Sonnensystem

Marskern ist flüssig und leicht

Seismische Daten enthüllen hohen Anteil leichter Elemente im Kern des Mars

Innenleben des Mars
Die von der NASA-Sonde InSight eingefangenen seismischen Wellen haben Neues über den Marskern verraten. © NASA/JPL; Nicholas Schmerr

Der Kern des Mars ist kleiner als gedacht – und er enthält einen unerwartet hohen Anteil leichter Elemente, wie nun Daten der NASA-Sonde Mars InSight enthüllen. Demnach sind dem Eisen des Marskerns rund 20 bis 22 Gewichtsprozent Schwefel, Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff beigemischt. Der Anteil solcher leichten Elemente ist damit doppelt so hoch wie im Erdkern. Außerdem hat der Mars wahrscheinlich keinen festen Innenkern, sondern ist im Zentrum komplett flüssig. Das könnte einige Unterschiede zwischen den beiden Planeten erklären.

Mars und Erde sind ungleiche Brüder: Sie entstanden zwar aus ähnliche Ausgangsstoffen und im gleichen Bereich der Urwolke, zeigen aber signifikante Unterschiede. So hat die Erde ein Magnetfeld, Plattentektonik und einen aktiven Vulkanismus, der Mars dagegen nicht. Noch ist unklar, warum dies so ist. Mögliche Antworten haben aber Messdaten der 2018 auf dem Mars gelandeten NASA-Raumsonde Mars InSight geliefert. Ihr Seismometer registrierte in den rund vier Jahren ihres Betriebs mehr als 1.300 Marsbeben.

Aus der Laufzeit und Form solcher seismischen Wellen können Planetenforscher auf die Beschaffenheit, Dichte und Temperatur des Marsinneren schließen. Die InSight-Daten haben so bereits Informationen zur Anatomie des Mars und zum Aufbau seines Mantels erbracht.

Seismische Signale
Zwei durch den Marskern laufende seismische Wellenschübe lieferten entscheidende Informationen. © Irving et al./ PNAS, CC-by 4.0

Ein Starkbeben und ein Einschlag

Jetzt gibt es erstmals genauere Informationen zur Zusammensetzung und Größe des Marskerns. Möglich war dies durch zwei seismische Wellensignale, die von der gegenüberliegenden Seite des Mars zum Seismometer der Marssonde gelangten. „Solche Farside-Ereignisse sind schwer zu detektieren, weil sie auf ihrem Weg viel Energie verlieren“, erklärt Erstautorin Jessica Irving von der University of Bristol. „Wir brauchten viel Glück und Erfahrung um diese Ereignisse einzufangen.“

Die entscheidenden Messdaten detektierte die Sonde erst an Tag 976 und Tag 1000 ihrer Mission. Das erste seismische Signal stammte von dem stärksten während der gesamten Messzeit registrierten Marsbeben. Der zweite seismische Wellenschub wurde von einem Meteoriteneinschlag auf der anderen Marsseite verursacht. „Dieses zweite Signal war besonders hilfreich, weil wir genau wussten, wo die Quelle der seismischen Wellen lag“, erklärt Irving. „Wir haben damit erstmals seismische Wellen eingefangen, die durch den Kern eines anderen Planeten gelaufen sind.“

Kleiner als gedacht und komplett flüssig

Mithilfe mehrerer verschiedener Analyseverfahren konnte das Forschungsteam die schwachen Kernwellen aus den unzähligen Störgeräuschen und komplexen Seismogrammen herauslösen und auswerten. „Dank Mars InSight können wir endlich ermitteln, wie das Zentrum des Mars beschaffen ist und warum er der Erde so ähnlich, aber doch verschieden ist“, sagt Koautor Vedran Lekic von der University of Maryland.

Die Analysen enthüllten: Der Kern des Roten Planeten hat einen Radius von 1.780 bis 1.810 Kilometern. Er ist demnach nicht einmal halb so groß wie der Erdkern und etwa 20 Kilometer kleiner als noch 2021 geschätzt. Außerdem sprechen die Daten dafür, dass der Mars anders als die Erde keinen festen Innenkern hat – sein Zentrum ist wahrscheinlich komplett flüssig, wie Irving und ihre Kollegen berichten. Das könnte möglicherweise erklären, warum der Mars kein dauerhaftes globales Magnetfeld entwickelt hat.

Neue Werte gibt es auch für die Dichte des Marskerns: Mit 6,16 bis 6,35 Gramm pro Kubikzentimeter liegt sie etwas höher als die zuvor ermittelten 6,0 Gramm pro Kubikzentimeter, wie das Team berichtet.

Gut 20 Prozent leichte Elemente

Noch wichtiger jedoch: Die seismischen Messdaten lieferten erste Hinweise auf die chemische Zusammensetzung des Marskerns. Bisher gingen Planetenforscher davon aus, dass sein Kern aus flüssigem Eisen, vermischt mit geringen Anteilen von Schwefel besteht. Doch die neuen Daten legen nahe, dass es im Marskern noch andere leichte Elemente im Marskern geben muss – und dass der gesamte Anteil solcher Beimischungen relativ hoch ist.

Indizien dafür lieferten vor allem die Laufzeiten der Kernwellen: Mit 4,89 bis 4,94 Kilometern pro Sekunde liefen sie langsamer durch den Marskern als es bei einem reinen Eisenkern der Fall wäre. „Aus den Daten ergibt sich, dass der Marskern insgesamt rund 20,3 bis 21,4 Gewichtsprozent leichte Elemente enthalten muss“, berichten Irving und ihre Kollegen. Dies ist fast doppelt so viel wie beim flüssigen äußeren Erdkern, der gängigen Schätzungen nach rund zwölf Prozent solcher Beimischungen enthält.

Schwefel, Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff

Es gibt auch erste Hinweise darauf, welche leichten Elemente sich im Marskern verbergen. Demnach könnte Schwefel mit rund 16,5 Gewichtsprozent den größten Teil der Beimischungen zum Kerneisen ausmachen. Dazu kommen rund drei Prozent Sauerstoff, etwa 1,3 Prozent Kohlenstoff und 0,5 bis 0,6 Prozent Wasserstoff. Anders als der Erdkern scheint der Marskern aber so gut wie kein Silizium zu enthalten, wie die Forschenden berichten. Denn dann müssten die Kernwellen deutlich schneller gewesen sein.

„Diese neuen Ergebnisse sind wichtig um zu verstehen, wie sich die Entstehung und Entwicklung des Mars von der der Erde unterscheidet“, sagt Irving. Denn die genaue chemische Zusammensetzung kann verraten, ob die Unterschiede beider Planeten bereits durch leicht verschiedene Planetenbausteine zustande kamen oder ob sie sich erst im Laufe der Schichtbildung und weiteren Entwicklung ausbildeten. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2217090120)

Quelle: University of Bristol, University of Maryland

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