Solare Brennstofffabrik: Chemiker haben ein neuartiges Nanomaterial entwickelt, das mithilfe des Sonnenlichts Synthesegas aus Kohlendioxid und Wasser erzeugen kann – in einem Schritt. Möglich wird dies durch zwei Katalysatoren, die in eine lichtabsorbierende metallorganischen Gerüstverbindung eingeklinkt sind. Diese Kombination ermöglicht die gleichzeitige Produktion von Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Das System erreicht einen Wirkungsgrad von 36 Prozent und ist effizienter als bisherige Katalysatoren für solche Solar-to-X-Reaktionen.
Synthesegas, ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, ist ein wichtiges Zwischenprodukt für chemische Grundstoffe wie Ammoniak und Methanol, aber auch für die Produktion synthetischer Kraftstoffe in Form von E-Fuels. Bisher wurde das Syngas primär mithilfe fossiler Brennstoffe hergestellt. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler jedoch verschiedenste Technologien entwickelt, um Syngas mithilfe von Sonnenlicht aus Wasser und CO2 zu produzieren. Die Spanne reicht von schwimmenden Blättern bis zur dreischrittigen Solarraffinerie.
Nanofabrik spaltet gleichzeitig Wasser und CO2
Einen neuen Ansatz für ein Solar-to-Gas-Verfahren haben nun Philip Stanley von der Technischen Universität München (TUM) und seine Kollegen entwickelt. Inspirieren ließen sie sich dabei von der Photosynthese: Das von den Forschenden entwickelte Nanomaterial ahmt die Eigenschaften der an der Photosynthese beteiligen Enzyme nach. Das auf raffinierte Weise zusammengesetzte „Nanozym“ soll aus Kohlendioxid, Wasser und Licht in einem Schritt Synthesegas produzieren.
Möglich wird dies durch eine raffinierte Kombination zweier Katalysatoren mit einer metallorganischen Gerüstverbindung (MOF) – einem organischem Kohlenwasserstoff-Gerüst, in das Metallionen über Komplexbindungen eingeklinkt sind. Das von den Chemikern genutzte MOF ist ein poröses, wabenähnlich aufgebautes Material, das sichtbares Licht absorbieren und als Energielieferant für chemische Reaktionen nutzen kann.
Eine Lichtantenne, zwei Katalysatoren
Das metallorganische Gerüst hat in diesem neuen System eine ähnliche Funktion wie die biochemischen Lichtfänger im Photosynthesesystem der Pflanzen. „Das MOF-Molekül übernimmt die Aufgabe einer Energie-Antenne analog zu einem Chlorophyll-Molekül der Pflanzen“, erklärt Stanley. „Dabei wird Licht aufgenommen und Elektronen zu einem Reaktionszentrum, dem Katalysator, weitergeleitet.“ Mit bloßem Auge betrachtet ist diese metallorganische Gerüstverbindung ein gelbliches Pulver.
Der eigentliche Clou am neuen Nanoreaktor ist jedoch die gleich doppelte Ausstattung mit Katalysatoren: In das metallorganische Gerüst lassen sich zwei verschiedene chemische Reaktionszentren einklinken. Das erste wandelt Kohlendioxid mithilfe der vom Gerüst bereitgestellten Energie zu Kohlenmonoxid um. Der zweite Katalysator kann Wasser zu molekularem Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten.
Das gesamte System bildet damit eine Art Nanofabrik, die gleichzeitig Wasserstoff und Kohlenmonoxid produziert – und damit Syngas. „Dies ist der erste bimolekulare MOF-basierte Katalysator für solare Fuels“, erklären die Forschenden.
Hoher Wirkungsgrad bei der Umsetzung
Die große Herausforderung bei der Konstruktion war, dass in dem System die Antenne, der Weiterleitungsmechanismus für die Elektronen und die beiden Katalysatoren so angeordnet sind, dass eine möglichst hohe Lichtausbeute erzielt wird. Dies ist gelungen. „Unsere Energieausbeute aus dem Licht ist mit 36 Prozent spektakulär hoch“, sagt Stanley. „Wir können bis zu jedes dritte Photon in chemische Energie umsetzen. Bisherige Systeme lagen hier höchstens im Bereich von jedem zehnten Teilchen.“
Wie die ersten Tests ergaben, produziert das Kombi-System bei Lichtbestrahlung hohe Umsetzungsraten (Turnover rates, TON) für Kohlenmonoxid und Wasserstoff: „Das supramolekulare Nanozym übertrifft vergleichbare State-of-the-Art-Systeme mit Umsetzungsraten von TON 5.900 für photokatalytische CO2-Spaltung und TON 1050 für die Wasserstoffproduktion“, berichten die Chemiker.
Gasanteile im Syngas flexibel veränderbar
Günstig auch: Das Verhältnis von Wasserstoff und Kohlenmonoxid in resultierenden Syngas lässt sich flexibel einstellen. Dafür müssen nur der Anteil der beiden Katalysatoren im MOF-Gerüst und die Zufuhr des Protonlieferanten – beispielsweise Wasser – angepasst werden, wie das Team erklärt. Auf diese Weise kann die Nanofabrik in einem Schritt Synthesegas im Verhältnis 1:2 oder 2:1 herstellen, wie es für die gängige E-Fuel- oder Methanolsynthese benötigt wird.
„Dieses Ergebnis lässt hoffen, dass eine technische Umsetzung industrielle chemische Prozesse nachhaltiger machen könnte“, sagt Stanley. (Advanced Materials, 2023; doi: 10.1002/adma.202207380)
Quelle: Technische Universität München