Endlich aufgespürt: Zum ersten Mal haben Astronomen die schwachen Echos primordialer Schockwellen im Universum sichtbar gemacht. Diese Schockwellen wurden frei, als aus Dichtefluktuationen die erste Materie entstand und sich so die Großstruktur des Kosmos entwickelte. Nachgewiesen haben die Forschenden diese Schock-Echos jetzt über die schwache polarisierte Radiostrahlung, die damals durch Wechselwirkungen mit kosmischen Magnetfeldern frei wurde.
Galaxien, Gaswolken und Galaxienhaufen bilden im Universum ein gigantisches kosmisches Netzwerk. Galaxienreiche Knotenpunkte sind darin über gasreiche Filamente miteinander verknüpft, dazwischen liegen ausgedehnte „Voids“ – Zonen geringer Materiedichte. Diese Großstruktur des Universums entstand kurz nach dem Urknall aus primordialen Dichtefluktuationen. Dichtere Zonen kollabierten damals zu den materiereichen Knoten und Filamenten des kosmischen Netzwerks.
Synchrotronstrahlung durch frühe Schockwellen
Gängigen Modellen zufolge erzeugte die Bildung dieser ersten kosmischen Großstrukturen enorme Schockwellen, die bis heute ihre Spuren hinterlassen haben müssten. „Wenn Materie verschmilzt, setzt dies eine Schockwelle frei, die Teilchen beschleunigt“, erklärt Erstautorin Tessa Vernstrom von der University of Western Australia. Diese fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Elektronen setzen dann bei Interaktion mit intergalaktischen Magnetfeldern energiereiche Synchrotronstrahlung frei – ähnlich wie Teilchenströme in heutigen Elektronenlasern.
Ein Echo dieser Schockwellen-Strahlung sollte auch heute noch entlang des kosmischen Netzwerks vorhanden sein. Sie müsste sich als schwache, polarisierte Radiostrahlung zeigen. „Deswegen müsste das kosmische Netzwerk eigentlich im Radiospektrum ‚glühen‘, aber weil diese Emissionen so schwach sind, konnten sie bisher nie eindeutig nachgewiesen werden“, erklärt Vernstrom. Nur in einigen kollidierenden Galaxienhaufen wurde eine diffuse Radiostrahlung detektiert, deren Quelle aber unklar blieb.
Fahndung mittels „Stacking“
Erst jetzt ist es erstmals gelungen, dieses Strahlenecho der primordialen Schockwellen eindeutig nachzuweisen. Vernstrom und ihr Team nutzten dafür zum einen Radiodaten im Frequenzbereich von 1,4 Gigahertz der Himmelsdurchmusterung Global Magneto-Ionic Medium Survey (GMIMS). Zum anderen werteten sie Polarisationskarten der kosmischen Hintergrundstrahlung vom Planck-Satelliten aus. Denn der Theorie nach müsste das Strahlenecho auf bestimmte Weise polarisiert sein.
„Weil zudem nur wenige Quellen polarisierte Radiostrahlung freisetzen, gab es weniger Störrauschen und wir konnten besser feststellen, ob wir hier wirklich die Emissionsechos der Schockwellen sehen“, erklärt Vernstrom. Um die extrem schwachen Signale zu verstärken, nutzten die Forschenden zudem eine Stacking-Methode: Sie überlagerten mehrere Aufnahmen von zwischen 3,6 und 50 Millionen Lichtjahre weit auseinander liegenden Galaxienhaufenpaaren.
„Solche Paare sind mit hoher Wahrscheinlichkeit über kosmologische Filamente miteinander verbunden“, erklären die Astronomen. Als Kontrolle führten sie das gleiche Stacking-Verfahren bei jeweils zwei Milliarden Lichtjahre voneinander entfernten, nicht verbundenen Clustern durch.
Polarisation enthüllt Schockwellen-Echo
Das Ergebnis: „Bei den verbundenen Galaxienhaufen detektieren wir in beiden Frequenzbereichen Intercluster-Emissionen“, berichten die Astronomen. Dieses Signal fehlte bei den Kontrollpaaren. Die schwache Radiostrahlung aus dem Bereich zwischen den nahen Galaxienhaufen ist zudem zu 20 bis 60 Prozent polarisiert, was nach kosmischen Maßstäben sehr viel ist. „Die Strahlung normaler Galaxien ist nur zu wenigen Prozent polarisiert“, erklären die Forschenden.
Aus diesen Daten schließen Vernstrom und ihre Kollegen, dass die polarisierte Radiostrahlung von kosmologischen Filamenten zwischen den Galaxienhaufen ausgehen muss – und damit von einem uralten Teil der kosmischen Großstrukturen. „Stärke und Form des Polarisationssignals in Kombination mit der Intensität bestätigen, dass wir hier tatsächlich die Emission aus der Bildungszeit der kosmischen Großstrukturen sehen“, konstatiert das Forschungsteam.
Damit ist es den Astronomen erstmals gelungen, das Echo der von der frühen Materiebildung erzeugten Schockwellen sichtbar zu machen. Diese Schlussfolgerung bestätigte sich auch, als sie zur Kontrolle noch einmal in einer Simulation nachvollzogen, wie das Strahlenecho dieser Schockwellen bei Beobachtung mit Planck und GMIMS aussehen müsste. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.ade7233)
Quelle: International Centre for Radio Astronomy Research ICRAR