Chemie

Chemiker erzeugen Supersäuren

Neue Gruppe hochreaktiver Lewis-Supersäuren bricht selbst starke Bindungen auf

Lewis-Supersäure
In diesen Glasröhrchen befinden sich hochreaktive Lewis-Supersäuren – Säuren, die selbst starke chemische Bindungen knacken können. © Laura Köring/ Universität Paderborn

Aggressiver Helfer: Chemiker haben eine neue Gruppe von sogenannten Lewis-Supersäuren erzeugt – hochreaktive Säuren, die anderen Molekülen Elektronen entreißen und dadurch auch starke Bindungen aufbrechen können. Die neuen Supersäuren in Form von Boronsäureestern und Ferrocenyl-Boranen enthalten Bor, Eisen und aromatische Kohlenwasserstoffringe und lassen sich elektrochemisch herstellen. Sie könnten künftig dabei helfen, schwerabbaubare organische Schadstoffe zu knacken und in nutzbare Chemierohstoffe umzuwandeln.

Chemische Bindungen entstehen, wenn Atome einige ihrer Außenelektronen teilen oder ganz an den Bindungspartner abgeben. Die Festigkeit dieser Bindungen entscheidet unter anderem darüber, wie stabil ein Molekül ist und wie leicht es beispielsweise in der Umwelt wieder abgebaut werden kann. Auch die Synthese neuer Substanzen aus molekularen Ausgangsstoffen wird durch zu feste Bindungen erschwert.

Lewis-Supersäuren
Struktur der neuen Lewis-Supersäuren. © Köring et al./ Angewandte Chemie, CC-by 4.0

Bindungsbruch durch Elektronenklau

In solchen Fällen setzen Chemiker oft sogenannte Lewis-Säuren als Katalysatoren ein. Diese hochreaktiven Säuren können anderen Molekülen Elektronenpaare entreißen und so auch stabile Bindungen aufbrechen. Als stärkste Lewis-Säure galt lange Antimonpentafluorid (SbF5), inzwischen haben Chemiker jedoch einige phosphor- und borhaltige organische Verbindungen entdeckt, die noch aggressiver sind. Sie werden daher als Lewis-Supersäuren bezeichnet.

„Für starke Bindungen benötigt man sehr reaktive Reagenzien, also Stoffe, die extrem bereitwillig reagieren“, erklärt Seniorautor Jan Paradies von der Universität Paderborn. Allerdings lassen sich solche Lewis-Supersäuren wegen ihrer hohen Reaktivität nur sehr schwer synthetisieren und isolieren. Mithilfe elektrochemischer Methoden ist es den Chemikern nun jedoch gelungen, eine neue Gruppe dieser Supersäuren herzustellen. „Durch einen Trick haben wir es geschafft, solche Moleküle herzustellen und in katalytischen Reaktionen einzusetzen“, sagt Paradies.

Neue Lewis-Supersäuren auf Borbasis

Bei den neuen Supersäuren handelt es sich um ein Komplexmolekül aus Bor, einem halogenhaltigen Rest und Ferrocenyl – zwei fünfatomigen Kohlenwasserstoffringen, die über ein Eisenatom miteinander verbunden sind. In Gegenwart schwacher Silbersalze bilden diese Komplexmoleküle positiv geladene Kationen, die sich als extrem reaktiv erwiesen: „Die geschätzten Fluorid-Ionen-Affinitäten (ein Maß für die Lewis-Säureaktivität) sind um 240 und 209 Kilojoule pro Mol größer als die von Antimonpentafluorid“, schreiben die Chemiker.  „Damit können diese Borane als Lewis-Supersäuren klassifiziert werden.“ Der Wert für Antimonpentafluorid liegt bei 492 Kilojoule pro Mol.

Die Reaktionsfreudigkeit der neuen Supersäuren reicht somit aus, um auch besonders stabile Kohlenstoff-Fluor oder Schwefel-Fluor-Bindungen zu spalten. Dadurch ließen sie sich beispielsweise einsetzen, um fluorhaltige Kohlenwasserstoffe zu „knacken“ – und so diese in der Natur schwer abbaubaren Schadstoffe unschädlich zu machen. Auch klimaschädliche Treibhausgase wie Schwefelhexafluorid könnten mithilfe solcher Lewis-Supersäuren wieder in nachhaltig verwertbare Chemikalien umgewandelt werden. (Angewandte Chemie, 2023; doi: 10.1002/ange.202216959)

Quelle: Universität Paderborn

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