Astronomie

„Unmöglicher“ Babystern an unserem Schwarzen Loch

Astronomen entdecken massereichen Jungstern mitsamt Kokon bei Sagittarius A*

SAgittarius A*
Dicht an Sagittarius A*, dem zentralen Schwarzen Loch unserer Galaxie, haben Astronomen erstmals einen Protostern entdeckt – einen noch nicht voll ausgewachsenen Stern. © NASA/CXC/Caltech, M.Muno et al.

Überaschende Entdeckung: Astronomen haben erstmals einen heranwachsenden Protostern direkt am Schwarzen Loch der Milchstraße aufgespürt – obwohl eine Sternbildung dort eigentlich als unmöglich gilt, weil die enormen Gezeitenkräfte und starke Strahlung dies verhindern. Doch der erst wenige 10.000 Jahre alte Stern X3a widerlegt diese Annahme nun. Er ist noch im Wachstum und von einer zirkumstellaren Sxcheibe sowie einem Kokon aus Staub und Gas umgeben, wie die Forschenden berichten. Wie er so nah an Sagittarius A* entstehen konnte, ist rätselhaft.

Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße beeinflusst nicht nur unsere Galaxie als Ganzes, auch seine unmittelbare Umgebung ist von der enormen Schwerkraft und den energiereichen Emissionen von Sagittarius A* geprägt. Seine Anziehungskraft macht die Sterne in seiner Nähe zu den schnellsten der gesamten Milchstraße und erzeugt bei ihnen relativistische Phänomene wie die gravitationsbedingte Rotverschiebung ihres Lichts oder die Schwarzschild-Präzession – die rosettenartige Verschiebung ihrer Umlaufbahnen.

X3a
Der neu entdeckte Jungstern X3a liegt überraschend nahe am Schwarzen Loch Sagittarius A*. © Peißker et al./ Astrophysical Journal, CC-by 4.0

Rätselhafte Klumpen am Schwarzen Loch

Wegen dieser extremen Bedingungen kann es gängiger Lehrmeinung nach in unmittelbarer Nähe zu einem supermassereichen Schwarzen Loch keine Sternbildung geben. Denn die enormen Gezeitenkräfte und die starke Strahlung verhindern, dass sich die dafür nötigen kalten, dichten Gaswolken bilden. Die heute nah an Sagittarius A* kreisenden Sterne müssen daher anderswo entstanden sein – so jedenfalls dachte man.

Allerdings haben Astronomen in den letzten Jahren einige auffallende Gasklumpen und jüngere Sterne im Umfeld von Sagittarius A* entdeckt, die Zweifel an dieser Annahme weckten. Astronomen um Florian Peißker von der Universität Köln haben daher einige dieser Objekte im Milchstraßenzentrum mit mehreren Teleskopen und hochauflösenden Spektrometern näher untersucht. Eines davon ist X3, eine Ansammlung von drei heißen Klumpen unklarer Zusammensetzung, die nur ein Drittel Lichtjahr vom Schwarzen Loch entfernt sind.

Protostern in staubigem Kokon

Die Beobachtungen enthüllten Überraschendes: In einem der Klumpen von X3 verbirgt sich ein junger, noch nicht ausgereifter Stern. „Es handelt sich um ein junges stellares Objekt mit einer umgebenden Scheibe, das in einem bugwellenförmigen Kokon aus Staub eingebettet ist“, berichten die Astronomen. Der im Zentrum dieses Systems liegende Jungstern ist rund 15-mal so schwer wie unsere Sonne und erst wenige 10.000 Jahre alt.

Den spektralen Analysen zufolge handelt es sich bei diesem X3a getauften Objekt um einen sogenannten Herbig-Ae/Be-Stern. Diese Protosterne sind noch nicht dicht und schwer genug, um die Wasserstoff-Fusion zu zünden und beziehen ihre Energie aus dem Einfallen großer Mengen von Materie. „Der X3a-Stern ist noch von einer zirkumstellaren Scheibe mit einem Radius von 700 astronomischen Einheiten umgeben“, so Peißker und seine Kollegen. Dort, wo die Emissionen des nahen Schwarzen Lochs auf die Außenhülle des stellaren Kokons treffen, sind zudem mehren Schockwellen sichtbar.

Junger stellare Riese widerspricht Theorie

Das aber bedeutet: Obwohl X3a nicht einmal ein Lichtjahr vom Schwarzen Loch entfernt liegt, konnte der Jungstern offenbar allen Turbulenzen und Gezeitenkräften trotzen. Er hat es geschafft, seine zirkumstellare Scheibe und den Staubkokon weitgehend festzuhalten. Die Astronomen führen dies auf die große Masse des Jungsterns zurück: „Die große Masse von X3a schützt die innere Region des Systems, obwohl wir den Schwerkraft-Fußabdruck von Sagittarius A* in nur 0,32 Lichtjahren Entfernung verortet haben“, erklären sie.

X3a Struktur
Rekonstruktion von X3a und den ihn umgebenden Strukturen. © Peißker et al./ Astrophysical Journal, CC-by 4.0

Damit widerspricht der junge Riesenstern X3a den bisherigen Annahmen zur „sterilen“ Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern. Denn auch wenn der Jungstern jetzt genügend Masse besitzt, um nicht wieder sofort zerrissen zu werden, bleibt die Frage, wie er so nah am Schwarzen Loch entstehen konnte. Über die Antwort können die Astronomen bisher nur spekulieren.

Wie und wo ist X3a entstanden?

Eine mögliche Erklärung wäre, dass eine kalte molekulare Gaswolke ins galaktische Zentrum gestürzt ist und dadurch Rohmaterial für die Sternbildung lieferte. „Dafür müsste es aber zumindest einige Spuren eines solchen Gaswolken-Einfalls vor kurzer Zeit gegeben haben, wie lang ausgezogene Gas- und Staubschweife oder mitgerissene Sterne“, erklärt das Team. Doch bisher gibt es dafür keine klaren Anzeichen. Denkbar wäre aber, dass X3a in einer Wolke entstand, die etwas weiter außen um das Schwarze Loch kreiste.

„In einer Entfernung von nur einigen Lichtjahren vom Schwarzen Loch gibt es eine Region, welche die Bedingungen für Sternentstehung erfüllt“, erklärt Peißker. „Dieser Ring aus Gas und Staub ist hinreichend kalt und gegen zerstörerische Strahlung abgeschirmt.“ Dort könnte ein Teil der Wolke unter ihrer eigenen Schwerkraft zu einem oder mehreren Protosternen kollabiert sein. „Diese sogenannte Fallzeit entspricht ungefähr dem Alter von X3a“, sagt Peißker. Erst nach der Bildung des Protosterns könnten dann Wechselwirkungen der Gaswolken untereinander X3a und seinen Kokon näher an das Schwarze Loch gebracht haben.

Ob dieses Szenario plausibel ist und ob es dafür Indizien gibt, wollen die Astronomen nun durch weitere Beobachtungen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop und weiteren leistungsstarken Teleskopen untersuchen. (The Astrophysical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-4357/aca977)

Quelle: The Astrophysical Journal, Universität zu Köln

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Sternentstehung - Vom Urknall bis zur Sonne von Ralf Klessen

Top-Clicks der Woche