Obwohl es Hybride schon lange vor dem Menschen gab, sind es aktuell dennoch die menschlichen Einflüsse, die diese kreativen Mischungen der Natur besonders begünstigen. Indem wir Brücken über Flüsse bauen, nicht-endemische Arten einschleppen oder im Zuge des Klimawandels Eisschilde zum Schmelzen bringen, verbinden wir Lebensräume miteinander, die zuvor über Jahrtausende, wenn nicht sogar über Jahrmillionen isoliert waren.
Reise zu den nördlichen Verwandten
Ungewollt erschaffen wir so „Begegnungszonen“, in denen Tiere verwandter Arten miteinander in Kontakt treten und Hybride zeugen können. Diese Begegnungskorridore heißen offiziell Hybridzonen und müssen nicht zwingend durch das Überwinden einer geografischen Barriere wie eines Flusses oder Gletschers entstehen. Es kann ebenso vorkommen, dass der Klimawandel Arten auf der Flucht vor warmen Temperaturen nordwärts treibt, wo sie dann auf nördliche Verwandte stoßen, mit denen sie zuvor nur äußerst selten in Kontakt kamen.
2010 berichteten Forschende um Colin Garroway von der kanadischen Trent University erstmals über eine auf diese Weise entstandene Hybridzone. Diese Zone liegt in Kanada und bildete sich, als Südliche Gleithörnchen nach einer Reihe warmer Winter in den Norden wanderten. Allein zwischen 1995 und 2003 erweiterten die bräunlichen Nagetiere ihr Verbreitungsgebiet um ganze 200 Kilometer nordwärts. Dort stießen sie auf Populationen des Nördlichen Gleithörnchens und zeugten Hybride mit ihnen.
Noch temperaturempfindlicher als Säugetiere wie die Gleithörnchen sind Insekten. So hat der Klimawandel zum Beispiel zu einer neuen Schmetterlings-Hybridzone geführt, die sich in einem schmalen Band über den Großteil Nordamerikas erstreckt. In ihr treffen zwei gelb-schwarz gestreifte Schmetterlinge aufeinander – der Östliche und der Kanadische Tigerschwalbenschwanz. Indem sie miteinander Hybride zeugen, verbreitet sich die Fähigkeit der Larven, ihre Wirtspflanzen zu entgiften, rapide nordwärts – zwischen den Jahren 2000 und 2015 um ganze 200 Kilometer, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.
Dichtes Gedränge am Hang
Die Überlagerung von Verbreitungsgebieten geschieht aber nicht nur im Maßstab einiger hundert Kilometer. Auch sogenannte Mikrohabitate, kleinräumige Habitate innerhalb eines größeren Lebensraums, verschieben sich bei vielen Arten als Reaktion auf den Klimawandel. Wird es zum Beispiel waldlebenden Amphibien in ihrem aktuellen Mikrohabitat zu heiß, ziehen sie in kühlere Bereiche des Waldes weiter oder suchen höhere Lagen auf.
„In Südostasien sind in den letzten 70 Jahren mindestens neun Amphibienarten aus dem Tiefland in ihrer Höhenverbreitung um 500 Meter oder mehr nach oben gewandert“, berichten Forschende um David Bickford von der National University of Singapore. Gleichzeitig wandern Arten höherer Lagen wegen intensiver gewordener UV-Strahlung hangabwärts. Diese Ansammlung von Amphibien in mittleren Höhenlagen bringt Arten zusammen, die sonst nicht aufeinandertreffen würden. Das führt wiederum zu vermehrter Hybridisierung zwischen ihnen.
Manche Arten reagieren auch auf den Klimawandel, indem sie ihren Lebensraum ausweiten, statt von einem Mikrohabitat in ein anderes zu wechseln. So hat etwa der Komma-Dickkopffalter die von ihm bewohnte Fläche in den vergangenen Jahrzehnten deutlich vergrößert, wodurch er auf andere verwandte Schmetterlingsarten treffen kann.
Paarungszeiten überlappen sich immer mehr
Ein dritter entscheidender Weg, auf dem der Klimawandel die Hybridisierung begünstigt, ist die Verlagerung von Paarungszeiten. Da viele Lebewesen – darunter Frösche, Vögel und Pflanzen – sich für den Zeitpunkt der Fortpflanzung an Temperatur und Feuchtigkeit orientieren, führen veränderte Umweltverhältnisse auch zu verschobenen Paarungszeiten. Manche Arten paaren sich später als zuvor, andere früher.
Bislang waren die zwischen den Arten variierenden Paarungszeiten eine natürliche Barriere gegen Hybridisierung. Selbst wenn sie im selben Gebiet lebten und sich begegnen konnten, war die Entstehung von Hybriden damit so gut wie unmöglich. Doch durch die klimabedingten Verschiebungen kommt es immer stärker zu Überlappungen der Paarungszeiten, was die einstige Barriere Schritt für Schritt abbaut. Feldbeobachtungen in einem Feuchtgebiet in South Carolina haben etwa gezeigt, dass sich die Paarungszeiten verschiedener Amphibienarten seit 1979 immer stärker überlappen. Der Weg für neue Hybride ist dort also geebnet.
„Der Klimawandel wird zweifelsohne die Wahrscheinlichkeit von Hybridisierungen verändern“, fasst Amanda Chunco von der Elon University in North Carolina zusammen. „Genetischer Austausch durch Organismen, die aufgrund des Klimawandels zusammenkommen, ist eher die Regel als die Ausnahme“, ergänzt Michael Arnold von der University of Georgia im Interview mit dem „Scientific American“.