Anders als unser Erdmond ist der Jupitermond Ganymed keine massive Kugel aus Metall und Gestein. Stattdessen besitzt er ähnlich wie sein innerer Nachbar Europa eine dicke Eiskruste, unter der sich ein flüssiger Ozean aus Salzwasser verbirgt. Das macht Ganymed zu einem möglichen Kandidaten für außerirdisches Leben.
25-mal mehr Wasser als in allen Weltmeeren
Den Verdacht, dass sich unter der Kruste des größten Jupitermonds nicht nur festes Material verbirgt, hatten Planetenforscher schon in den 1970er Jahren. Gewissheit brachte jedoch erst ein Vorbeiflug der NASA-Raumsonde Galileo im Jahr 1996. Ihre Messdaten lieferten erste Hinweise auf die innere Struktur des großen Eismonds. „Unsere Schwerkraftmessungen deuten darauf hin, dass Ganymed einen metallischen Kern besitzt. Dieser ist von einem Mantel aus Silikatgestein umgeben, der seinerseits in einer rund 800 Kilometer dicken Eishülle steckt“, berichtete damals John Anderson vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA.
Noch spannender jedoch: Weitere Messungen ergaben, dass ein Teil von Ganymeds Eishülle flüssig sein muss. Heute gehen Planetenforscher davon aus, dass sich unter der rund 150 Kilometer dicken äußeren Eiskruste des Jupitermonds ein rund 100 Kilometer dicker Ozean aus flüssigem, leicht salzhaltigem Wasser verbergen muss. Ganymeds subglazialer Ozean hat damit ein enormes Volumen: In ihn würden alle Meere der Erde rund 25-mal hineinpassen.
Gibt es die Voraussetzungen für Leben?
„Dieser Ozean ist riesig und in ihm muss ein enormer Druck herrschen“, erklärt NASA-Forscher Steve Vance vom JPL. „Deshalb dachte man, dass sich auch am Grund des Ozeans dichtes Eis bilden müsste.“ Wäre dies das Fall, dann wäre Ganymeds Wasser komplett von Eis eingeschlossen und hätte keinen Kontakt zum steinigen Mantel des Mondes. Damit würde dem subglazialen Ozean jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben fehlen.
Erst die Wechselwirkungen zwischen Mineralien und Wasser schaffen gängiger Theorie zufolge die molekularen Voraussetzungen, durch die biochemische Lebensbausteine entstehen können. Auf unserer Erde könnten diese lebensbildenden Reaktionen an den hydrothermalen Schloten des urzeitlichen Meeresgrunds stattgefunden haben. Auch heiße Quellen an Land oder sogar wassergefüllte Poren im Gestein gelten als mögliche Wiegen des Lebens. Auf Ganymeds innerem Nachbar Europa könnte es Messdaten zufolge hydrothermale Schlote oder sogar Untersee-Vulkane am Grund des subglazialen Ozeans geben.
„Sandwich“ aus Eis und Wasser
Doch was ist mit Ganymed? Tatsächlich könnte auch sein subglazialer Ozean weniger eisumschlossen und steril sein als zunächst angenommen. Denn 2014 lieferten Laborexperimente und physikalische Modelle ein neues Bild vom Innenleben des großen Jupitermonds. Demnach erzeugt der Salzgehalt seines subglazialen Meeres eine komplexe Schichtstruktur. Dabei wechseln sich Zonen sehr salzigen flüssigen Wassers mit Wassereis unterschiedlicher Dichte ab.
„Der Ozean des Ganymed könnte wie ein Sandwich in Schichten aufgebaut sein“, erklärt Vance. Das leichteste, am wenigsten dichte Eis bildet dabei die harte Oberflächenkruste des Ganymed. Dieses „Eis I“ entspricht in seiner Kristallstruktur unserem normalen Wassereis. Weiter unten wird das Wassereis jedoch durch den enormen Druck komprimiert und bildet andere, dichtere Eisvarianten. Doch das ist nicht alles: Wenn Wasser gefriert, bleibt das zuvor im Wasser gelöste Salz außen vor. Als Folge steigt der Salzgehalt im verbleibenden flüssigen Wasser und schützt dieses vor dem Gefrieren.
Aufwärts-Schnee und lebensfördernde Kontaktzonen
Dadurch bilden sich in der Hülle des Ganymed abwechselnde Schichten aus Eis und salzigem Wasser. Vance und sein Team vermuten, dass es mindestens drei solcher Schichten geben muss. In den flüssigen Zonen dieses „Sandwichs“ könnte es sogar aufwärts schneien, wie ihre Modelle ergeben haben: Weil die auskristallisierenden Eisklumpen leichter sind als das umgebende Salzwasser, steigen sie nach oben – es schneit aufwärts.
Mit seiner komplexen Schichtstruktur aus Salzwasser und Eis erfüllt Ganymed wichtige Voraussetzungen für potenzielles Leben. Denn die wechselnden Schichten schaffen zahlreiche Grenzflächen, die chemische Reaktionen begünstigen. Noch wichtiger jedoch: Die unterste, direkt über dem Gesteinsmantel liegende Schicht dieses „Sandwichs“ ist wahrscheinlich flüssig. Denn dort sammelt sich das salzigste und damit dichteste Wasser des Jupitermonds und verhindert die Bildung einer Eiskruste auf dem Gestein.
Ob der subglaziale Ozean tatsächlich so aufgebaut ist und wie es in ihm aussieht, ist allerdings noch unbekannt. Mehr Klarheit dazu soll die europäische Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer) bringen, die am 14. April 2023 zum Jupiter und seinen Eismonden gestartet ist. Sie wird im Laufe ihrer Mission mehrfach nah an Ganymed vorbeifliegen und Ende 2034 sogar in eine Umlaufbahn um den größten Jupitermond einschwenken.