Seit den düsteren Zeiten der Naturkundemuseen hat sich nicht nur die Art der Exponatbeschaffung geändert, sondern auch, wie diese den Besuchern präsentiert werden. Das hängt auch mit dem Imagewandel zusammen, den Museen im Laufe der Jahrhunderte durchlaufen haben. Waren die ersten Naturalienkabinette und Schatzkammern nur einer handverlesenen Elite vorbehalten, so sehen es heutige Naturkundemuseen als eine ihrer Kernaufgaben, ihr Wissen verständlich an die breite Öffentlichkeit weiterzugeben.
Museen öffnen für alle
Früher wurde die breite Masse bewusst von den fürstlichen Sammlungen ferngehalten. So war es zum Beispiel im Jahr 1721 „Lacquaien, Handwerksburschen, Jungen, Mägden“ verboten, den Ausstellungsraum der Leipziger Ratsbibliothek zu betreten. Selbst der Besuch höherrangiger Personen war vielerorts beschränkt. Im Braunschweiger Kunst- und Naturalienkabinett durften sich einst nur maximal zwanzig Gäste pro Tag umsehen.
Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts, im Zuge von Aufklärung und Revolution, öffnen die Museumspforten für alle Menschen. „Das Ziel der Museumsentwicklung ist ab nun die Wohlfahrt der Gesellschaft als Ganzes“, erklärt Museologe Gottfried Fliedl. Die Ausstellungen sollten nun didaktisch aufbereitet werden, sodass jeder Besucher unabhängig von Stand und Bildung sie verstehen konnte. Daher gab es jetzt Infotafeln, Karten, Vorträge und Führungen.
Ende des 19. Jahrhunderts formierte sich sogar langsam eine eigene Berufsgruppe, die dem Publikum das Wissen über die Exponate angemessen und verständlich vermitteln sollte: die Museumspädagogen. Sie analysieren Zielgruppen, organisieren Führungen, erarbeiten Lehrmaterial. Mittlerweile vernetzen sie sich auf speziellen Fachtagungen mit Titeln wie „Images of Nature. Welches Bild vermitteln wir in unseren Ausstellungen?“ oder „Methoden des Zeigens“ und suchen nach Ideen für neue Ausstellungskonzepte.
Die neue Ästhetik
Auch fürs Auge sollte im neu angebrochenen Zeitalter der öffentlich zugänglichen Museen etwas dabei sein. Vielerorts setzten sich aufwändige Dioramen durch, die verschiedene Landschaften und Lebenswelten abbilden sollten. Verschiedene ausgestopfte Tiere traten erstmals als biologische Gruppen auf, die miteinander agieren.
Der Wunsch nach immer lebensechteren Präparaten erschuf sogar eine völlig neue Berufsgruppe: die Dermoplastiker. Sie stopften die Tierkörper nicht mehr nur aus, sondern zogen die Haut der Tiere auf aufwändig modellierte Festkörper. Noch heute kommt diese Technik zum Einsatz, um Tiere lebensecht und naturnah darzustellen. Auch die Räumlichkeiten der Museen sollten deren Ästhetik nun unterstreichen. Eine genaue Kalkulation von Raum und Licht sorgte bei Museums-Neubauten dafür, dass die Ausstellungsstücke optimal zur Geltung kommen.
Aus eins mach zwei
Eine weitere bedeutende Revolution im Ausstellungsdesign: die Gesamtheit der Exponate wurde zweigeteilt. Das geht auf eine Idee des englischen Museumsreformers John Edward Gray zurück. Er regte im Jahr 1864 an, alle Objekte in eine abgetrennte Forschungssammlung für Wissenschaftler und in eine ausgestellte Schausammlung für das breite Publikum zu unterteilen. Gemäß dem Prinzip „Klasse statt Masse“ sollten den Besuchern fortan nur noch die aussagekräftigsten und am schönsten präparierten Objekte präsentiert werden.
In einem anderen Bereich fanden zwei getrennte Konzepte auf einmal zusammen. Seit den 1960er-Jahren zogen auch immer wieder lebende Tiere ins Naturkundemuseum ein. Diese Verbindung aus Zoo und Museum kam gut an. Heimische Reptilien und Amphibien sowie tropische Süßwasserfische entwickelten sich zu regelrechten Publikumsmagneten. Auch wechselnde Sonderausstellungen sorgten fortan dafür, das Interesse der Besucher anzuregen. Ebenso PR-Gags wie Namensänderungen oder „lange Museumsnächte“, bei denen die Museen einer Stadt bis spät in die Nacht geöffnet haben.
Naturschutz im Museum
Auch thematisch hat sich einiges in Deutschlands Museen getan. Längst zeigen sie nicht mehr nur Vergangenes, sondern werfen auch akute Gegenwartsfragen auf. So ziehen in den 1970er Jahren erstmals kritische Themen wie Naturschutz und menschliche Verfehlungen in die Naturkundemuseen ein. Den Anfang machte das Frankfurter Senckenberg Museum mit seiner Sonderausstellung „Natur in Gefahr! – Gefährdete Menschheit?“. Darin standen erstmals Probleme wie Überbevölkerung, Umweltgifte und ausgebeutete Natur im Fokus.
Heute sind Ausstellungen zu Umweltverschmutzung, Artenschutz und Biodiversität allgegenwärtig. Dabei vermitteln die Museen einerseits den Schaden, den die Menschheit anrichtet, und andererseits die schützenswerte Schönheit der Natur. Im Berliner Naturkundemuseum wird Letztere seit 2007 als „Biodiversitätswand“ gezeigt, die mit rund 3.000 Naturalien die Farben- und Formenvielfalt der belebten Natur in Szene setzt.