Technik

Erdöl und Erdgas strecken

Wie die Reserven der unverzichtbaren Stoffe länger ausreichen können

Bohrinsel vor Abendhimmel
Die Welt braucht Erdöl und -gas – allerdings nicht bei jeder Nutzung gleichermaßen stark. Damit die limitierten Vorräte länger reichen, gibt es verschiedene Ansätze, Alternativen einzusetzen. © stock.adobe.com, jason kozlowski/EyeEm

Erdöl und -gas sind fossile und somit nach menschlichen Maßstäben endliche Stoffe. Doch während sie bei einigen Anwendungen schon heute problemlos substituierbar sind, wäre es in anderen Nutzungsformen schwierig, oder wenigstens unnötig kostspielig, in möglichst rascher Zeit ebenso einen Wandel voranzutreiben. Daher versuchen gerade verschiedene Stellen, eine Lösung zu finden: Die limitierten Öl- und Gasreserven für jene wichtigen Anwendungen möglichst strecken, indem verzichtbare Nutzungen rasch verringert und idealerweise ersetzt werden.

Peak Oil und Peak Gas: Die großen Unbekannten

Von jedem Liter geförderten Erdöls werden etwa 35 Prozent zum Heizen verwendet. Knapp 30 Prozent werden als Treibstoff genutzt, weitere 22 Prozent dienen zur Energiegewinnung. Das heißt nichts anderes, als dass 87 Prozent des gesamten geförderten Erdöls verbrannt werden.

Beim Erdgas sieht es etwas anders aus. Zwar wird hier ebenfalls ein erheblicher Teil verbrannt, jedoch spielt das Gas eine kaum weniger bedeutende Rolle als Grundstoff. Fast 36 Prozent des hiesigen Erdgases (PDF) werden beispielsweise allein zur Herstellung von chemischen Erzeugnissen herangezogen.

Bei beiden Stoffen gibt es eine dramatische Verkettung von Herausforderungen:

  1. Es ist nicht genau bekannt, wie viel Erdöl- und Gas es insgesamt auf dem Planeten gibt. Jedoch ist realistisch zu vermuten, dass sich nur ein gewisser Teil davon wirtschaftlich fördern lässt. Wirtschaftlich sowohl in finanzieller Hinsicht als auch bezogen auf den nötigen Energieaufwand.
  2. Die Forschung kann allerdings die Zeiträume des sogenannten Fördermaximums (Peak Oil bzw. Peak Gas) bestimmen. Also Punkte, hinter denen sich die Fördermengen nicht mehr steigern lassen. Bei konventionell gefördertem Erdöl sehen viele Experten ein solches Plateau bereits erreicht; für Erdgas soll der Punkt im späteren Verlauf der 2020er liegen. Rechnet man unkonventionelle Förderungsmethoden hinzu (etwa das umstrittene Fracking), liegen die vermuteten Peak-Punkte für beide Energieträger in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts.
  3. Je stärker sich die Förderung auf unkonventionelle Methoden verlagert, desto teurer wird die Förderung und desto kostspieliger wird alles, was auf Öl und Gas basiert.
  4. Sowohl Öl als auch Gas haben sehr breit gesteckte Nutzungsfelder. Einerseits sehen viele Experten sie deshalb als zu kostbar zum bloßen Verbrennen an, andererseits muss selbst innerhalb dieser Nutzung (d.h. zur Bereitstellung von Wärme- und Bewegungsenergie) eine Abwägung nach Wichtigkeit erfolgen.
  5. Da es sich um fossile Stoffe handelt, die mit teils großem Aufwand exploriert werden, gibt es eine ganze Reihe von negativen Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Klima. Jedoch benötigen viele Alternativen Zeit und Geld, um zur Serienreife entwickelt zu werden.

Unterm Strich ist die Menschheit mit einer Tatsache konfrontiert: Die Nutzung von Erdöl und Erdgas endgültig zu beenden, ist ein Kraftakt. Dieser wird umso anstrengender, je rascher er erfolgen muss. Daher wird derzeit versucht, die gesicherten Reserven möglichst lange zu strecken – um buchstäblich mehr Zeit für den Wandel zu erkaufen, damit dieser „schmerzloser“ erfolgen kann.

Einwegplastik (Strohhalme)
Selbst, wenn man die Klima-Nachteile ignoriert, sind viele Einwegnutzungen von Plastik eine Verschwendung, die wir uns aufgrund der schwindenden Reserven nicht leisten können. © stock.adobe.com, mesteban75

Maximales Vermeiden von Einwegplastik

Konventionelle Kunststoffe werden zu einem ganz erheblichen Teil aus chemisch umgewandeltem Erdöl hergestellt. Zwar gibt es unterschiedlichste Kunststoffe, sie alle weisen jedoch zahlreiche positiven Eigenschaften aus – angefangen bei der schlechten Leitfähigkeit für Elektrizität und Wärme bis zu einer großen Stabilität bei geringem Gewicht.

Kunststoffprodukte mit einer extrem geringen Nutzungsdauer sind daher eine der angesprochenen Verschwendungen. Aus diesem Grund regulieren immer mehr Staaten eine solche Nutzung – etwa durch Verbote von Produkten wie Einweggeschirr oder Kunststofftrinkhalmen.

Deutlich ausgebaute Kunststoff-Recyclingketten

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die globale Kunststoffnutzung Fahrt aufnahm, wurden schätzungsweise etwa neun Milliarden Tonnen produziert. Bislang wurden jedoch nicht einmal eine Milliarde Tonnen recycelt. In Deutschland etwa verteilt sich die derzeitige Verwertung zu je der Hälfte auf Verbrennung und Recycling.

Ein wichtiger Grund dafür: Nicht alle Kunststoffsorten lassen sich wirtschaftlich und mit geringem Energiebedarf schreddern und einschmelzen. Teils funktioniert ein Recycling nur auf chemischem Weg, also ganz ähnlich wie die Umwandlung von Rohöl zu Polymerketten und somit Kunststoffen.

Da den Rezyklaten allerdings ein großes Potenzial für den Umweltschutz innewohnt, gibt es derzeit verschiedenste Bestrebungen, neue, wirtschaftliche Recyclingmethoden praxistauglich zu machen. Dabei ist die Welt auf einem guten Weg, seit Jahren steigen jährlich die Mengen von recyceltem Kunststoff bei der Herstellung neuer Kunststoffe.

Reduzierte Verbrenner-Verbräuche

Vom Gaskraftwerk über praktisch jedes Frachtschiff bis hinab zu einem Großteil der Mobilität werden tagtäglich enorme Mengen Erdöl und -gas genutzt, um durch Verbrennung Bewegungsenergie bereitzustellen – und darüber gegebenenfalls weitere Energieformen wie etwa elektrischen Strom.

Da diese Verbrennung einen so hohen Anteil an der Nutzung beider Energieträger hat, ist eine Verbrauchsreduzierung einer der wirkmächtigsten Hebel zum Strecken der Reserven. Konkret bedeutet das:

  1. Steigerung der Wirkungsgrade der genutzten Verbrennungsmaschinen.
  2. Reduzierter Energiebedarf nachgeschalteter Systeme, etwa durch Gewichtsreduktion.

Das Thema PKW zeigt jedoch bereits, wie schwierig dieses Feld sein kann: Seit vielen Jahren wurden die spezifischen Verbräuche von Motoren dramatisch reduziert. Da Fahrzeuge jedoch unter anderem durch gesteigerte Sicherheitsansprüche beträchtlich schwerer wurden, wurde ein erheblicher Teil der Einsparungen negiert.

Fahrradkurier
Für manche Anwendungen sind fossile Kraftstoffe (noch) die beste Lösung. Umso wichtiger ist es, abseits davon möglichst viele Barrel und Kubikmeter einzusparen. © stock.adobe.com, Halfpoint

Nutzung alternativer Antriebskonzepte

Jede Verbrennungsmaschine, die durch ein anderes Antriebskonzept ersetzt wird, sorgt für eine Verbrauchsreduktion. Im Falle der Elektromobilität gilt das sogar dann, wenn der dafür nötige Strom fossil erzeugt wird. Obwohl längst nicht alle batterieelektrischen Fahrzeuge vollständig mit regenerativ erzeugtem Strom geladen werden, lässt sich trotzdem bereits ein dramatischer Minderverbrauch von Erdöl beobachten. Ende 2021 betrug dieser weltweit gut 1,5 Millionen Barrel täglich – Tendenz steigend.

Dabei sind diese Lösungen sowie beispielsweise der Einsatz von Bio-Fuels nicht nur wichtig, um die fossilen Reserven für andere Nutzungen abseits der Verbrennung zu strecken, sondern ebenso für die klassische Verwendung als Kraftstoff: Speziell für den so extrem wichtigen Seetransport, Teile des Gütertransports auf der Straße sowie Mobilität zwecks innerer und äußerer Sicherheit (namentlich Militär und Polizei) sind fossile Kraftstoffe aus verschiedenen Gründen noch die naheliegendste Wahl.

Je weniger „überflüssiger Verkehr“ hierbei verbraucht, desto mehr Reserven verbleiben für die wirklich wichtigen Nutzungen – zwischen schnell auftankbaren Polizeifahrzeugen und bei jeder Witterung reichweitenstarken Rettungswagen.

Vermeidung von „überflüssigen“ Kunststoffen

Es gibt Anwendungen, bei denen sich keine wirklich tragfähige Alternative zu Kunststoffen findet. Etwa überall dort, wo elektrische Ströme isoliert werden müssen. Auch in vielen medizinischen Bereichen sind Kunststoffe nicht substituierbar, teils sogar als Einwegprodukt; beispielsweise bei Spritzen.

Doch selbst, wenn man den Konsumentenbereich der Einwegprodukte völlig ausklammert, gibt es noch verschiedene andere Produkte, bei denen auf die Nutzung von Plastik verzichtet oder diese wenigstens reduziert werden kann. Etwa

  • Waschmittel,
  • Körperpflegeprodukte,
  • Kosmetik,
  • verschiedene Verpackungen,
  • Farben und Lacke oder
  •  

Bei einer extrem breiten Palette von Zwischen- und Endprodukten geht der Trend dazu, entweder nur auf maximal langlebige Kunststoffe zu setzen oder, wo dies nicht möglich ist, generell andere Materialien zu bevorzugen – oder wenigstens den Kunststoffanteil zu reduzieren.

Beispiel Reinigungsmittel: Hier werden Kunststoffe meist genutzt, um Schaumbildung zu reduzieren und nach der Nutzung eine glänzende Oberfläche zu hinterlassen. Da zumindest letzteres eine weitgehend verzichtbare Eigenschaft ist, könnte die Nutzung reduziert werden.

Verwendung natürlicher und alternativer Düngungsmethoden

Eines derjenigen Felder, bei dem die Menschheit bislang noch extrem stark auf fossile Stoffe angewiesen ist, ist die Landwirtschaft. Um die fast 8 Milliarden Erdbewohner zu ernähren, ist der Einsatz von stickstoffbasierenden Kunstdüngern bislang weitgehend alternativlos – aus diesem Grund hat der Ukraine-Krieg so große Befürchtungen hervorgerufen.

Denn bislang wird Stickstoff-Kunstdünger fast ausschließlich aus chemisch umgewandeltem Erdgas hergestellt. Diese Tatsache ist ein wichtiger Grund, warum in anderen Segmenten eine Reduktion erfolgen muss – schlicht, damit die Landwirtschaft deutlich mehr Zeit bekommt, um alternative Konzepte zur Marktreife zu führen.

Allerdings bedeutet das nicht, jedes heute ausgebrachte Kilogramm Stickstoffdünger sei unverzichtbar oder alternativlos:

  • Entwicklung von (zwangsläufig genveränderten) Pflanzen, die Luftstickstoff deutlich besser verwerten können – das wäre sozusagen der Idealzustand.
  • Herstellung des Dünger-Grundstoffs Ammoniak (sowieso ein extrem wichtiger chemischer Grundstoff) über regenerativ hergestellten Wasserstoff.
  • Einsatz von Gründüngung oder anderen alternativen Verfahren zwischen Mist und Hornspänen.
  • Verminderte Nutztierhaltung, weil dies eine ineffiziente Nutzung agrarischer Pflanzen darstellt – im Gegensatz zu einer direkten Nutzung als menschliches Lebensmittel.
  • Ergänzung durch bislang nicht umfassend genutzte Pflanzen, vor allem aus den Ozeanen. Namentlich Algen – auch als Düngemittel.

Die Schwierigkeit liegt hierbei darin, dass der Ertrag gleichbleibend hoch bleiben muss. Selbst eine Reduktion um wenige Prozent könnte in einigen Weltregionen bereits die Ernährungssicherheit gefährden. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Weltbevölkerung aller Voraussicht nach noch weiterwachsen wird.

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