Medizin

Epo-Produzenten unseres Körpers identifiziert

Spezialisierte Norn-Zellen in den Nieren sind die Hauptlieferanten von Erythropoetin

Erythropoetin
Ein Forschungsteam hat erstmals die Zellen identifiziert, die das blutbildende Hormon Erythropoetin in unserem Körper herstellen. © Dr_Microbe/ Getty images

Rätsel gelöst: Lange war unklar, wo in unserem Körper das blutbildende Hormon Erythropoetin entsteht – jetzt haben Forschende die zellulären Epo-Fabriken entdeckt. Es handelt sich um spezialisierte Zellen in der Niere, die bei Sauerstoffmangel aktiv werden und dann Epo ausschütten. Diese „Norn“-Zellen bilden ähnlich wie die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse einen ganz eigenen, neuen Zelltyp, wie das Team in „Nature Medicine“ berichtet. Ihre Entdeckung eröffnet nun neue Möglichkeiten für die Medizin.

Das auch als Dopingmittel bekannte Erythropoetin (Epo) ist ein unverzichtbarer Regulator für unsere Blutbildung und die Sauerstoffaufnahme unserer Zellen und Gewebe. Es wird bei Sauerstoffmangel ausgeschüttet und regt im Knochenmark die Bildung roter Blutkörperchen an. Außerdem wirkt es als gewebeschützender Botenstoff. Schon länger wird vermutet, dass die Hauptquelle des Erythropoetins in den Nieren liegt.

Epo und Blutbildung
Das in der Niere produzierte Hormon Erythropoetin regt die Blutbildung an. Doch wo in der Niere es erzeugt wird, war lange unbekannt. © ttsz

Doch wo und von welchen Zellen das Erythropoetin dort produziert wird, war unbekannt. „Eine Möglichkeit ist, dass Erythropoetin nur von spezialisierten Zellen erzeugt wird – ähnlich dem Insulin in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse“, erklären Bjørt Kragesteen vom Weizmann Institute of Science in Israel und seine Kollegen. Denkbar wäre aber auch, dass verschiedene Zellen das Epo bei Bedarf und nur kurzzeitig freisetzen – auch das könnte erklären, warum die Quelle bisher nicht gefunden wurde.

„Verdächtige“ Zellgruppe in den Nieren

Jetzt ist es Kragesteen und seinem Team erstmals gelungen, die Erythropoetin-Fabriken des Körpers zu identifizieren. Für ihre Studie haben sie bei Mäusen verschiedene Nierenzelltypen mittels Fluoreszenzfärbung markiert und festgestellt, welche bei Sauerstoffmangel ungewöhnlich aktiv wurden. Dann analysierten sie die Genaktivität dieser Zellen und suchten nach Boten-RNA, die beim Ablesen der für Epo wichtigen Gene entsteht.

Tatsächlich wurden sie fündig: Die Forschenden entdeckten eine kleine Zellgruppe im bindegewebigen Stützgerüst der Nieren, die bei akutem Sauerstoffmangel aktiv wurde. Bei einem Teil dieser „Norn“ getauften Zellen ließ sich die Produktion von Erythropoetin direkt nachweisen. „Die Epo-Produktion in Norn-Zellen steigt stark an und nimmt schnell wieder ab. Dies ist der Hauptgrund, warum die Identifizierung dieser Zellen so schwierig war“, erklärt Seniorautor Roland Wenger von der Universität Zürich.

Norn-Zellen als Epo-Produzenten identifiziert

Doch gibt es diese Norn-Zellen auch beim Menschen? Um dies zu überprüfen, untersuchten die Forschenden als nächstes Gewebeproben menschlicher Nieren, darunter von Nierentumoren und von einer Patientin, die an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben war. Ihre Zellen litten daher unter akutem Sauerstoffmangel. Das Ergebnis: Auch beim Menschen gibt es Zellen, deren Geneaktivität der der Norn-Zellen entspricht und die bei Bedarf Epo ausschütten.

„Unsere Ergebnisse identifizieren damit die Norn-Zellen als Produzenten von Epo – einen spezialisierten, klar abgrenzbaren und in sich geschlossenen Zelltyp“, berichten Kragesteen und seine Kollegen. Damit ist nun klar, dass das blutbildende Hormon Erythropoetin von einem ganz eigenen, nur in einer bestimmten Region der Nieren sitzenden Zelltyp erzeugt wird – ähnlich wie das Insulin nur von den Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die Epo-produzierenden Norn-Zellen werden nur dann aktiv, wenn wir unter akutem und starkem Sauerstoffmangel leiden.

Wichtiger Durchbruch für die Medizin

„Die Entdeckung eines neuen Zelltyps ist kein alltägliches Ereignis“, sagt Wenger. Vor gut 50 Jahren revolutionierte die Entdeckung der insulinproduzierenden Betazellen die Diabetesforschung und ermöglichte neue Therapien. Auf ähnliche Weise könnte nun die Entdeckung der Norn-Zellen dazu beitragen, Menschen mit schweren Anämien und anderen Störungen der Erythropoetin-Produktion zu helfen.

„Die Norn-Zellen können den Grundstein für die Entwicklung neuer Therapien legen. Ihre Identifizierung bietet nun die Möglichkeit, Techniken zu entwickeln, die diese Zellen dazu anregen, mehr Epo zu produzieren“, erklärt Wenger. “ Damit lässt sich die Erythrocytenmenge und Lebensqualität der Patienten verbessern, ohne künstliches Epo verabreichen zu müssen.“ (Nature Medicine, 2023; doi: 10.1038/s41591-023-02314-7)

Quelle: Universität Zürich

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