Spannender Fund: Im Südwesten Frankreichs haben Archäologen erstmals eine Wohnsiedlung der frühen Megalith-Kultur entdeckt. Sie gibt erstmals Aufschluss, wie die Erbauer der monumentalen Steinkreise und Großsteingräber vor 6.400 Jahren lebten. Das Megalith-Dorf war von einem Doppelgraben mit Holzpalisade geschützt und umfasste mindestens drei große rechteckige Wohnhäuser. Während die Monumente für ihre Götter und Toten aus Stein bestanden, errichteten die Menschen ihre eigenen Behausungen aus Holz, Erde und Flechtwerk.
Ob Steinkreise wie in Stonehenge, Menhir-Komplexe wie in Spanien und Frankreich oder Ganggräber für die Toten: In der Zeit vor 6.500 bis 4.500 Jahren schufen die Menschen der Megalith-Kultur monumentale Bauwerke. Mehr als 35.000 solcher Megalith-Monumente sind bisher bekannt, die meisten liegen in küstennahen Bereichen West- und Nordeuropas. Einige Archäologen vermuten deshalb, dass sich diese Kultur mit steinzeitlichen Seefahrern über Europa ausbreitete.
Verräterische Spuren
Doch so zahlreich die Funde von Megalith-Bauten sind, so spärlich ist das Wissen über ihre Erbauer. Denn bisher wurden nur wenige, erst aus der Spätzeit der Megalithkultur stammende Überreste der Siedlungen gefunden, in denen die Erbauer der steinernen Monumente einst lebten. Weil oft nur die Umfriedungen in Form von Erdwällen oder Gräben erhalten geblieben sind, ist zudem teilweise umstritten, ob es sich wirklich um Wohnsiedlungen handelt.
„Seit mehr als einem Jahrhundert haben Archäologen erfolglos versucht, Wohnsiedlungen zu finden, die aus der Zeit der frühen Megalith-Bauten stammen“, erklären Vincent Ard von der französischen Forschungsorganisation CNRS in Toulouse und seine Kollegen. Im Jahr 2011 waren sie jedoch auf Luftbildaufnahmen gestoßen, die in Le Peu in Südwesten Frankreichs auffallende Strukturen im Untergrund zeigten. Nähere Untersuchungen in der Zeit von 2014 bis 2021 haben nun spannende Funde zutage gefördert.
Ein befestigtes Dorf in Sichtweite eines Gräberfelds
Ausgrabungen und geomagnetische Analysen enthüllten in Le Peu eine befestigte Siedlung, die mehr als 6.400 Jahre alt ist und damit zeitgleich mit einigen der frühesten Megalith-Bauten entstand. Das Steinzeit-Dorf lag am westlichen Ende eines leicht erhöhten, von einem kleinen Fluss gesäumten Geländes, das nur 2,5 Kilometer von einer bekannten Ansammlung mehrerer Großgräber der Megalithkultur entfernt ist. Von der Anhöhe aus hätten die Bewohner der Siedlung diese Gräber sogar sehen können, wie die Archäologen erklären.
Umgeben war das Steinzeit-Dorf von einem langen Doppelgraben, dessen innere Senke zusätzlich mit einer Holzpalisade geschützt war. Indizien dafür liefern zahlreiche Pfostenlöcher mit Holz- und Holzkohleresten, wie die Archäologen berichten. Eingang ins Dorf boten sogenannte Krebsscheren-Durchgänge – von einem gebogenen Graben und einer Palisade begrenzte Öffnungen in der Befestigung, wie sie auch von später entstandenen Megalith-Siedlungen bekannt sind.
Hölzerne Bastionen und mindestens drei Wohnhäuser
Bisher einzigartig ist jedoch eine Struktur, die Ard und seine Kollegen an zwei Stellen des Doppelgrabens entdeckten: Dort wölbte sich die Befestigung hufeisenförmig nach außen und umfasste einst ein etwa sieben mal fünf Meter großes Bauwerk, das den äußeren Graben überbrückte und offenbar einen Eingang schützte. „Man könnte dies analog zu späteren Beispielen als Bastion beschreiben“, so die Archäologen. Ihre Ansicht nach zeugen diese Bauwerke davon, dass die Zeit der frühen Megalith-Kultur offenbar nicht unbedingt friedlich war.
Ebenfalls eine Rarität entdeckten die Archäologen im Inneren der Siedlungs-Umfriedung. Sie stießen dort auf die Überreste von mindestens drei rechteckigen, 13 mal neun Meter großen Gebäuden. Alle drei waren grob in Ost-West-Richtung ausgerichtet und aus Holzbalken errichtet. Reste von Pfostenlöchern verraten, dass Längswände und Dach von dicken Eichenbalken stabilisiert wurden. An der östlichen Stirnseite stand dagegen nur ein zentraler Holzbalken.
Im Inneren eines der Gebäude waren zudem Spuren kleinerer Balken zu erkennen, die auf eine erhöhte Plattform hindeuten. „Sie könnten einst einen Schlafplatz oder eine Küche getragen haben“, so Ard und seine Kollegen.
Holz für die Lebenden und Stein für die Toten
„Diese Indizien für mindestens drei Gebäude repräsentieren die ältesten rechteckigen Häuser in ganz Westmittelfrankreich“, berichten Ard und sein Team. An keinem anderen Ort in dieser Region habe man bisher Ähnliches gefunden. „Die Entdeckung von Le Peu und die Ausgrabungen liefern uns ein erstes Bild davon, wie die Siedlungen der Megalith-Erbauer einst aussahen.“ So enthüllen die Funde, dass die Menschen ihre Wohnhäuser damals aus Holzbalken und Flechtwerk errichteten.
Das erklärt zum einen, warum bisher nicht mehr Siedlungen aus der Zeit der frühen Megalithkultur erhalten geblieben sind und entdeckt wurden. Zum anderen demonstriert dies aber auch, dass die Menschen damals zwei ganz unterschiedliche Formen der Architektur entwickelten – eine für die Toten und eine für die Lebenden. „Für ihre Gebäude waren demnach Holz und Erde die bevorzugten Baumaterialien, während Stein die Welt ihrer Toten dominierte“, so die Archäologen. (Antiquity, 2023; doi: 10.15184/aqy.2022.169)
Quelle: Antiquity