Medizin

Wie Ingwer unserer Immunabwehr hilft

Scharfstoff aus dem Ingwer versetzt Abwehrzellen in erhöhte Alarmbereitschaft

Ingwer
Ingwertee unterstützt unser Immunsystem im Kampf gegen Krankheitserreger. © Gisela Olias, Gaby Andersen/ Leibniz-LSB@TUM

Großmutter hatte recht: Ingwer kann bei Erkältungen und anderen Krankheiten tatsächlich gute Dienste als Hausmittel leisten, wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben. Demnach dockt ein bestimmter Scharfstoff des Ingwers an weiße Blutkörperchen der Immunabwehr an und versetzt sie in erhöhte Alarmbereitschaft. Dadurch geht es der Infektion umso schneller an den Kragen. Um diesen Effekt zu erzielen, reicht bereits ein Liter frisch aufgebrühter Ingwertee, wie die Wissenschaftler berichten.

Ingwer gilt mit seiner natürlichen Schärfe nicht nur in der Küche als das besondere Etwas, sondern hat ebenso einen Ruf als Heilpflanze. Seinen ätherischen Ölen und Scharfstoffen wird zum Beispiel nachgesagt, dass sie gegen Übelkeit helfen, Schmerzen lindern und Entzündungen eindämmen. Auch bei Erkältungen ist Ingwertee ein beliebtes Hausmittel. Doch bislang fehlten endgültige wissenschaftliche Beweise, die diese Wirkung und die dahinterstehenden Mechanismen bestätigen.

„Schärferezeptoren“ auch an weißen Blutkörperchen

Forschende um Gaby Andersen von der Technischen Universität München haben nun untersucht, ob und wie der Ingwer unserem Körper tatsächlich im Kampf gegen Erkältungen zur Seite steht. Sie orientierten sich dabei an den Ergebnissen einer Vorgängerstudie. Darin hatte sich bereits gezeigt, dass durch das Trinken von Ingwertee erhebliche Mengen von Ingwerscharfstoffen ins Blut gelangen. Das gilt vor allem für den Scharfstoff [6]-Gingerol.

Von diesem ist bekannt, dass er an einen speziellen Ionenkanal, den TRPV1-Rezeptor, andockt. Dieser sitzt auf der Oberfläche unserer Nervenzellen und detektiert neben Hitze- und Schmerzreizen ebenso den scharfen Geschmack von Ingwer und Chili. In ihrer neuen Studie konnten Andersen und ihr Team nun nachweisen, dass diese TRPV1-Rezeptoren auch an zwei Dritteln der weißen Blutkörperchen unserer Immunabwehr sitzen, an den sogenannten neutrophilen Granulozyten. Damit könnte das [6]-Gingerol zumindest in der Theorie Einfluss auf das Verhalten der Abwehrzellen nehmen.

[6]-Gingerol mobilisiert Abwehrzellen

Auch in der Praxis ist diese Hypothese offenbar korrekt: Unter Laborbedingungen interagierte das [6]-Gingerol tatsächlich mit den weißen Blutkörperchen, indem es sie in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzte, wie die Forschenden berichten. Im Detail stellten sie fest, dass die Immunzellen unter Einfluss des Ingwer-Inhaltsstoffs den Botenstoff Interleukin-8 (CXCL8) bildeten, außerdem sogenannte reaktive Sauerstoffspezies (ROS), aggressive Formen des Sauerstoffs, die bei der Bekämpfung von Krankheitserregern helfen.

In ergänzenden Tests zeigte sich, dass die durch den Ingwer stimulierten Zellen in der Folge etwa 30 Prozent stärker auf eine vorgetäuschte bakterielle Infektion reagierten als Kontrollzellen, die nicht mit Ingwer in Kontakt gekommen waren. Die Forschenden gehen deshalb davon aus, dass das im Ingwer enthaltene [6]-Gingerol unser Immunsystem tatsächlich im Kampf gegen Erreger unterstützt.

Schon ein Liter Ingwertee reicht

Positiv auch: Um die abwehrstimulierende Wirkung zu erzielen, war bereits die geringe Konzentration von knapp 15 Mikrogramm [6]-Gingerol pro Liter Nährmedium ausreichend. „Im Blut ließen sich solche Konzentrationen theoretisch durch den Konsum von gut einem Liter Ingwertee erzielen“, erklärt Andersen. Wer seinem Immunsystem bei der nächsten Erkältung auf die Sprünge helfen möchte, kann es also ruhig mit einem Ingwertee versuchen, solange keine Allergien oder Unverträglichkeiten vorliegen.

In den Experimenten verwendeten die Wissenschaftler allerdings keinen Ingwertee aus dem Beutel, sondern übergossen 100 Gramm frische Ingwerknolle, die sie zuvor geschält und zerkleinert hatten, mit kochendem Wasser. Das Gemisch ließen sie eine Viertelstunde lang ziehen und siebten es dann ab. (Molecular Nutrition and Food Research, 2023; doi: 10.1002/mnfr.202200434

Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie

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