Sonnensystem

Marskruste ist dicker als gedacht

Kruste des Mars ist unter allen Gesteinsplaneten des Sonnensystems die mächtigste

Marsinneres
Der Mars hat von allen Gesteinsplaneten im Sonnensystem die mächtigste Kruste, wie Analysen seismischer Daten enthüllen. © AlexLMX/ Getty images

Mächtiger Panzer: Die Kruste des Roten Planeten ist fast doppelt so dick wie die Erdkruste – und wahrscheinlich die mächtigste Kruste aller Gesteinsplaneten im Sonnensystem, wie seismische Analysen enthüllen. Demnach reicht die Marskruste im Schnitt 42 bis 56 Kilometer in die Tiefe, an manchen Stellen sogar 90 Kilometer. Ihre Mächtigkeit zeigt dabei große Unterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel, ihre Dichte dagegen nicht. Die neuen Daten verraten zudem mehr über den Wärmetransport im Marsinneren und das mögliche Anhalten einer vulkanischen Aktivität.

Obwohl der Mars unser Nachbarplanet ist, wissen wir über sein Inneres nur wenig. Einen genaueren Einblick in die Anatomie des Mars lieferte erst die von 2018 bis 2022 aktive NASA-Sonde Mars Insight. Ihr Seismometer registrierte tausende von Marsbeben, deren Merkmale Näheres über Kruste, Mantel und Kern des Roten Planeten verrieten. Allerdings reichten die Daten zunächst nicht aus, um die Dicke der Marskruste genauer zu ermitteln – die Spanne reichte von 30 bis 72 Kilometern.

Mars-Seismometer
Innenleben des Mars-Seismometers der Sonde Mars InSight. © NASA/JPL-Caltech

Bebenwellen rasten dreimal um den Mars

Jetzt ist es einem Team um Doyeon Kim von der ETH Zürich gelungen, die Dicke der Marskruste näher einzugrenzen. Möglich wurde dies dank eines geophysikalischen Glücksfalls: Im Mai 2022, kurz vor Ende der InSight-Mission, erschütterte das stärkste je auf einem fremden Himmelskörper detektierte Beben den Roten Planeten. Es erreichte knapp fünf Magnituden und erzeugte neben den Primärwellen auch Oberflächenwellen, die um den gesamten Mars rasten.

Das Spannende daran: Die Laufzeiten solcher Oberflächenwellen – auch Rayleigh-Wellen genannt – liefern genauere Hinweise auf die Dichte und Beschaffenheit der Kruste. Für die nahe Umgebung der Marssonde gab es solche Daten schon, nicht aber für die gesamte Kruste des Mars. Das S1222a getaufte Beben änderte dies: „Von diesem Beben beobachteten wir Oberflächenwellen, die bis zu dreimal den Mars umkreisten“, berichtet Kim. Das Team hat die Laufzeiten dieser Wellen zusammen mit Daten zur Schwerkraft und Topografie ausgewertet,

Dickste Kruste aller Gesteinsplaneten

Das Ergebnis ist eine globale Karte der marsianischen Krustendicke. Sie enthüllt, dass die Marskruste im Schnitt 42 bis 56 Kilometer weit in die Tiefe reicht. „Damit ist die Marskruste viel dicker als die Kruste der Erde oder des Mondes“, sagt Kim. Zum Vergleich: Die Erdkruste hat eine mittlere Dicke von 21 bis 27 Kilometer, die über Seismometer der Apollo-Missionen ermittelte Dicke der Mondkruste liegt zwischen 34 und 43 Kilometer. „Von allen größeren Gesteins-Himmelskörpern im Sonnensystem, für die wir Annäherungswerte haben, hat der Mars damit wahrscheinlich die dickste Kruste“, berichten die Forscher.

Den neuen Daten zufolge ist auch der Anteil der Kruste im Vergleich zum Mantel beim Mars mit vier bis fünf Prozent deutlich höher als bei der Erde mit rund 0,7 Prozent. Allerdings gibt es bei der Marskruste große regionale Unterschiede: In der Tiefebene Isidis Planitia, einer riesigen, uralten Einschlagssenke, liegt die Krustendicke nur bei rund zehn Kilometern, wie Kim und seine Kollegen ermittelten. Unter den hoch aufragenden, mächtigen Vulkanen der Tharsis-Region ist die Marskruste dagegen rund 90 Kilometer dick.

Mars-Dichotomie
Die Oberfläche des Mars ist topografisch nahezu zweigeteilt (links). Dies spiegelt sich auch in der
Krustendicke wider. © Doyeon Kim / ETH Zürich

Dichte ist nicht schuld an Nord-Süd-Dichotomie

Die seismischen Wellen lieferten auch Einblicke in eines der auffallendsten Merkmale der Marsoberfläche: den enormen Unterschied zwischen der Nord- und Südhalbkugel des Planeten. Sein südliches Hochland liegt bis zu 30 Kilometer höher als die nördlichen Tiefebenen. „Man könnte annehmen, dass sich dieser Unterschied durch zwei verschiedene Gesteinszusammensetzungen erklären ließe“, sagt Kim. „Das eine Gestein wäre dichter, also schwerer als das andere.“ Einen solchen Dichteunterschied gibt es beispielsweise zwischen der dünneren ozeanischen und der dickeren kontinentalen Erdkruste.

Doch auf dem Mars ist dies nicht der Fall: „Anhand der seismischen Beobachtungen und der Gravitationsdaten zeigen wir, dass die Dichte der Kruste im nördlichen Tiefland und im südlichen Hochland ähnlich ist“, berichten die Forschenden. Ihren Messungen nach unterscheiden sich beide Regionen in ihrer Gesteinsdichte um weniger als 200 Kilogramm pro Kubikmeter. Zum Vergleich: Bei der ozeanischen und kontinentalen Erdkruste liegt der Unterschied bei rund 300 Kilogramm pro Kubikmeter. „Diese Erkenntnis ist spannend und ermöglicht es uns, eine langjährige wissenschaftliche Diskussion über den Ursprung und die Struktur der Marskruste zu beenden“, sagt Kim.

Für die Nord-Süd-Dichotomie des Mars ist demnach primär die Dicke der Kruste entscheidend, sie ist auf der marsianischen Südhalbkugel deutlich mächtiger. Warum, bleibt allerdings vorerst unklar.

Genug radioaktive Wärme für tiefen Vulkanismus

Aus der Dicke der Marskruste lassen sich noch weitere Schlüsse ziehen. „Unsere Studie erklärt, wie der Planet Wärme erzeugt und wie er sich thermisch entwickelt hat“, sagt Kim. Als Planet, der anders als die Erde nur über eine einzige tektonische Platte verfügt, erzeugt in seinem Inneren vor allem der Zerfall von radioaktiven Elementen wie Thorium, Uran und Kalium die Wärme. Den neuen Daten zufolge müssen sich 50 bis 70 Prozent dieser wärmeproduzierenden Elemente in der Marskruste befinden.

Diese starke Anreicherung könnte erklären, dass es darunter lokale Regionen gibt, in denen bis heute möglicherweise Schmelzprozesse stattfinden. „Interessanterweise spricht unser am besten passendes Modell für die Existenz von Mantelplumes, die bis heute Gesteinsschmelzen im Gebiet um Cerberus Fossae erzeugen können“, schreiben die Wissenschaftler. Das könnte Annahmen stützen, nach denen es in diesem von Spalten durchzogenen Gebiet noch heute den Rest eines aktiven Vulkanismus gibt. (Geophysical Research Letters, Preprint; doi: 10.22541/essoar.167810298.85030230/v1)

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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