Sensoren als Brotkrumen: Das Märchen „Hänsel und Gretel“ ist das Vorbild für eine neue Art der robotischen Kommunikation. Ähnlich wie die Märchengestalten Brotkrumen ausstreuen, um ihren Rückweg zu finden, könnten künftige Rover und Drohnen kleine Sensoren ausstreuen, über die sie untereinander und mit der Mutterstation in Kontakt bleiben. Solche autonom installierten Netzwerke könnten die Kommunikation in Lavahöhlen auf Mond und Mars, aber auch im subglazialen Ozean des Jupitermonds Europa ermöglichen.
Anders als auf der Erde gibt es auf dem Mond oder auf anderen Planeten kein GPS und keinen Mobilfunk. Wenn autonome Rover, Gleiter oder Helikopter-Drohnen das Gebiet erkunden, sind sie daher auf direkten Funkkontakt untereinander angewiesen, um sich zu koordinieren und die gesammelten Daten zur Basisstation zu übermitteln. Schon vor einigen Jahren haben Wissenschaftler deshalb Überlegungen angestellt, wie ein von den Sonden selbst ausgebrachtes Funknetzwerk dabei helfen könnte.
Kommunikationssensoren als „Brotkrumen“
Jetzt haben Wolfgang Fink von der University of Arizona und seine Kollegen dieses Konzept weitergeführt und ausgearbeitet. Sie haben ein Kommunikationsnetzwerk entwickelt, das Drohnen und Rover miteinander vernetzt und das sich gleichzeitig flexibel an die Gegebenheiten der Landschaft anpasst. Das „Dynamically Deployed Communication Network“ (DDCN) könnte die Erkundung von Planeten, Monden und sogar subglazialen Ozeanen erleichtern.
Den Anstoß für die Technologie lieferte das Märchen „Hänsel und Gretel“ der Brüder Grimm. „Hänsel und Gretel ließen Brotkrumen fallen, um sicherzugehen, dass sie den Rückweg wiederfinden würden“, erklärt Fink. „In unserem Szenario sind die Brotkrumen miniaturisierte Sensoren, die auf den Rovern mitgenommen werden und die dann nach und nach ausgesetzt werden, wenn die Rover eine Höhle oder anderes Gelände erkunden.“
An die Umstände angepasst
Der Clou dabei: Wann und wo ein „Brotkrumen“-Sensor ausgesetzt wird, entscheiden Rover und Drohnen selbstständig. Sie prüfen dafür ständig die Verbindung zum Kommunikationsnetzwerk und wenn sie merken, dass die Signalqualität nachlässt, deponieren sie einen neuen Sensor als Signalverstärker. „Das Neue daran ist die opportunistische Deponierung“, erklärt Fink. „Die ‚Brotkrumen‘ werden dann ausgesetzt, wenn es nötig ist und nicht nach einem vorherbestimmten Plan.“
Diese Strategie ermöglicht es, die Dichte des Kommunikationsnetzwerks flexibel an die Landschaft und Umstände anzupassen: Ist das Gelände sehr unwegsam oder die erkundeten Lavahöhlen durch viele Biegungen und Seitengänge geprägt, werden mehr Signal-Repeater deponiert als auf ebener Fläche. Weil jeder Rover oder jede Drohne selbst ermittelt, wann ein neuer Sensor nötig ist, entsteht das Kommunikationsnetzwerk autonom und ohne Input der Zentrale.
„Einmal ausgesetzt, etablieren die Sensoren automatisch ein nichtdirektionales Netzwerk, in dem jeder Knoten selbstständig Kontakt mit jedem Knoten um ihn herum hält“, erklärt Fink. Durch eine enge und mehrfache Vernetzung ist die Kommunikation zudem flexibel und anpassungsfähig: „Dadurch können die Sensoren tote Stellen und Signal-Blackouts kompensieren und automatisch auf einen anderen Verbindungsknoten umschalten“, so das Team.
Einsatz in Höhlen, Seen oder subglazialen Ozeanen
Nach Ansicht der Forschenden könnte ein solches Kommunikationsnetzwerk beispielsweise eingesetzt werden, um die Kartierungsdrohnen von Lavahöhlen auf Mond und Mars durch Rover und Drohnen zu ermöglichen. „Lavahöhlen wären perfekte Habitate für Astronauten, weil man nicht extra eine Struktur bauen muss und weil man in ihnen vor schädlicher kosmischer Strahlung geschützt wäre“, sagt Fink. Doch wenn Drohnen wie die kürzlich entwickelte „PULSAR“-Drohne solche Höhlen kartieren, müssen ihre Daten auch an die Oberfläche gelangen – hier könnte das DDCN zum Einsatz kommen.
Nützlich könnte das Sensornetzwerk aber auch hilfreich bei der Koordinierung und Datenübertragung autonomer Unterwasserdrohnen sein, die beispielsweise den subglazialen Ozean des Jupitermonds Europa oder die Kohlenwasserstoffseen des Saturnmonds Titan erkunden. „Stellen sie sich vor, die unternehmen die Reise zu Europa, schmelzen sich kilometerweit durch die Eiskruste und finden dann dort außerirdisches Leben – aber Sie können die Daten nicht zurück an die Oberfläche übermitteln – dies gilt es zu vermeiden“, so Fink.
Dirk Schulze-Makuch von der Deutschen Astrobiologischen Gesellschaft kommentiert: „Das neu entwickelte Kommunikationsnetzwerk hat das Potenzial, eine ganz neue Ära der planetarischen und astrobiologischen Entdeckungen einzuläuten.“ Denn mit ihm werde die Suche nach extraterrestrischem Leben auch an bisher schwer zugänglichen Orten möglich. Fink und sein Team arbeiten nun an ersten Prototypen ihres Sensornetzwerks. (Advances in Space Research, 2023; doi: 10.1016/j.asr.2023.02.012)
Quelle: University of Arizona