schneller wahr als wir Menschen. Die höchste zeitliche Auflösung haben dabei die Augen von Schmeißfliegen und Libellen, die noch 300 Lichtblitze pro Sekunde zeitlich trennen können, wie eine Studie enthüllt. Eine solche schnelle Wahrnehmung ist demnach vor allem kleinen Tieren vorbehalten sowie solchen, die fliegen können, und auch Meeresräubern. Prädatoren an Land gehörten überraschenderweise nicht zu den „Schnellguckern“.
Die Zeit scheint für uns nicht immer gleich schnell zu vergehen. Manchmal verfliegt sie regelrecht, in anderen Momenten, wie kurz vor einem Unfall, kommt uns alles wie in Zeitlupe vor. Auch Tiere haben ein Zeitempfinden. Wie schnell Tiere Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen können – ihre sogenannte zeitliche Wahrnehmung – hängt stark von den Anforderungen ihres jeweiligen Lebensraums ab. Manche Tiere müssen besonders schnell reagieren können, um Beute zu schlagen oder selbst nicht gefressen zu werden.
Flackernde Lichter
Um herauszufinden, wie stark die Zeitwahrnehmung zwischen verschiedenen Arten auseinanderklafft, haben Forschende um Kevin Healy von der Universität Galway nun Daten zu über 100 Tierarten gesammelt und ausgewertet. Die zeitliche Auflösung ihrer visuellen Wahrnehmung wurde mithilfe sogenannter Flackerlicht-Experimente ermittelt, bei denen die verschiedenen Tiere jeweils ein flackerndes Licht betrachteten.
Parallel maßen die Wissenschaftler mithilfe von Elektroretinogrammen, ob Augen und Gehirn der Tiere die Lichtblitze noch zeitlich voneinander trennen konnten. Als Kennzahl gilt dabei die sogenannte Flimmerverschmelzungsfrequenz. Diese ist dann erreicht, wenn ein Licht so schnell flackert, dass das Gehirn die Lichtblitze nicht mehr einzeln wahrnehmen kann, sondern sie als durchgehendes Leuchten erfasst. Bei manchen Arten ist diese Schwelle schneller erreicht, bei anderen später.
Libellen und Schmeißfliegen auf Platz eins
Das Ergebnis: Schmeißfliegen und Libellen erreichen mit einer Flimmerverschmelzungsfrequenz von 300 Hertz den höchsten Score. Das bedeutet, dass sie im Experiment noch 300 Lichtblitze pro Sekunde als individuelle Signale wahrnehmen konnten. Verglichen mit unserem zeitlichen Auflösungsvermögen von nur 65 Hertz läuft die Welt um sie herum also in einer Art Zeitlupe ab – was auch erklärt, warum Fliegen einer Klatsche so gut ausweichen können.
Die schnellsten Augen unter den Wirbeltieren gehören den Messungen zufolge dem Trauerschnäpper – einem kleinen Singvogel, der mit 146 Hertz sehen kann. Lachse kommen auf 96 Hertz und Hunde immerhin noch auf 75 Hertz. Es gibt aber auch Tiere, die ihre Umwelt mit einer deutlich geringeren zeitlichen Auflösung sehen als wir. Die langsamsten Augen hat dabei der Dornenkronenseestern. Er sieht nur mit 0,7 Hertz, wie die Forschenden ermittelten.
Schnelles Leben, schnelle Augen
Aus den unterschiedlichen Scores schließen Healy und seine Kollegen, dass Tiere mit schnellen Augen diese aufgrund ihres „schnellen Lebensstils“ besitzen. „Ein schnelles Sehvermögen hilft einer Spezies, schnelle Veränderungen in der Umwelt wahrzunehmen. Eine solch detaillierte Wahrnehmung von Veränderungen ist sehr nützlich, wenn man sich schnell bewegt oder die Flugbahn einer sich bewegenden Beute bestimmen muss“, erklärt Healy. Zu den Tieren mit schnellen Augen zählen laut den Forschenden drei Gruppen: kleine Tiere, fliegende Tiere und Meeresräuber.
Dass Meeresräuber in den Flackerlicht-Experimenten besser abschnitten als Landraubtiere, verwunderte die Forschenden zunächst, da Raubtiere schließlich generell auf schnelle Wahrnehmung angewiesen sein sollten. Die Hypothese des Teams: „Wir vermuten, dass dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, dass Raubtiere im Wasser ihre Position ständig anpassen können, wenn sie sich auf ihre Beute stürzen, während Raubtiere an Land nicht in der Lage sind, ihre Position anzupassen, sobald sie gestartet sind.“
Koffein macht unsere Augen schneller
Doch warum verfügen nicht alle Tiere über eine schnelle zeitliche Wahrnehmung? Der Grund liegt im biologischen Aufwand, den eine solche schnelle visuelle Wahrnehmung mit sich bringt. Einerseits benötigen „schnelle Augen“ viel Energie und andererseits erfordern sie spezielle anatomische Anpassungen in den Netzhautzellen. Tiere, die nicht unbedingt auf schnelles Sehen angewiesen sind, stecken diese Energie stattdessen in andere Lebensbereiche wie Wachstum oder Fortpflanzung, so die Forschenden.
Die Zeitwahrnehmung variiert auch innerhalb der Spezies, ebenso wie bei uns Menschen. Einige Studien deuten beispielsweise darauf hin, dass Torhüter Veränderungen in ihrer Umgebung schneller wahrnehmen können und dass auch Kaffee vorübergehend die zeitliche Wahrnehmung steigert, wie die Wissenschaftler berichten.
Quelle: British Ecological Society