Feurige Fernwirkung: Die australischen Extrembrände von 2019/2020 hatten nicht nur Auswirkungen vor Ort, sondern verursachten auch eine seltene Klimaanomalie in tausenden Kilometer Entfernung, wie Analysen enthüllen. Denn die Emissionen der Feuer lösten eine ungewöhnlich langanhaltende La-Niña-Phase im tropischen Pazifik aus. Diese „kalte Schwester “ des El Niño hielt dadurch drei Jahre lang an, was nur extrem selten vorkommt. Als Folge kam es unter anderem zu extremen Starkregenfällen in Australien und Teilen Südostasiens.
Das Klimaphänomen La Niña ist Teil einer periodischen Klimaschwankung im tropischen Pazifik. Im Rahmen dieser El Niño-Southern-Oscillation (ENSO) kommt es alle paar Jahre zu einer Veränderung der Passatwinde, die beim El Niño zu einer Erwärmung des Meeres vor der Westküste Südamerikas und großräumigen Klimaveränderungen führt. Bei einer La Niña treiben dagegen starke Passatwinde das pazifische Oberflächenwasser Richtung Asien. Als Folge kühlt der östliche Pazifik ab, in Südostasien wird das Meer wärmer.
Typischerweise halten diese beiden Extreme des ENSO-Klimapendels immer nur ein bis eineinhalb Jahre an. Dazwischen herrschen neutrale Bedingungen.
Eine mehrfach ungewöhnliche La Niña
Doch dieser normale ENSO-Rhythmus wurde in den letzten Jahren durchbrochen: Obwohl eigentlich neutrale Bedingungen vorhergesagt waren, entwickelte sich im Herbst 2020 eine starke La Niña. „Dieses Ereignis war in gleich mehrerer Hinsicht außergewöhnlich“, berichten John Fasullo vom National Center for Atmospheric Research in Colorado und seine Kollegen. Zum einen folgt eine La Niña normalerweise direkt nach einem starken El Niño – doch 2020 war dies nicht der Fall. Dadurch fehlten auch die eigentlich als Auslöser geltenden atmosphärischen Verschiebungen.
Noch ungewöhnlicher aber: Die „kalte Schwester“ des El Niño wollte gar nicht mehr weichen. Drei Jahre lang – bis zum Winter 2022/2023 – prägte sie das Klima im gesamten Pazifikbereich. Wie Fasullo und sein Team erklären, gab es eine solche Dreifach-La-Niña erst dreimal seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen – und noch nie ohne einen vorhergehenden starken El Niño.
Megabrände im Verdacht
Aber warum? Auf der Suche nach einem Auslöser für diese Klimaanomalie richteten die Forschenden ihren Blick auf ein Ereignis, das sich tausende Kilometer vom tropischen Pazifik entfernt in Australien abgespielt hat: Im Jahr 2019/2020 gab es dort extreme Waldbrände, die Millionen Hektar Wald und Buschland vernichteten, Milliarden Tiere töteten und gewaltige Mengen an Rauch, Ruß und CO2 in die Atmosphäre transportierten.
„Viele Menschen haben die australischen Brände schon längst wieder vergessen, vor allem, weil kurz darauf die Corona-Pandemie ausbrach. Aber das Erdsystem hat ein langes Gedächtnis und die Auswirkungen der Feuer haben jahrelang angehalten“, sagt Fasullo. Neben den Folgen an Land und den enormen Emissionen von Treibhausgasen lösten die auf den Ozean herabsinkenden Schwebstoffe auch eine beispiellose Algenblüte im Südozean aus.
Aerosole als La-Niña-Auslöser
Könnte der Rauch der Megabrände auch den ENSO-Zyklus verändert haben? Klimastudien haben bereits gezeigt, dass die Rauch- und Gaswolken großer Vulkanausbrüche dieses Klimaphänomen durchaus beeinflussen: „Die Reaktion ist durch das Auftreten von La-Niña-Bedingungen im Jahr nach einer großen Eruption gekennzeichnet“, erklären die Forschenden. Dabei kommt es außerdem zu einer Nordwärts-Verlagerung der Innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) – der atmosphärischen Zirkulation, die für den Regengürtel der Tropen verantwortlich ist.
Um herauszufinden, ob auch die australischen Brände diesen Effekt ausgelöst haben, rekonstruierten die Wissenschaftler das Geschehen in einem Klimamodell. Dieses bildet die Wechselwirkungen zwischen Aerosolen, Wolken und Klima ab und kann daher auch aufzeigen, in welchem Maße Emissionen kühlender Schwebstoffe sich auf Temperaturen und Luftströmungen auswirken. Fasullo und sein Team ließen zwei Simulationen der letzten rund vier Jahre ablaufen: Einmal mit den Emissionen der Megabrände von 2019/2020 und einmal ohne.
Wie der Rauch den ENSO beeinflusste
Das Ergebnis: Während die La Niña in der Kontrollsimulation ausblieb, lösten die Emissionen in der Simulation mit den australischen Megafeuern eine ganze Kette von klimatischen Reaktionen aus. Zunächst breiteten sich die Schwebstoffe aus dem Rauch innerhalb eines Monats über fast den gesamten südlichen Pazifik und den Südozean aus. Zwischen dem 30. und 60. südlichen Breitengrad vervierfachte sich dadurch die Dichte klimawirksamer Aerosole, wie die Klimaforscher berichten.
Die hoch in der Atmosphäre schwebenden Rauchaerosole bildeten einen hellen Schleier, der einen Teil des einfallenden Sonnenlichts reflektierte. Dadurch gelangten im Schnitt rund drei Watt pro Quadratmeter weniger Energie und Wärme in die unteren Luftschichten über dem südlichen Pazifik und der Westküste Südamerikas. Als Folge wurde es dort kühler und trockener und auch die Meeresoberfläche kühlte ab.
Parallel dazu veränderten sich auch die Luftströmungen in angrenzenden Regionen: „Bis zum Mai 2020 bewirkte die Reaktion auf die Brände eine Nordverschiebung der Innertropischen Konvergenzzone“, berichten die Wissenschaftler. „Diese erzeugte ein anomal starkes Niederschlagsband bei zehn Grad nördlicher Breite und schwachen Regen im äquatorialen Pazifik.“ Etwa zur gleichen Zeit sanken die Wassertemperaturen in diesem Meeresgebiet abrupt ab. Zusammen lösten diese Anomalien die La Niña aus und ließen sie ungewöhnlich lange anhalten.
Künftig häufiger?
Nach Ansicht von Fasullo und seinem Team sprechend diese Resultate dafür, dass die australischen Brände und ihre Emissionen eine entscheidende Rolle für die ungewöhnlich langen und unerwartet eintretenden La-Niña-Bedingungen gespielt haben. Denn ohne die kühlende Wirkung der Aerosole wäre diese Klimaanomalie wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Dies unterstreiche, wie wichtig es sei, auch Waldbrände mit in Klimamodelle aufzunehmen“, sagt Fasullo.
Dies gilt gerade in Zeiten des Klimawandels: „Durch ihn werden sich auch die Brandemissionen verändern“, so der Forscher. Denn mit der Erwärmung und dem vielerorts trockener werdenden Klima treten auch Wald-, Busch- und Tundrabrände zunehmend häufiger auf. Je nach Zusammensetzung des Rauchs und lokalen Wetterbedingungen könnte dies den ENSO und andere Klimaphänomene künftig noch häufiger beeinflussen. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adg1213)
Quelle: National Center for Atmospheric Research/ University Corporation for Atmospheric Research