Verbrecher aufgepasst! Kleinste Speichelreste an der Cola-Flasche und am Zigarettenfilter, einige Hautzellen unter den Fingernägeln oder Blutflecken an der Kleidung des Opfers – all dies kann ausreichen, um einen Täter durch seinen genetischen Fingerabdruck zu überführen.
Erbgut-Reste überall
Verräterischer Ausgangspunkt sind in allen diesen Fällen Erbgutspuren, die am Tatort hinterlassen wurden. Denn die meisten unserer Körperflüssigkeiten enthalten auch Zellen unseres Körpers – und mit ihnen auch unsere Erbinformation. Und wenn wir mit der Hand an einer rauen Oberfläche entlang schleifen oder gekratzt werden, bleiben immer auch Hautzellen hängen – und damit auch unsere DNA. Verlieren wir ein Haar, bleibt mit der Haarwurzel auch ein bisschen Erbgut auf dem Boden liegen.
Für Ermittler sind diese Erbgutreste eine große Hilfe. Sie können ihnen verraten, ob eine verdächtige Person wirklich der Täter war. Die Sache hat allerdings einen Haken: In den Tatortspuren findet sich nur sehr wenig Erbmaterial – eigentlich zu wenig, um die entscheidenden DNA-Abschnitte mithilfe klassischer Methoden zu entschlüsseln. Lange Zeit war das der Grund, warum DNA-Analysen aus solchen Relikten unmöglich waren.
Erst die Polymerase-Kettenreaktion macht es möglich
Das änderte sich jedoch durch den US-amerikanischen Chemiker Kary B. Mullis. 1983 kam er auf eine Idee, wie sich die wenigen DNA-Spuren vermehren lassen könnten – und erfand eine der bis heute wichtigsten Methoden der Genetik und Biotechnologie: die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Sie bildet bis heute die Basis für DNA-Tests, aber auch für den Nachweis einer Vireninfektion mittels viraler DNA und RNA – während der Corona-Pandemie wurde „PCR-Test“ dadurch zu einer gängigen Vokabel.
Das Prinzip der PCR ist denkbar einfach: Ein bis zu 3.000 Basenpaare langes DNA-Fragment wird zunächst auf 94 bis 96 Grad Celsius erhitzt. Dadurch werden die Wasserstoffbrücken aufgespalten, die die Basen des Doppelstrangs zusammenhalten. Als Folge trennt sich die Doppelhelix in zwei Einzelstränge auf. Zur DNA-Lösung werden dann zwei sogenannte Primer gegeben. Sie lagern sich an bestimmte Stellen der DNA-Abschnitte an und dienen als Startsignal für den nächsten Schritt – das Kopieren.
Dafür kommt ein hitzestabiles Enzym, die Polymerase, ins Spiel. Bei einer Temperatur von 60 bis 70 Grad verknüpft sie frei in der Lösung herumschwimmende DNA-Bausteine so, dass sie eine genaue Kopie der durch die Primer markierten Sequenz bilden. Indem man diese Schritte zigfach wiederholt, vermehrt sich die Anzahl der DNA-Fragmente exponentiell. Ist die PCR durchgelaufen, ist aus den wenigen Relikten vom Tatort eine Lösung mit millionenfachen Kopien der DNA geworden.
Individuelles Wiederholungsmuster
Jetzt kann der eigentliche DNA-Test beginnen. Wissenschaftler vergleichen dafür nicht die gesamte Erbgutsequenz – das wäre viel zu aufwändig und zeitraubend. Stattdessen betrachten sie nur kurze Ausschnitte davon. Sie liegen in den nichtkodierenden Abschnitten des Erbguts und bestehen aus sich mehrfach wiederholenden Basenfolgen, den sogenannten „Short Tandem Repeats“ (STR). Die STRs unterscheiden sich in ihrer Anzahl von Mensch zu Mensch und sind damit ein individueller genetischer Fingerabdruck.
Für den DNA-Test im Kriminallabor werden meist rund ein Dutzend STR-Systeme auf verschiedenen Chromosomen untersucht und zusätzlich ein geschlechtsunterscheidendes Merkmal. Das reicht in der Regel aus, um eine zufällige Übereinstimmung des DNA-Profils auszuschließen. Denn unser individuelles STR-Muster stimmt nur einem von einer Milliarde Menschen überein. Stimmen der genetische Fingerabdruck vom Tatort und von der verdächtigen Person überein, ist es somit sehr wahrscheinlich, dass es sich um den Täter oder die Täterin handelt.
Vaterschaftstest: Ist es ein „Kuckuckskind“?
Auf ähnliche Weise funktioniert auch der Vaterschaftstest. Denn auch die Verwandtschaftsbeziehung lässt sich über DNA-Vergleiche ermitteln. Das Prozedere ist dabei denkbar einfach: Eine Speichelprobe, ein paar Haare mit Haarwurzel, dem mit Spucke bedeckten Babyschnuller oder ein gut durchgekautes Kaugummi reichen. Im Labor wird dann aus diesen Proben zunächst die DNA isoliert und mittels PCR vervielfältigt. Dann geht es zum eigentlichen Vergleichstest. Dafür werden Erbgutproben des Kindes und des Vaters, besser noch auch der Mutter benötigt.
Auch beim DNA-Vaterschaftstest wird nicht das gesamte Erbgut verglichen, sondern nur die Basenabfolge von rund 15 bis 20 Abschnitten. Auch hier, wie beim DNA-Test der Rechtsmediziner, handelt es sich um Short Tandem Repeats. Wie oft eine bestimmte Basenabfolge innerhalb eines solchen STR-Markers wiederholt wird, wird von den Eltern auf die Kinder vererbt. An jedem Genort tragen diese zwei Varianten solcher Marker – einen von der Mutter und einen vom Vater.
Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei nicht verwandte Menschen das genau gleiche Muster von Wiederholungen an diesen Marken besitzen, liegt nach aktuellen Schätzungen gerade einmal bei eins zu 100 Milliarden. Umgekehrt gilt eine Vater- oder Mutterschaft dann als ausgeschlossen, wenn sich das Erbgut von Elternteil und Kind sich an drei oder mehr STR-Markern unterscheidet.