Mysteriöses Leuchten: Der Saturn strahlt mehr ultraviolette Strahlung aus, als er dürfte, wie neue Messungen mit dem Hubble Teleskop enthüllen. Diese UV-Strahlung deutet auf einen erheblichen Überschuss an angeregtem Wasserstoff und Hitze in der oberen Atmosphäre des Planeten hin. Astronomen vermuten, dass eine Ursache dafür im Einstrom von Eispartikeln aus den Saturnringen liegt. Allerdings kann auch dieser „Ringregen“ nicht vollständig erklären, woher Wasserstoff und Energie kommen.
Der Saturn ist für seine Ringe berühmt. Kein Planet im Sonnensystem besitzt ein so komplexes Ringsystem wie er. Doch obwohl die Ringe schon seit rund 400 Jahren bekannt sind, geben sie bis heute Rätsel auf. Ihr Ursprung, ihre Feinstruktur und ihr Einfluss auf ihren Planeten sind bisher erst in Teilen geklärt. So haben Astronomen erst vor wenigen Jahren herausgefunden, dass die Ringe ständig eine wahre Flut an Eispartikeln und organischem Staub auf den Saturn herabregnen.
Anomalie schon bei den Voyager-Sonden
Jetzt enthüllen neue Analysen, welche Folgen dies für die Atmosphäre des Saturn hat. Den Anstoß für die neue Studie lieferten Messdaten, die schon die Voyager-Sonden in den 1980er Jahren bei ihrem vorbeiflog am Saturn zur Erde schickten: Ihre Instrumente detektierten einen Überschuss an UV-Abstrahlung im sogenannten Lyman-Alpha-Bereich – den Wellenlängen, in denen sich die Spektrallinien von angeregtem Wasserstoff zeigen.
Doch wegen der geringen Auflösung der Voyager-Spektrometer und undeutlichen Signaturen hielten Astronomen dies für bloße Störeffekte und beachteten es nicht weiter. Ähnlich erging es den Messwerten eines damals in der Erdumlaufbahn kreisenden UV-Satelliten. Stutzig wurden Planetenforscher erst, als auch die ab 2004 im Saturnsystem kreisende NASA-Raumsonde Cassini auffallende UV-Überschüsse beim Ringplaneten detektierte.
Daten von Hubble und Cassini enthüllen UV-Überschuss
Doch erst im Jahr 2017 nutzten Astronomen die Chance, dieser merkwürdigen Strahlung auf den Grund zu gehen: Sie maßen die Lyman-Alpha-Strahlung des Saturn erstmals gleichzeitig mit den Instrumenten der Cassini-Sonde und mit dem hochauflösenden Echelle-Spektrometer des Hubble-Weltraumteleskops. Lotfi Ben-Jaffel von der Sorbonne Universität und seine Kollegen haben nun diese Daten genutzt, um alle bisherigen UV-Beobachtungen zu überprüfen, zu kalibrieren und näher zu analysieren.
„Als alles kalibriert war, sahen wir sehr deutlich, dass die Spektren aller Missionen übereinstimmten“, berichtet Ben-Jaffel. In allen Datensätzen war zu erkennen, dass der Saturn in einem breiten Gürtel nördlich des Äquators deutlich mehr UV-Strahlung abgibt als erwartet. „Im Bereich zwischen fünf und 35 Grad Nord gibt es einen Strahlungsüberschuss von rund 30 Prozent“, berichten die Forscher. „Dieser ‚Bauch‘ ist um mindestens zwölf Standardabweichungen heller als der Äquator und das Gebiet jenseits des 60. nördlichen Breitengrads.“
Der Vergleich aller Daten zeigte, dass dieser helle UV-Gürtel des Saturn schon vor fast 40 Jahren existierte. Er war bereits für die unklaren UV-Überschüsse der Voyager-Messdaten verantwortlich, blieb aber unerkannt.
Dreimal mehr Wasserstoff als erwartet
Was aber ist die Ursache? „Interessanterweise können Modelle auf Basis der Referenzatmosphäre diese UV-Helligkeit oder die Linienprofile der verschiedenen Breiten nicht reproduzieren“, berichten Ben-Jaffel und sein Team. Demnach gibt es in der oberen Atmosphäre des Saturn mehr angeregten Wasserstoff – den Urheber der Lyman-Alpha-Strahlung – als es gängige Modelle vorsehen. Nähere Analysen ergaben, dass die Saturn-Gashülle in den UV-hellen Zonen rund dreimal mehr angeregten atomaren Wasserstoff enthalten muss als bisher angenommen.
„Die Herausforderung besteht nun darin, die potenziellen Quellen dieses angeregten atomaren Wasserstoffs zu finden“, konstatieren die Astronomen. Weil der UV-Überschuss unabhängig von der geografischen Länge und von der Sonnenaktivität ist, fallen Polarlicht-ähnliche Prozesse als Erklärung weg. Eine weitere Möglichkeit wäre die 2011 entdeckte „Brücke“ zwischen dem Saturnmond Enceladus und seinem Planeten. Über diese von Magnetfeldlinien gebildete Verbindung rasen Elektronen und auch Eispartikel von Mond zur Gashülle des Saturn.
„Freispruch“ für Enceladus
Doch wie Ben-Jaffel und sein Team feststellten, ist der Teilchenregen vom Enceladus nicht die Ursache für den Wasserstoff-Überschuss. „Obwohl der Einstrom von Enceladus‘ Wasser in der Größenordnung von einer Million Wassermolekülen pro Quadratzentimeter und Sekunde liegt, hat er einen vernachlässigbaren Einfluss auf den Wasserstoffgehalt und die Lyman-Alpha-Helligkeit des Saturn“, berichten sie.
Woher kommt der Wasserstoff dann? Könnte der Einstrom von Eis und Staub aus den Ringen verantwortlich sein? Eine mögliche Antwort lieferten die Daten, die die Cassini-Sonde auf ihren letzten, engen Umkreisungen des Saturn sammelte. Dabei flog sie zwischen dem Saturn und seinen Ringen hindurch und konnte so messen, wie viel Material von den Ringen auf den Planeten hinabregnet. Demnach strömen in jeder Sekunde 370 Millionen Wassermoleküle pro Quadratzentimeter auf den Saturn ein und rund 1,7 Milliarden Methanmoleküle.
Ringregen erklärt nur einen Teil des Überschusses
Und tatsächlich: Modellrechnungen ergaben, dass der „Ringregen“ den atmosphärischen Wasserstoffgehalt des Saturn immerhin um das 1,75-Fache erhöhen kann. „Aus den Cassini-Daten kannten wir zwar schon den Ringregen, aber dass er sich auch auf den Gehalt an atomarem Wasserstoff in der Saturnatmosphäre auswirkt, ist neu“, sagt Ben-Jaffel. Die in die obere Atmosphäre prasselnden Wassermoleküle setzen offenbar durch Kollisionen mit Gasteilchen und chemische Reaktionen Wasserstoff frei und heizen gleichzeitig die Gashülle auf.
Allerdings kann dies nicht den gesamten UV-Überschuss erklären: Denn der helle Gürtel zwischen dem 5. und 35. Breitengrad des Saturn enthält dreimal so viel Wasserstoff wie in den Referenzmodellen angegeben. Der Ringregen liefert aber nur wenig mehr als die Hälfte davon. „Für diese Breitenzone benötigen wir demnach noch eine weitere Quelle zusätzlichen Wasserstoffs. Worin diese besteht, darüber können die Astronomen bisher aber nur spekulieren.
„Wir haben gerade erst damit begonnen, den Einfluss der Ringe auf die obere Atmosphäre eines Planeten zu charakterisieren“, sagt Ben-Jaffel. (The Planetary Science Journal, 2023; doi: 10.3847/PSJ/acaf78)
Quelle: Space Telescope Science Institute