Gestörte Leitungen: Forschende haben erstmals herausgefunden, wie sich zu hoher Blutdruck auf unser Gehirn auswirkt – und welche Hirnareale davon betroffen sind. Demnach schadet der Bluthochdruck vor allem neun Hirnregionen, darunter auch einige Haupt-Kabelstränge zwischen verschiedenen Hirnteilen. Die betroffenen Strukturen sind für Lernen, Planen, exekutive Funktionen und Entscheidungen wichtig. Dies erklärt, warum Bluthochdruck kognitive Ausfälle und Demenz fördern kann.
Millionen Menschen weltweit haben einen zu hohen Blutdruck – oft ohne es zu wissen. Doch das hat Folgen: Liegt der Blutdruck dauerhaft über 140/90 Millimeter Quecksilber (mmHg), kann dies Gefäßen, Herz und anderen Organen schaden und Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenschäden begünstigen. Auch das Gehirn ist betroffen: Studien zeigen, dass Bluthochdruck das Risiko für geistigen Abbau und Demenzen erhöht.
Doch wie genau der Bluthochdruck dem Gehirn schadet und welche Areale besonders betroffen sind, war bisher unklar. „Es ist sehr schwierig, die genauen Ursachen und Mechanismen hinter dem Zusammenhang von Bluthochdruck und geistigem Abbau zu ermitteln“, erklären Mateusz Siedlinski von der Jagiellonen-Universität Krakau und seine Kollegen. Um diese Frage zu klären, haben sie eine Kombination mehrerer bildgebender, genetischer und statistischer Methoden eingesetzt.
Spurensuche in drei Schritten
Für ihre Stude werteten die Forschenden zunächst Genomdaten von rund 33.000 Teilnehmenden der UK Biobank-Studie aus. Mithilfe einer Genomweiten Assoziationsstudie suchten sie im Erbgut nach Genvarianten, die Bluthochdruck fördern. Im nächsten Schritt analysierten sie Magnetresonanz-Tomografien (MRT) vom Gehirn der Testpersonen, um zu erfahren, ob, wo und in welcher Weise sich im Gehirn von Bluthochdruckpatienten Veränderungen zeigen.
Im letzten Schritt nutzten sie die sogenannte Mendelsche Randomisierung, um Hirnscans und genetische Befunde miteinander zu verknüpfen. „Mit der Mendelschen Randomisierung kann man die kausale Verknüpfung zweier Merkmale ermitteln“, erklärt Seniorautor Tomasz Guzik von der Jagiellonen-Universität. Im konkreten Fall klärt der Abgleich von Risikogenen für Bluthochdruck mit den bei Bluthochdruckpatienten beobachteten Hirnveränderungen, ob diese wirklich auf den Blutdruck zurückgehen.
Neun Hirnareale sind besonders betroffen
Das Ergebnis: „Unsere Studie hat zum ersten Mal spezifische Stellen in unserem Gehirn identifiziert, die ursächlich durch Bluthochdruck geschädigt werden und die eng mit unseren geistigen Leistungen verknüpft sind“, sagt Siedlinski. Demnach zeigen neun Hirnareale bei Bluthochdruckpatienten eine auffallend veränderte Struktur und ein verringertes Volumen. Eines dieser Areale ist das Putamen, eine an der Basis jeder der beiden Hirnhälften liegende Region. „Das Putamen ist Teil der Basalganglien und essenziell für die Reizreaktion, das Lernen und das Planen“, erklärt das Team.
Ebenfalls betroffen sind mehrere Teile des zentralen Leitungssystems unseres Gehirns – der Nervenfaserbündel, die die weiße Hirnsubstanz bilden. Einige der geschädigten Leitungsstränge sind dafür zuständig, die im Thalamus verarbeiteten Sinneseindrücke an die Zentren der höheren Hirnfunktionen im Cortex weiterzuleiten. Andere sind wichtig für die korrekte Funktion der Hirnareale, mit denen wir Entscheidungen fällen, unser Handeln planen oder Emotionen und Impulse kontrollieren.
„Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungen durch den Bluthochdruck auch auf diese spezifischen Teile der weißen Hirnsubstanz zurückgehen“, berichten Siedlinski und seine Kollegen.
Basis für bessere Früherkennung und Therapien
Nach Ansicht des Forschungsteams tragen ihre Erkenntnisse nun dazu bei, die Wirkung des Bluthochdrucks auf das Gehirn besser zu verstehen. „Indem wir die Gene und Proteine in den betroffenen Hirnarealen näher analysieren, können wir nun herausfinden, wie der Bluthochdruck dort wirkt und warum dies die kognitiven Ausfälle verursacht“, sagt Guzik. Dies könnte dabei helfen, wirksamere Therapien gegen den geistigen Abbau bei Bluthochdruckpatienten zu entwickeln.
Gleichzeitig könnte das Wissen um die neun besonders gefährdeten Hirnareale auch zur Früherkennung beitragen. „Indem wir diese spezifischen Hirnareale gezielt anschauen, könnten wir frühzeitiger erkennen, welche Menschen bei Bluthochdruck durch kognitive Ausfälle gefährdet sind“, erklärt Guzik. (European Heart Journal, 2023; doi: 10.1093/eurheartj/ehad101)
Quelle: European Society of Cardiology