Eisen als Schlüssel: Forschende haben eine neue Theorie zur Entstehung des Lebens auf der frühen Erde aufgestellt. Demnach dienten womöglich Eisenpartikel aus Meteoriten und Vulkanasche als Katalysatoren für die Bildung der ersten Lebensbausteine. Das Eisen begünstigte den Einbau von Kohlendioxid in organische Verbindungen, die dann als Vorstufen für Biomoleküle dienten. Pro Jahr könnten dadurch bis zu 600.000 Tonnen organischer Vorläufer entstanden sein, wie die Forschenden ermittelt haben.
Auf unserem Planeten könnte es schon 400 bis 700 Millionen Jahre nach seiner Entstehung simple einzellige Lebensformen gegeben haben. Doch woher die Biomoleküle für diese ersten Zellen kamen, ist bisher unklar. Einige Szenarien gehen davon aus, dass die Vorläufer dieser Lebensbausteine – Kohlenwasserstoffe, Aldehyde und Alkohole – auf Asteroiden und Kometen hierher gelangt sind. Andere vermuten, dass sie durch Reaktionen in der frühen Erdatmosphäre und in den Ozeanen entstanden sind. Diese Reaktionen könnten durch die Energie aus Blitzen, vulkanische Aktivität oder Einschläge gefördert worden sein.
Ein industrielles Verfahren als Inspiration
Forschende um Sophia Peters von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München haben diesen Szenarien nun einen weiteren möglichen Mechanismus hinzugefügt. Als Inspiration diente das in der Industrie eingesetzte Fischer-Tropsch-Verfahren, bei dem Kohlenwasserstoffe aus einem Kohlenstoffmonoxid-Wasserstoff-Gemisch synthetisiert werden. Als Katalysatoren kommen dabei meist Eisen oder Cobalt zum Einsatz.
Das Verfahren brachte Seniorautor Oliver Trapp von der LMU auf eine Idee: Was, wenn bereits in der frühen Erdatmosphäre Kohlenwasserstoffe – Vorläufer von Biomolekülen – durch eine Art natürlicher Fischer-Tropsch-Synthese entstanden sind? Theoretisch wären alle Zutaten dafür vorhanden gewesen: Ausgangsstoffe wie Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff waren in der Uratmosphäre reichlich vorhanden, als Katalysator geeignete Eisenpartikel könnten Vulkanausbrüche und Meteoriten-Einschläge geliefert haben.
Die frühe Erde in der Druckkammer
Um diese Hypothese zu testen, simulierte das Forschungsteam in einer speziellen Druckkammer eine Reihe von Bedingungen, die auf der frühen Erde geherrscht haben könnten. Die Atmosphäre und Klimabedingungen stellten die Wissenschaftler mit Kohlendioxid und Wasserstoffmolekülen in verschiedenen Mischungsverhältnissen nach, die Eisenpartikel gewannen sie aus zerkleinerten Proben von Eisenmeteoriten, Steinmeteoriten und Vulkanasche.
„Da es viele verschiedene Möglichkeiten für die Eigenschaften der frühen Erde gibt, habe ich versucht, jedes mögliche Szenario experimentell zu testen. Am Ende habe ich fünfzig verschiedene Katalysatoren verwendet und das Experiment bei verschiedenen Werten für den Druck, die Temperatur und das Verhältnis von Kohlendioxid- und Wasserstoffmolekülen durchgeführt“, erklärt Peters. Während die Temperaturen dabei zwischen 150 und 300 Grad Celsius lagen, schwankte der Druck zwischen neun und 45 Bar.
Mehrere organische Vorläufer synthetisiert
Das Ergebnis: Der Eisenkatalysator hatte tatsächlich zu beträchtlichen Mengen an organischen Verbindungen geführt und das unter einer Vielzahl von Druck- und Temperaturbedingungen, wie Peters und ihre Kollegen berichten. Zu den synthetisierten Stoffen zählten demnach Kohlenwasserstoffe, die Alkohole Methanol und Ethanol sowie Acetaldehyd und Formaldehyd. Während sich die Aldehyde und Alkohole bereits bei niedrigeren Temperaturen bildeten, waren zur Herstellung der Kohlenwasserstoffe rund 300 Grad nötig.
Alle drei auf diese Weise entstandenen Stoffgruppen gelten als wichtige Bausteine und Vorläufermoleküle für Fettsäuren, die Nukleobasen der DNA, Zucker und Aminosäuren. Diese sind wiederum Vorläufer für komplexe Biomoleküle wie Proteine und Kohlenhydrate, ohne die das Leben wie wir es kennen nicht möglich wäre.
600.000 Tonnen Vorläufermoleküle pro Jahr
Eisen aus Meteoriten und Vulkanen könnte demnach ein entscheidender Helfer bei der Entstehung des Lebens gewesen sein. Dass zumindest einige Grundbausteine des Lebens durch eisenvermittele Katalyse entstanden sein könnten, zeigt sich laut Peters und ihrem Team daran, dass die Reaktionen unter so vielen verschiedenen Bedingungen geglückt sind. Das mache die Synthesen weitgehend unabhängig von der genauen Zusammensetzung der frühen Erdatmosphäre, die derzeit noch weitestgehend unbekannt ist.
Für die Wissenschaftler bedeutet das: „Die frühe Erde könnte als ein riesiger katalytischer Reaktor betrachtet werden, der atmosphärische Gase in komplexe, präbiotische organische Stoffe umwandelt.“ Und dieser „Reaktor“ arbeitete offenbar auf Hochtouren, wie Schätzungen des Forschungsteams zeigen. Demnach könnten die katalytischen Eigenschaften der Eisenpartikel jedes Jahr bis zu 600.000 Tonnen organische Vorläufer auf der Urerde hervorgebracht haben. (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-33741-8)
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Scientific Reports