Überraschende Entdeckung: Bisher galt der Asteroid (3200) Phaeton als Urheber der Geminiden-Sternschnuppen – er bildet in Sonnennähe einen Schweif aus, aus dem die Staubpartikel stammen könnten. Doch jetzt enthüllen neue Beobachtungen, dass der Schweif dieses Asteroiden primär aus Natrium besteht und fast keinen Staub enthält. Phaeton wäre damit der erste Asteroid mit einem Natriumschweif. Das wirft allerdings die Frage auf, warum er so viel Natrium ausgast und woher die Geminiden-Staubwolke kommt.
Anders als die meisten Meteorschauer gehen die Geminiden nicht auf einen Kometen zurück, sondern auf einen Asteroiden. Der 1983 entdeckte Asteroid (3200) Phaethon hat eine exzentrische, 524 Tage lange Umlaufbahn, die von jenseits des Mars bis in große Sonnennähe reicht. Ihre Lage passt gut zur Geminiden-Staubwolke. 2009 enthüllten Aufnahmen des NASA-Sonnenobservatoriums STEREO, dass Phaeton bei seiner Sonnenpassage heller aufleuchtet und einen kurzen Schweif ausbildet – ein Indiz dafür, dass der Asteroid tatsächlich Material verliert.
Unklar blieb allerdings, woraus Phaetons Schweif besteht und wie dieser Asteroid überhaupt genug Material verlieren konnte, um die Geminiden-Staubwolke zu bilden. Denn anders als die eisreichen Kometen enthalten Asteroiden normalerweise nur wenig Eis und flüchtige Substanzen und geben daher auch in Sonnennähe kaum Material an ihre Umgebung ab.
Sonnenobservatorien als Beobachter mit „Logenplatz“
Jetzt gibt es neue, überraschende Erkenntnisse zum Geminiden-Asteroiden. Für ihre Studie haben Qicheng Zhang vom California Institute of Technology in Pasadena und seine Kollegen die Sonnenpassagen von Phaeton mithilfe mehrerer im Weltraum stationierter Sonnenobservatorien näher untersucht. Zum einen werteten sie dafür Archiv-Daten der STEREO-Sonnensonden zu insgesamt 18 Sonnenpassagen von 1997 bis 2022 aus.
Zusätzlich nutzten die Astronomen das NASA/ESA-Sonnenobservatorium SOHO (Solar and Heliospheric Observatory), um Phaeton bei seiner jüngsten Sonnenpassage am 15. Mai 2022 zu beobachten. Die drei LASCO-Koronografen der SOHO-Sonde verfügen über spezielle Farbfilter, durch die die Sonne und auch der Asteroid jeweils nur in bestimmten Wellenlängenbereichen abgebildet werden. Die vom Asteroidenschweif abgestrahlte Lichtfarbe kann damit erste Hinweise auf dessen chemische Zusammensetzung liefern.
Kein Staub in Phaetons Schweif
Die Aufnahmen enthüllten: Der Asteroid bildete zwar bei jeder Sonnenpassage einen kurzen Schweif aus. Aber anders als erwartet strahlte dieser Schweif nicht in allen Farben gleich hell. „Die Aktivität von Phaeton erscheint in den orange-gefilterten LASCO-Aufnahmen viel heller als in ungefilterten oder an die Wellenlängen des Wasserstoffs angepassten Filtern“, berichten Zhang und sein Team. In blau gefilterten Aufnahmen war der Schweif des Asteroiden dagegen überhaupt nicht zu sehen.
Ebenfalls auffallend war die Form von Phaetons Schweif: Er erschien in den Aufnahmen von STEREO und SOHO relativ gerade und weit weniger gekrümmt, wie man es für einen Staubschweif typisch wäre. Nach Ansicht von Zhang und seinem Team sprechen diese Beobachtungen dafür, dass der Asteroid bei seinen Sonnenpassagen kaum Staub emittiert – und dass auch der Schweif nicht aus Staubteilchen besteht. „Unsere Analysen ergeben, dass die kometenähnliche Aktivität von Phaeton durch keine Art von Staub erklärt werden kann“, so Zhang.
Starke Natrium-Ausgasung in Sonnennähe
Doch woraus besteht der Schweif dann? Nach Angaben der Astronomen sprechen die Orangefärbung des Schweifs und seine gerade Form dafür, dass (3200) Phaeton größere Mengen an Natrium ausgast. „Auch Kometen glühen in Sonnennähe häufig intensiv durch Natrium-Emission“, sagt Zhang. Bei einem Asteroiden wurde ein solcher Natrium-Schweif allerdings noch nie zuvor beobachtet. Den Berechnungen zufolge verliert der Asteroid rund 550 Trilliarden (5,5 x 1023) Natriumatome pro Umlauf.
Das wirft allerdings mehrere Fragen auf. Zum einen ist unklar, woher das ganze Natrium kommt und warum gerade Phaeton so viel von diesem Alkalimetall abgibt – und andere Asteroiden nicht. Zhang und sein Team vermuten, dass dies am geringen Abstand bei Phaetons Sonnenpassage liegt. Sie heizt ihn dadurch stärker auf als sonst bei Asteroiden üblich. Die zweite Frage ist, wo das ganze Material bleibt, das bei der Sonnenpassage zusammen mit dem Natrium ausgasen müsste. Denn ausgehend von der typischen Zusammensetzung eines solchen chondritischen Asteroiden müsste Phaeton jedes Mal rund eine Million Kilogramm an Gesteinsmaterial ins All verlieren.
Woher kommt der Geminiden-Staub?
Rätselhaft auch: Wenn Phaetons Schweif kaum Staub enthält, woher kommt dann das Material in der Geminiden-Staubwolke? Ihre Position spricht weiterhin dafür, dass diese Staubteilchen vom Asteroiden stammen. Aber wie? Zhang und sein Team vermuten, dass die Staubwolke nicht von der normalen Partikelemission des Asteroiden gespeist wird, sondern auf ein einmaliges, möglicherweise ein paar tausend Jahre zurückliegendes Ereignis zurückgeht.
Demnach könnte damals ein Stück des Asteroiden abgebrochen und zerfallen sein und so ungewöhnlich viel Staub und Gesteinsbröckchen ins All geschleudert haben. Bisher ist dieses Szenario aber reine Spekulation. Mehr Klarheit erhoffen sich die Astronomen von der japanischen Raumsonde Destiny+, die 2024 zum Asteroiden Phaeton starten und dessen Oberfläche und Emissionen untersuchen soll. (The Planetary Science Journal, 2023; doi: 10.3847/PSJ/acc866)
Quelle: NASA/ Goddard Space Flight Center