Psychologie

Wie sich unser Arbeitsstress verrät

Tippverhalten und Mausbewegungen geben Aufschluss über die Stressbelastung

Computerarbeit
Arbeitsstress verrät sich an unseren Mausbewegungen und am Tippverhalten. © Wavebreakmedia/ Getty images

Subtile Anzeichen: Wie hoch unsere Stressbelastung am Arbeitsplatz ist, lässt sich an unseren Bewegungen beim Arbeiten erkennen. Unser Tippverhalten und die Art, wie wir die Maus bewegen, verraten dabei, ob wir unter Stress stehen oder nicht. Diese subtilen Zeichen sind dabei sogar treffsicherer als die typischerweise für die Stressmessung genutzte Herzrate, wie ein Forschungsteam ermittelt hat. Sie haben bereits ein Programm entwickelt, das künftig diese Stresswarnzeichen in Form einer App erkennen könnte.

Überarbeitung, Zeitmangel, Konflikte: Immer mehr Menschen leiden unter chronischem Stress, vor allem am Arbeitsplatz. Doch eine solche dauerhafte Stressbelastung kann seelisch und körperlich krankmachen. Die Folgen reichen von Schlafstörungen, Depressionen und Burnout bis zu Immunschwäche, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs. Das Problem jedoch: Viele Betroffene merken die Folgen der ständigen Stressbelastung erst, wenn es zu spät ist.

Bürostress für die Wissenschaft

Eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Methode kann jedoch die Stressbelastung am Arbeitsplatz verraten: Die Art, wie wir unsere Computermaus bewegen und Tippen. Entdeckt haben dies Forschende um Mara Nägelin von der ETH Zürich, als sie das Maus- und Tastaturverhalten und die Herzfrequenz von 90 Testpersonen aufzeichneten, während diese in einer simulierten Büroumgebung in einer vorgegebenen Zeit Aufgaben wie Termine planen oder Daten erfassen und analysieren abarbeiten sollten.

Während ein Teil der Testpersonen ungestört arbeiten konnte, wurden andere verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt: Sie mussten sich zusätzlich einem Bewerbungsgespräch unterziehen und wurden beim Arbeiten ständig durch Chatnachrichten ihres „Chefs“ unterbrochen. Alle Teilnehmenden beantworteten zudem in regelmäßigen Abständen Fragen zu ihrem subjektiven Stressgefühl. Das Forschungsteam nutzte mehrere lernfähige Algorithmen, um subjektive und objektive Stressmerkmale auszuwerten und zu vergleichen.

Was Maus und Tippverhalten verraten

Das Ergebnis: „Wir waren überrascht, dass das Tipp- und Mausverhalten besser voraussagt, wie gestresst sich Probandinnen und Probanden fühlen, als die Herzfrequenz“, sagt Nägelin. „Wer gestresst ist, bewegt den Mauszeiger öfter und ungenauer und legt längere Wege am Bildschirm zurück. Entspannte Menschen gelangen dagegen auf kürzeren, direkteren Wegen an ihr Ziel und lassen sich dabei mehr Zeit.“

Auch beim Tippverhalten gibt es verräterische Stressanzeichen: Menschen, die sich im Büro gestresst fühlen, machen zum einen mehr Fehler beim Tippen. Ihr Schreibstil folgt zudem einer Stopp-and-Go-Logik mit vielen kurzen Pausen, wie das Team feststellte. Entspannte Menschen machen hingegen weniger und dafür längere Pausen, wenn sie auf einer Tastatur schreiben.

Stress stört neuromotorische Kontrolle

Erklären lässt sich die Verbindung zwischen Stress und unserem Tipp- und Mausverhalten mit der sogenannten Neuromotor-Noise-Theorie: „Erhöhter Stress wirkt sich negativ auf die Fähigkeit unseres Gehirns aus, Informationen zu verarbeiten. Dadurch werden auch unsere motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt“, erklärt Koautorin Jasmine Kerr von der ETH Zürich. Weil das Gehirn durch Stress abgelenkt und belastet ist, schleichen sich in den für präzise Bewegungen nötigen Verarbeitungsprozessen kleine Ungenauigkeiten ein.

Nach Ansicht von Nägeli und ihrem Team könnten ihre Erkenntnisse künftig hilfreich sein, um erhöhtem Stress am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen und ihm vorzubeugen. Sie haben auf Basis ihrer Daten und einem lernfähigen Algorithmus bereits ein Computerprogramm entwickelt, das nur anhand unseres Tipp- und Mausverhaltens erkennt, wie gestresst wir sind.

App zur Stressmessung bereits im Test

Aktuell testen die Forschenden ihr Modell mit Daten von Schweizer Berufstätigen, die sich bereit erklärt haben, ihr Maus- und Tastaturverhalten sowie ihre Herzdaten mittels einer App direkt am Arbeitsplatz aufzeichnen zu lassen. Die gleiche App befragt die sie auch regelmäßig nach ihrem Stressniveau. Die Ergebnisse sollten Ende des Jahres vorliegen.

Eine Stresserkennung am Arbeitsplatz wirft aber auch einige heikle Fragen auf: „Wir wollen den Erwerbstätigen helfen, Stress frühzeitig zu erkennen, und kein Überwachungstool für Firmen schaffen“, betont Kerr. Wie eine App aussehen müsste, die diese Anforderungen erfüllt und einen verantwortungsvollen Umgang mit den sensiblen Daten sicherstellt, untersuchen die Forschenden in einer weiteren Studie. (Journal of Biomedical Informatics, 2023; doi: 10.1016/j.jbi.2023.104299)

Quelle: ETH Zürich

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