Archäologie

Stahlherstellung schon vor 2.900 Jahren?

Ritzbilder auf iberischen Steinstelen müssen mit Meißeln aus gehärtetem Stahl entstanden sein

Ritzbild
Vor 2.900 Jahren produzierten Menschen im Südwesten der Iberischen Halbinsel Ritzbilder in hartem Stein. Dafür könnten sie Werkzeuge aus Stahl verwendet haben. © Ralph Araque Gonzalez

Stahl statt Bronze? Im Süden Spaniens könnten Menschen schon vor 2.900 Jahren gehärteten Stahl hergestellt und für Werkzeuge genutzt haben. Indizien dafür liefern spätbronzezeitliche Reliefs auf Steinstelen aus besonders hartem Gestein. Wie Tests mit Werkzeugen aus verschiedenen Materialien belegen, können diese Einkerbungen nur mit einem Meißel aus gehärtetem Stahl entstanden sein. Analysen eines Eisenmeißels aus dieser Zeit zeigen zudem gehärtete Stahlanteile in diesem Werkzeug.

Als unsere Vorfahren begannen, Eisen zu verarbeiten und daraus Waffen und Werkzeuge herzustellen, begann eine neue Ära der Menschheitsgeschichte. Denn damit verfügte der Mensch nun über ein Material, das härter und robuster war als die weiche Bronze. Zudem kam Eisenerz in vielen Regionen reichlicher vor als Kupfer und Zinn. Im Nahen Osten und in Kleinasien könnten Menschen schon vor rund 3.000 Jahren Eisen verhüttet und erste Formen gehärteten Stahls entwickelt haben.

In Europa etablierte sich die systematische Herstellung von gehärtetem Stahl jedoch erheblich später: Gängiger Annahme nach verbreitete sich diese Technologie erst deutlich nach Beginn der Eisenzeit auch in Mittel- und Westeuropa.

Ofen
Mithilfe alter Techniken haben die Archäologen Werkzeuge aus Bronze, Stein, Eisen und gehärtetem Stahl hergestellt und am Stein getestet. Hier ein Ofen zur Eisenerz-Verhüttung. © Ralph Araque Gonzalez

Spätbronzezeitliche Steinreliefs unter der Lupe

Doch jetzt legt eine Studie nahe, dass es auf der Iberischen Halbinsel schon vor rund 2.900 Jahren lokale Gruppen gab, die gehärteten Stahl herstellten und für Werkzeuge nutzten. Indizien dafür haben Archäologen um Ralph Araque Gonzalez von der Universität Freiburg jetzt im Südwesten Spaniens und Portugals entdeckt. In dieser Region gibt es kaum Gräber oder Siedlungsreste aus der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit.

Dafür gibt es dort zahlreiche Steinstelen aus dieser Zeit, die mit komplexen Ritzbildern verziert sind. „Diese Steinmonumente zeigen Abbilder von Menschen und Tierfiguren, Objekte wie Waffen sowie Ornamente und Streitwagen“, berichten die Archäologen. Sie haben nun mithilfe von geologischen Analysen genauer untersucht, aus welchem Material die Steinstelen bestehen und mit welchen Werkzeugen sie bearbeitet wurden.

Bearbeitung nur mit Stahlwerkzeug möglich

Es zeigte sich: Anders als gedacht bestehen die Steinstelen nicht aus relativ weichem Quarzit, sondern aus dem deutlich härteren Silikat-Quarz-Sandstein. „Das ist ein extrem hartes Gestein, das robuste Werkzeug für die Bearbeitung erfordert“, erklären Araque Gonzalez und sein Team. Um herauszufinden, welches Material die spätbronzezeitlichen Künstler für ihre Werkzeuge nutzen, stellten sie mithilfe eines Steinmetzes, eines Schmieds und eines Bronzegießers Meißel aus Stein, Bronze und Eisen sowie gehärtetem Stahl her.

An einem Block aus Silikat-Quarz-Sandstein testete das Team anschließend, mit welchen dieser Nachbauten die Erstellung der Steinkunstwerke möglich gewesen wäre. Das überraschende Ergebnis: Die Meißel aus Stein und Bronze schafften es nicht, den Stein einzukerben. „Das ging nur durch gehärteten Stahl“, berichtet Araque Gonzalez. „Die Menschen der späten Bronzezeit in Iberien waren demnach in der Lage, den Stahl zu härten. Sonst wären sie nicht im Stande gewesen, die Stelen zu bearbeiten.“

Ein Eisenmeißel mit Stahlanteilen

Doch verfügten die Menschen auf der Iberischen Halbinsel der Spätbronzezeit wirklich schon über das Wissen und die Fertigkeiten, um Werkzeuge aus gehärtetem Stahl zu produzieren? Eine Antwort darauf lieferte der Fund eines eisernen Meißels im Süden Portugals aus der Zeit um 900 vor Christus. Metallurgische Analysen dieses spätbronzezeitlichen Werkzeuges enthüllten, dass der Meißel aus Rocha do Vigio überraschenderweise schon Stellen mit aufgekohltem gehärtetem Stahl enthielt. Demnach müssen die Hersteller dieses Meißels schon die entsprechenden Techniken für Herstellung eines zumindest teilweise gehärten Stahls besessen haben.

„Der Meißel aus Rocha do Vigio und dessen Fundkontext zeigen, dass die Eisenmetallurgie inklusive der Stahlherstellung und -härtung wahrscheinlich indigene Entwicklungen von dezentral organisierten, kleinen Gemeinschaften in Iberien waren“, erläutert Araque Gonzalez. Schon lange vor den Römern gab es demnach Gebiete, in denen Menschen diese fortschrittliche Technologie entwickelt hatten und nutzten.

„Dies hat auch Konsequenzen für die archäologische Beurteilung von Eisenmetallurgie und Quarzit-Skulpturen in anderen Weltregionen“, sagt der Archäologe. (Journal of Archaeological Science, 2023; doi: 10.1016/j.jas.2023.105742)

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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