Paläontologie

Keine gefletschten Zähne bei Tyrannosaurus und Co

Raubdinosaurier besaßen Mäuler mit Lippen – anders als heutige Krokodile

Tyrannosaurus
Ungewohnter Anblick: Die Zähne des Tyrannosaurus sind in dieser neuen Rekonstruktion nicht zu sehen, weil sie von Lippen verdeckt sind. © Mark Witton

Jurassic Park irrte: Tyrannosaurus rex, Velociraptor und andere Raubdinosaurier hatten keine weithin sichtbaren Zähne – ihr Maul war von Lippen verschlossen, wie Fossilanalysen nahelegen. Anders als heutige Krokodile besaßen die Raubsaurier demnach ledrige Lippen, die ihre Zahnreihen bei geschlossenem Maul verdeckten. Sie ähnelten darin eher den heutigen Waranen oder Schlangen, berichten die Paläontologen in „Science“. Die in vielen Filmen und Bildern dargestellten Rekonstruktionen von T. rex und Co sind daher falsch.

Tyrannosaurus rex und andere Raubdinosaurier der Kreidezeit waren die Top-Prädatoren ihrer Zeit. Schnelligkeit, Kraft und ein zahnstarrendes Gebiss machte sie zu gefährlichen Gegnern selbst für große Beute. Fossilfunde verraten, dass die Zähne von T. rex und Co sehr scharf waren und zum Teil sogar dicke Knochen knacken konnten. Kein Wunder daher, dass diese Raubsaurier in Filmen, Bildern und Rekonstruktionen meist mit einem lippenlosen, zahnstarrenden Maul dargestellt werden – ähnlich wie die heutigen Krokodile.

Dino-Rekonstruktion
So werden Raubdinosaurier üblicherweise dargestellt: lippenlos und mit unverdeckten Zahnreihen. © Releon8211/ Getty images

Wie beim Krokodil oder wie beim Waran?

Für diese Darstellung gibt es gute Gründe: Unter den heutigen Reptilien sind die Krokodile die engsten noch lebenden Verwandten der Dinosaurier – Vögel sind zwar ihre direkten Nachfahren, gehören aber nicht zu den Reptilien. Wenn man Krokodilen ins Maul schaut, fällt auf, dass diese Reptilien zwar ein Zahnfleisch haben, nicht aber Lippen. Ihre großen Zähne sind daher nach außen ungeschützt und selbst bei geschlossenem Maul sichtbar.

Anders ist dies bei den Schuppenechsen (Lepidauria), zu denen Schlangen, Warane, Leguane, Geckos, Chamäleons und andere typische Echsen gehören. Sie besitzen ledrige, schuppenbesetzte Lippen, die ihre Zähne bedecken. „Geht man allein von den Verwandtschaftsverhältnissen aus, stützen sie die Annahme, dass die Raubdinosaurier ein ähnliches Maul besaßen wie die heutigen Krokodile“, erklären Thomas Cullen von der Auburn University in Alabama und seine Kollegen. Selbst in wissenschaftlichen Rekonstruktionen werden T. rex und Co deshalb oft lippenlos dargestellt – vor allem seit den 1980er Jahren.

Verräterische Abnutzungsspuren

Doch dies ist ein Irrtum, wie nun neue Fossilanalysen von Cullen und seinem Team belegen. Für ihre Studie haben sie die Größe, Form und Abnutzungsspuren von fossilen Zähnen mehrerer Raubdinosaurier-Arten mit denen der lippenlosen Krokodile und der lippenbesitzenden Warane verglichen. Außerdem führten sie allometrische Vergleiche durch, um herauszufinden, ob die Zähne von Tyrannosaurus und Co zu groß waren, um von Lippen bedeckt zu werden.

Es zeigte sich: Bei Krokodilen entwickelt der Zahnschmelz an der Außenseite der Zähne im Laufe der Zeit deutliche Alterungsspuren. Weil ihre Zähne nicht durch Lippen geschützt sind, trocknet der Zahnschmelz aus und wird leichter abgetragen. „Jeder Zahnarzt wird Ihnen sagen, dass Speichel für die Gesundheit der Zähne wichtig ist“, sagt Koautorin Kirstin Brink von der University of Manitoba. „Zähne, die nicht von Lippen bedeckt sind, trocknen schneller aus und sind anfälliger für Schäden.“

Indizien für Lippen bei T. rex und Co

Bei den Raubdinosauriern war dies aber offenbar nicht der Fall: Bei den fossilen Zähnen von Tyrannosaurus rex und dem tyrannosauriden Raubsaurier Daspletosaurus waren die Außenseiten der Zähne kaum abgenutzt oder erodiert. „Das spricht dafür, dass die Zähne der Theropoden unter feuchten Bedingungen existierten, wie sie für Lippenträger typisch sind“, schreiben die Paläontologen.

Txrannosaurus-REkonstruktion
Fossiler Schädel und Rekonstruktionen des Tyrannosaurus rex – einmal ohne, einmal mit Lippen.. © Mark Witton

Weitere Indizien dafür liefern einige Merkmale der Kieferknochen bei den Raubsauriern: In ihnen wurden schon in früheren Studien auffällig viele kleine Öffnungen entdeckt, durch die einst Nerven und Blutgefäße verliefen. Ein Vergleich mit den Kiefern der heutigen lippentragenden Reptilien legt nahe, dass ein Teil dieser Löcher zur Versorgung der Lippen mit Blut und Nerven diente. „Die Resultate unserer Studie liefern damit starke Indizien für eine lippenbesitzende Anatomie der Theropoden“, so die Forschenden.

Tyrannosaurier-Zähne waren nicht zu groß zum Bedecken

Und noch etwas kommt hinzu: Einigen früheren Annahmen nach waren die Zähne von Tyrannosaurus und Co zu groß, um selbst bei Mäulern mit Lippen vollständig bedeckt zu werden. Doch auch dies widerlegen Cullen und sein Team. Dafür verglichen sie das Verhältnis von Schädelgröße und Zahngröße verschiedener Raubsaurier-Formen mit denen der heutigen Warane – der Gruppe von räuberischen Echsen, die in Größe und Lebensweise den Raubsauriern am nächsten kommen und die geschlossenen Mäuler mit Lippen besitzen.

Das Ergebnis: „Die Zähne der Raubdinosaurier waren nicht atypisch groß. Selbst die riesigen Zähne der Tyrannosaurier waren in Relation zur Schädelgröße denen der heute noch lebenden Raubechsen sehr ähnlich“, sagt Cullen“. Der Papuawaran (Varanus salvadorii) hat den Analysen zufolge sogar ein extremeres Zahnlängen-Schädel-Verhältnis als der T. rex. Trotzdem sind die Zähne bei diesem Waran vollständig von den Lippen bedeckt. „Das widerlegt die Idee, dass die Zähne der Theropoden zu groß waren, um von Lippen bedeckt zu werden“, sagt Cullen.

Jurassic Park und Co liegen falsch

Demnach hatten Tyrannosaurus und anderer Raubsaurier kein dauerhaft zähnefletschendes Maul, sondern gut durch Lippen geschützte Zähne. Mit geschlossener Schnauze waren ihre Zähne daher wahrscheinlich nicht sichtbar – anders als gerne dargestellt. „Viele unserer beliebtesten und bekanntesten Dinosaurier-Darstellungen sind demnach nicht korrekt – darunter auch der ikonische T. rex aus Jurassic Park“, sagt Koautor Mark Witton von der University of Portsmouth.

Anders als heutige Säugetiere konnten die Raubsaurier ihre Lippen wahrscheinlich nicht einmal zurückziehen und absichtlich die Zähne fletschen. Denn den Reptilen fehlen die Muskeln, um die Lippen willkürlich zu bewegen. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abo7877)

Quelle: Science, University of Portsmouth

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