Astronomie

Rasendes Schwarzes Loch mit Sternenschweif

Supermassereiches Schwarzes Loch wurde mit Überschall-Tempo aus einer Galaxie katapultiert

Schwarzes Loch mit Sternenschweif
Ein massereiches Schwarzes Loch wurde aus seiner Galaxie ausgeschleudert und zieht bei seinem Überschallflug durch das All einen Schweif aus Gas und Sternen hinter sich her (Illustration). © NASA/ESA, Leah Hustak (STScI)

Rasender Gigant: Astronomen haben ein massereiches Schwarzes Loch entdeckt, das mit Überschalltempo durch das All rast – und dabei einen 200.000 Lichtjahre langen Sternenschweif hinter sich herzieht. Der 20 Millionen Sonnenmassen schwere Gigant wurde von einer nahen Galaxie ausgeschleudert – vermutlich während einer Galaxienverschmelzung. Es ist das erste Mal, dass Astronomen ein solches ausgeschleudertes Schwarzes Loch direkt beobachten und nachweisen konnten.

Wenn Galaxien kollidieren, kommt es meist zur Verschmelzung ihrer zentralen Schwarzen Löcher. Doch es gibt Fälle, in denen dabei etwas schief geht: Die enormen Turbulenzen und freigesetzten Gravitationswellen schleudern dann eines der beiden supermassereichen Schwarzen Löcher aus seiner Bahn und katapultieren es aus der Galaxie heraus. Erste Hinweise darauf haben Astronomen bereits in Form massereicher Schwarzer Löcher entdeckt, die seitlich versetzt in ihrer Galaxie liegen.

Hubble-Aufnahme
Diese Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt den hellen Sternenschweif. © NASA/ ESA, Pieter van Dokkum (Yale), Joseph DePasquale (STScI)

Entdeckung durch Zufall

Jetzt haben Astronomen um Pieter van Dokkum von der Yale University einen noch extremeren Fall entdeckt: ein massereiches Schwarzes Loch, das komplett aus seiner Galaxie hinausgeschleudert wurde. Erkennbar wurde dies, weil der ausgestoßene Gigant einen langen Schweif aus Gas und Sternen hinter sich her zog, der bis zu seiner alten Heimatgalaxie reichte. „Es war purer Zufall, dass wir darüber gestolpert sind“, berichtet van Dokkum.

Eigentlich hatten die Astronomen in Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops nach Kugelsternhaufen in der nahen Zwerggalaxie RCP28 gesucht. „Als ich eine der Hubble-Aufnahmen anschaute, bemerkte ich einen kleinen hellen Streifen. Er sah anders aus als alles, was wir bisher kannten“, so van Dokkum. Es zeigte sich, dass dieser rund 200.000 Lichtjahre lange Streifen aus jungen Sternen und Gas bestand und von einer rund 7,6 Milliarden Lichtjahre von uns entfernten Galaxie auszugehen schien.

Rasender Lichtfleck mit langem Schweif

Doch was hatte diesen Sternenschweif verursacht? „Nachdem wir einem solchen Phänomen zuvor weder in astronomischen Aufnahmen noch in der Literatur begegnet waren, entschieden wir uns, Beobachtungszeit am Keck-Observatorium anzumelden“, berichten die Astronomen. Mithilfe eines Spektrometers und des hochauflösenden Echelle-Spektrografen der Keck-Teleskope konnten sie weitere Details des rätselhaften Sternenstreifens ausmachen.

Die Analysen enthüllten einen hellen, von ionisiertem Sauerstoff geprägten Fleck an der Spitze des Sternenschweifs, der sich mit gut 1.600 Kilometer pro Sekunde von der Galaxie wegbewegt – dies entspricht rund 576.000 Kilometer pro Stunde. Hinter der mit Überschall-Tempo durch das All rasenden Spitze folgen etwas langsamer erst sehr junge, dann etwas ältere Sterne.

Ausgeschleuderter Schwerkraftgigant

Den Astronomen zufolge verbirgt sich in der hellen Spitze dieses Sternenschweifs ein massereiches Schwarzes Loch von rund 20 Millionen Sonnenmassen. Dieses muss vor rund 39 Millionen Jahren aus der am Ende des Schweifs liegenden Galaxie ausgeschleudert worden sein. Van Dokkum und seine Kollegen vermuten, dass dies als Folge einer zweifachen Verschmelzung passiert ist: Bei der ersten vor rund 50 Millionen Jahren bilden die beiden zentralen Schwarzen Löcher ein enges, sich umkreisendes Paar.

Dann kam es zu einer weiteren Galaxienkollision, durch die ein drittes massereiches Schwarzes Loch dazu kam. Nach dem alten Sinnspruch: „Drei sind einer zu viel“ führte dies zu Schwerkraftturbulenzen, durch die eines der drei Schwarzen Löcher aus der Galaxie hinauskatapultiert wurde. Seine Schwerkraft riss eine große Menge Gas mit ins All hinaus. „Hinter ihm sehen wir dadurch eine Art Kielwasser aus Gas, das langsam abkühlt und in dem sich dann Sterne bilden „, erklärt van Dokkum.

Noch nie zuvor beobachtet

„Etwas Vergleichbares wurde zuvor noch nirgendwo im Universum beobachtet“, sagt der Astronom. „Zwar wurde schon seit 50 Jahren vorhergesagt, dass supermassereiche Schwarze Löcher manchmal aus ihren Galaxien geschleudert werden können. Aber erst jetzt könnten wir hiermit den ersten direkten Beleg dafür gefunden haben.“ Allerdings konnten die Astronomen das Schwarze Loch an der Spitze des Sternenschweifs bisher nicht direkt nachweisen.

Der helle Fleck an der Spitze des Sternenschweifs könnte entweder von der Aktivität des Schwarzen Lochs selbst stammen – beispielsweise, weil es aktiv Materie verschlingt – oder auch von einer Art Bugwelle aus geschocktem intergalaktischem Gas, das mit dem Schwarzen Loch kollidiert und aufgeheizt wird.

Was passierte mit den anderen Schwarzen Löchern?

Das Forschungsteam hofft, dass weitere Beobachtungen auch in anderen Wellenlängen und mit höherer Auflösung mehr Klarheit schaffen. „Röntgen-Aufnahmen könnten die Physik der geschockten Bugwelle klären oder sogar die Akkretionsscheibe des supermassereichen Schwarzen Lochs zeigen“, so die Astronomen. Auch Aufnahmen mit dem James-Webb-Teleskop und im UV-Bereich könnten mehr Aufschluss bringen.

Zudem könnten die zusätzlichen Beobachtungen klären, ob die beiden restlichen Schwarzen Löcher in der Galaxie geblieben sind oder ob auch sie ausgeschleudert wurden. Denn auf der gegenüberliegenden Seite der Galaxie gibt es einen schwächeren, deutlich kürzeren „Schweif“, dessen Natur noch unklar ist. Theoretisch wäre denkbar, dass das verbliebene Loch-Paar durch den Rückstoß ebenfalls aus der Galaxie katapultiert wurde. (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.3847/2041-8213/acba86)

Quelle: Space Telescope Science Institute, W. M. Keck Observatory

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