Primzahlen als Quantenzustände: Physiker haben erstmals ein Quantensystem konstruiert, das Primzahlen und andere mathematische Zahlenreihen ermitteln und darstellen kann. Dieser Quanten-„Abakus“ erzeugt basierend auf speziellen Formeln ein optisches Interferenzmuster, in dem dann beispielsweise nur die Primzahlen als diskrete Energiezustände auftauchen. Solche Quantensysteme könnten neue Möglichkeiten eröffnen, um arithmetische Zahlenreihen zu berechnen, so das Team.
Primzahlen sind eines der faszinierendsten Phänomene der Mathematik. Denn diese Zahlen sind nur durch Eins und sich selbst teilbar – und damit die „Atome“ der Zahlenwelt. Gleichzeitig sind sie im Zahlenstrang scheinbar zufällig und unberechenbar verteilt, ihre Abfolge lässt sich nicht durch eine einfache Formel berechnen. Unter anderem deshalb bilden Primzahlen die Basis der meisten Verschlüsselungen. Mathematiker versuchen zudem bis heute, die subtilen Muster in der unendlichen Primzahlenreihe zu enträtseln und immer größere Primzahlen zu finden.
„Abakus“ für Primzahlen
Jetzt haben Physiker eine ganz neue Methode zur Erzeugung von Primzahlen entwickelt – einen Quanten-Abakus. Das Team um Donatella Cassettari von der University of St. Andrews in Großbritannien wollte wissen, ob sich die scheinbar zufällige Abfolge der Primzahlen und anderer arithmetischer Zahlenreihen mithilfe von Quantensystemen ermitteln und darstellen lassen. Ziel war es, ein Quantensystem zu entwickeln, das die Primzahlen in Form diskreter Energieniveaus wiedergibt.
„Angesichts der wichtigen Rolle, die Primzahlen für viele mathematische Probleme spielen, von der Faktorisierung ganzer Zahlen bis zu berühmten Vermutungen wie der Riemann-Hypothese oder der Goldbach-Vermutung, wäre es vorteilhaft, wenn Primzahlen auch auf neue Art durch die experimentelle Kontrolle von Quantensystemen erzeugt werden könnten“, konstatieren die Forschenden. Die Primzahlen oder andere Zahlenreihen entstehen dabei letztlich als Folge physikalischer Gesetzmäßigkeiten.
Energieniveaus optischer Quantenpunkte als Anzeiger
Im Prinzip handelt es sich bei diesem System um einen Quanten-Abakus, wie das Team erklärt. Denn ähnlich wie ein Abakus Berechnungen mithilfe einfacher mechanischer Bewegungen von Kugeln ermöglicht, nutzt ein Quanten-Abakus quantenmechanische Manipulationen für die Kalkulation. Konkret besteht das System aus einem holografischen Aufbau, in dem ein Flüssigkristallgitter einen einfallenden Laserstrahl auf spezifische Weise verändert.
Die Form des Flüssigkristallgitters und die zusätzlichen Linsen und Spiegel sind so gewählt, dass ein Interferenzmuster mit einer Abfolge von Quantenpunkten in dieser Lichtfalle entsteht. Diese Quantenpunkte haben Energiezustände, deren Intensitätswerte eine Zahlenfolge ergeben – in einem Experiment waren dies die ersten Primzahlen, in einem anderen die „glückliche Zahlen“, eine weitere ähnlich unberechenbare Abfolge von Zahlen.
Geeignet auch für andere arithmetische Zahlenreihen
„Wir haben in unserem Labor schon die Quantenpotenziale der ersten 15 Primzahlen kalkuliert und erzeugt, außerdem die der ersten zehn glücklichen Zahlen“, berichtet Koautor Giuseppe Mussardo vom SISSA-Forschungszentrum in Triest. „Aber die gleiche Technik kann auch auf andere Zahlenfolgen angewendet werden – auch auf unendlich lange.“ Einzige Einschränkung sei es, dass die Zahlen in der Abfolge nicht zu schnell größer werden dürfen. „Das Wachstum der unendlichen Reihe muss unter N-Quadrat liegen“, erklärt Mussardo.
Nach Ansicht der Forschenden ist ihr Quanten-Abakus ein erster Schritt hin zu neuartigen Quantensystemen, mit denen man für Quantentechnologien wichtige Algorithmen auf neue Art testen und entwickeln kann. „Unsere Arbeit zeigt die Machbarkeit dieses Ansatzes und ebnet den Weg für die Erkundung mathematischer Probleme und arithmetischer Manipulationen mithilfe von quantenmechanischen Experimenten“, sagt Koautor Andrea Trombettoni von der Universität Triest. (PNAS Nexus, 2023; doi: 10.1093/pnasnexus/pgac279)
Quelle: Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati