Physik

Erste Bor-Wasserstoff-Fusion im Plasma

Fusionsexperiment ebnet Weg zur Kernfusion mit alternativem Brennstoff

Bor-Wasserstoff-Fusion
Die Fusion von Wasserstoff mit Bor erfordert zwar eine höhere Plasmatemperaturen, dafür erzeugt sie aber nur Heliumkerne und keine radioaktiven Neutronen. © TAE

Bor statt Deuterium und Tritium: Forscher haben erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Plasma ausgelöst und anhand der entstandenen Heliumkerne nachgewiesen. Dieser in einem Testreaktor in Japan erreichte Erfolg könnte ein erster Schritt zu saubereren Fusionskraftwerken sein, die keine radioaktiven Neutronen produzieren, wie das Team in „Nature Communications“ berichtet. Bor ist zudem anders als das in gängigen Fusionsreaktoren genutzte Tritium ein reichlich verfügbarer Rohstoff.

Kernfusion gilt als Energiequelle der Zukunft. Doch mit welcher Technologie der Durchbruch und die praktische Umsetzung von Fusionskraftwerken gelingen kann, ist noch offen. Physiker testen zurzeit ganz unterschiedliche Reaktortypen – von Anlagen nach dem Tokamak-Prinzip wie der Großreaktor ITER über Stellaratoren wie Wendelstein 7-X bis zur Laserfusion, die erst kürzlich eine Plasmazündung erzielte. Gemeinsam ist diesen Fusionsreaktoren, dass sie meist schweren Wasserstoff in Form von Deuterium und Tritium als Brennstoff nutzen.

Kontrollzentrum
Forscherteam und Mitarbeiter der Testanlage im Kontrollraum des Fusionsreaktors Large Helical Device. © TAE

Das Problem dabei: Die Fusion von Deuterium und Tritium setzt große Mengen an energiereichen und radioaktiven Neutronen frei, die aufwändige Abschirmungen erfordern. Zudem kommt das Isotop Tritium in der Natur nur in winzigsten Mengen vor und muss daher aus radioaktivem Material oder in den Fusionsreaktoren gewonnen werden. Der gesamte weltweite Tritiumvorrat liegt zurzeit bei weniger als 20 Kilogramm.

Bor als alternativer Fusionsbrennstoff

Eine mögliche Alternative könnte jedoch die Fusion von Wasserstoff mit Bor darstellen. Dieses Halbmetall kommt in der Natur reichlich vor und ist anders als Tritium weder giftig noch radioaktiv. „Die Fusionsreaktion mit Bor erzeugt zudem keine Neutronen, nur Helium in Form von drei Alphateilchen“, erklären R.M. Magee von TAE Technologies und Kollegen. Ein Fusionsreaktor mit Protonen und Bor als Brennstoff wäre daher sicherer, umweltfreundlicher und leichter zu handhaben.

Allerdings gibt es einen Haken: Um in einem Wasserstoff-Bor-Plasma die Kernfusion zu zünden, sind 30-mal höhere Temperaturen nötig als bei einem Deuterium-Tritium-Plasma. „Das macht es zu einer Herausforderung, Reaktoren mit diesem Brennstoff so zu betreiben, dass die erzeugte Fusionsenergie größer ist als die für die Heizung hineingesteckte“, erklären die Physiker. Um diese eigentlich sauberere und einfacher zu handhabende Fusionstechnik umzusetzen, müssen daher zunächst größere physikalischen Hürden überwunden werden. „Doch diese Hürden können überwunden werden“, betonen die Forscher.

Fusionstest in japanischem Stellarator

Jetzt ist dem Team um Magee dabei ein wichtiger Schritt gelungen: Sie haben erstmals die Fusion von Wasser mit Bor im Plasma eines Magneteinschluss-Reaktors ausgelöst und nachgewiesen. Dafür nutzten sie das Large Helical Device (LHD) in Japan, den nach Wendelstein 7-X zweitgrößten Stellarator weltweit. Im Experiment gaben die Physiker zunächst winzige Borkörnchen in das Wasserstoffplasma des Fusionsreaktors. „Messungen zeigen, dass sich dabei eine signifikante Menge des Bors im Zentrum des Plasmas ansammelt“, erklären sie.

Large Helical Device
Gewundene Form des Fusionsplasmas (gelb) im Large Helical Device. © NIFS

Im nächsten Schritt wurden mithilfe mehrere Ionenstrahl-Injektoren energiereiche Protonen in das Plasma geschossen. „Berechnungen sagen voraus, dass die im Experiment erreichten Bordichten und Ionenstrahl-Parameter zu einer Fusionsrate von rund 100 Milliarden pro Sekunde führen müssten, wenn alle drei Hochenergiestrahler gleichzeitig gefeuert werden“, so Magee und seine Kollegen. Ob dies tatsächlich der Fall war, überprüften sie mithilfe von Detektoren, die die bei der Verschmelzung von Protonen mit Bor entstehenden Heliumkerne nachweisen können.

Fusion von Bor und Wasserstroff nachgewiesen

Das Ergebnis: Der Alphadetektor registrierte tatsächlich einen abrupten Anstieg von Heliumkernen im Plasma des Testreaktors. „Die Teilchenzahlen deuten auf eine Fusionsrate hin, die in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Berechnungen steht“, schreiben Magee und sein Team. „Dies ist der erste Nachweis einer Wasserstoff-Bor-Kernfusion in einem Magneteinschluss-Plasma.“ Nach Ansicht der Physiker repräsentiert das Experiment damit einen wichtigen Schritt in Richtung künftiger Fusionsreaktoren mit diesem Brennstoff.

„Dieses Experiment liefert uns eine große Mengen an Daten, mit denen wir nun arbeiten können“, sagt Koautor Michl Binderbauer, CEO von TAE Technologies. „Es zeigt, dass Wasserstoff-Bor-Brennstoff einen Platz auf dem Weg zur Fusionsenergie hat.“ Zwar ist es bis zu einer Zündung eines solchen Fusionsplasmas noch ein weiter Weg, dennoch sind die Physiker zuversichtlich, dass Bor-Fusionsreaktoren eines Tages eine saubere, nicht radioaktive Energiequelle werden könnten.

Fusionsreaktor neuen Typs bis 2030

TAE arbeitet bereits an Fusionsreaktoren, die anders als Tokamaks und Stellaratoren einen linearen Aufbau haben. Bei dieser sogenannten Field-Reversed Configuration (FRC) wird das Plasma von linearen Magnetfeldlinien und einem toroidalen elektrischen Feld umschlossen, so das in dem zylindrischen Reaktor eine Art „Rauchring“ aus freischwebendem Plasma entsteht. Vorbereitende Experimente im Labormaßstab waren bereits erfolgreich, jetzt läuft die Entwicklung erster größerer Anlagen.

Das kalifornische Unternehmen plant, bis 2030 erste Prototypen dieser Reaktoren fertigzustellen, die dann bis 2040 erstmals mehr Fusionsenergie erzeugen sollen, als sie für ihren Betrieb benötigen. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-36655-1)

Quelle: Nature Communications, TAE

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