Schläuche statt Kugeln: Forscher haben aus kugelförmigen Fullerenen eine neuartige Variante des Kohlenstoffs erzeugt. Für dieses neue Allotrop werden die aus 60 Kohlenstoffatomen bestehenden „Buckyballs“ unter Einfluss eines Katalysators teilweise aufgebrochen. Dadurch bilden sich neue Bindungen zwischen den Fullerenen heraus, die zur Bildung einer relativ geordneten, porösen Kohlenstoffstruktur führen. Dieses Material ist bei Kälte leitfähig und könnte neue Anwendungen ermöglichen, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Kohlenstoff ist eines der vielseitigsten Elemente im Periodensystem. Seine Reaktionen mit anderen Elementen bildet die Grundlage der gesamten organischen Chemie, gleichzeitig zeigt auch der reine Kohlenstoff eine Fülle an Strukturvarianten. Die Spanne dieser Allotrope reicht von Graphit und dem einlagigen „Wundermaterial“ Graphen über den Diamant bis hin zu Fullerenen – Hohlkugeln aus 60 Kohlenstoffatomen. Erst kürzlich gelang es Chemikern erstmals, aus solchen „Buckyballs“ auch eine Art Polymer herzustellen – ein Netzwerk aus miteinander verbundenen Fulleren.
„Buckyballs“ im Ofen
Eine weitere Modifikation des Kohlenstoffs haben nun Chemiker um Fei Pan von der Universität von Hefei hergestellt. Ausgangspunkt waren dabei die hohlkugelförmigen Fullerene. In ihnen ist jedes Atom mit drei anderen verbunden und demnach sp2-hybridisiert. Dabei bildet der Kohlenstoff rein rechnerisch zwei einfache und eine Doppelbindung, in der Praxis sind die Elektronen der Doppelbindung jedoch nicht an einer Stelle lokalisiert, sondern ähnlich wie im Benzolring delokalisiert.
Für ihre neue Struktur mischten die Chemiker Fulleren-Pulver mit Alpha-Lithiumnitrid (α-Li3N), einer Verbindung, die den Transfer von Elektronen und damit die Umlagerung von Bindungen fördern kann. Mischungen mit verschiedenen Anteilen dieses Katalysators erhitzten sie allmählich bis auf Temperaturen von 600 Grad.
Fullerene mit Verbindungs-Schläuchen
Es zeigte sich: Bei niedrigen Temperaturen bis etwa 480 Grad bleiben die Fullerene intakt, können aber verklumpen und so eine Art Polymerkristall ausbilden. Bei 600 Grad lässt die Hitze die Kohlenstoffkugeln komplett zerfallen. Doch dazwischen liegt ein Bereich, in dem etwas ganz Neues entsteht, wie Pan und sein Team beobachteten: Wenn eine 5:1-Mischung von Fullerenen und Alpha-Lithiumnitrid auf 550 Gad erhitzt wird, brechen die Kugelmoleküle nur teilweise auf und bilden untereinander neue Bindungen.
Es entsteht eine neuartige Struktur, in der die halb aufgebrochenen Fullerene eine Art Schlauchstruktur bilden. Sie sind weiterhin sp2-hybridisiert und behalten auch ihre Position im Kristallgitter. Gleichzeitig sind sie aber mit ihren Nachbarn über mehrere, einen Hohlraum umschließende Bindungen verknüpft und nicht jede Fullerenkugel ist auf gleiche Weise aufgebrochen.
Neuartig und möglicherweise nützlich
„Diese Kohlenstoff-Form ist völlig anders und einzigartig“, erklärt Koautor Rodney Ruoff vom Institut für Grundlagenforschung in Südkorea. Er und seine Kollegen haben diese neuartige Modifikation des Kohlenstoffs „Long-range ordered porous Carbon“ (LOPC) getauft. Das spiegelt wider, dass diese Kohlenstoff-Variante noch immer eine regelmäßige Grundstruktur aufweist, die aber im Nahbereich leicht variiert.
Interessant auch: Messungen ergaben, dass der LOPC-Kohlenstoff bei Raumtemperatur nur eine geringe elektrische Leitfähigkeit besitzt. Kühlt man das Material aber bis auf rund 30 Kelvin ab, wird er zu einem Stromleiter mit metallähnlichem Elektronentransport, wie das Team berichtet. Ihren Angaben nach eröffnen die Eigenschaften dieses Materials die Möglichkeit, diese Kohlenstoffvariante beispielsweise für die Speicherung oder Umwandlung von Energie, zur Katalyse oder für die Trennung von Gasen einzusetzen. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-022-05532-0)
Quelle: Institute for Basic Science