Überraschender Fund: In kleineren, isolierten Galaxien sind die zentralen Schwarzen Löcher oft aktiver als in den dichtstehenden Galaxiengiganten der kosmischen Ballungsräume, wie Astronomen entdeckt haben. Dies widerspricht der Annahme, dass erst die Wechselwirkungen zwischen Galaxien das nötige „Futter“ für aktiv wachsende supermassereiche Schwarze Löcher liefern. Stattdessen sorgen die Galaxien der kosmischen Voids offenbar auf andere Weise für den Materienachschub für ihre zentralen Schwerkraftgiganten.
Galaxien sind im Universum nicht gleichmäßig verteilt: Rund 80 Prozent von ihnen sind Teil von Ballungsräumen in Form der dichten Knoten und Filamente des kosmischen Netzwerks. Die restlichen rund 20 Prozent der Galaxien liegen dagegen weitgehend isoliert in den leeren Weiten des Alls. Auch unsere Milchstraße befindet sich am Rand eines solchen Voids.
Bringen erst die Wechselwirkungen das „Futter“?
Gängiger Theorie nach wirkt sich die Lage einer Galaxie auch auf ihr Innenleben aus: Sie beeinflusst die Aktivität und das Wachstum ihres zentralen Schwarzen Lochs. Denn wenn Galaxien einander nahekommen oder sogar miteinander kollidieren, löst dies Schwerkraftturbulenzen aus, die besonders viel Material ins galaktische Zentrum befördern können. Dadurch erhält das supermassereiche Schwarze Loch mehr „Futter“ in Form von Gas, Staub oder sogar ganzen Sternen, verschlingt sie und wächst dadurch heran.
Doch ob die Präsenz galaktischer Nachbarn tatsächlich die Aktivität der zentralen Schwarzen Löcher prägt und wie stark, ist bislang strittig. Um diese Frage zu klären, haben Astronomen um Anca Constantin von der James Madison University die „Einzelgänger“ unter den Galaxien näher untersucht. „Indem wir die Schwarzen Löcher in diesen einsamen Galaxien anschauen, können wir die Beziehung zwischen der Umgebung einer Galaxie und ihrer Entwicklung besser verstehen“, sagt Koautor Anish Aradhey von der Harrisonburg High School.
Verdächtige Lichtschwankungen
Das Problem dabei: Diese Galaxien haben oft eine besonders hohe Sternbildungsrate und ihr Zentrum ist von Staub verhüllt – das macht es schwer, die Aktivität ihres zentralen Schwarzen Lochs einzuschätzen. Bisherige Beobachtungen im optischen und Infrarotbereich haben diese Galaxien daher oft als inaktiv eingestuft. Constantin und ihr Team analysierten deshalb die im mittleren Infrarotbereich auftretenden Fluktuationen dieser Galaxien.
Anhand der Häufigkeit und des Spektrums dieser Schwankungen lässt sich ablesen, ob sie durch die Sternbildung oder aber durch das aktive Verschlingen von Materie am Schwarzen Loch verursacht werden. „Indem wir diese Variationen im mittleren Infrarot quantifizieren, können wir Schwarze Löcher detektieren, die sonst übersehen würden“, erklärt Aradhey. Für ihre Studie wertete das Team Daten des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) und des Infrarot-Weltraumteleskops AllWISE/NEOWISE für insgesamt 290.000 Galaxien aus.
Kleinere Einzelgänger-Galaxien sind aktiver
Das Ergebnis: Insgesamt sind die supermassereiche Schwarze Löcher in den kosmischen Ballungsräumen zwar tatsächlich häufiger aktiv. Dies gilt aber nur für große Galaxien und ihre besonders massereichen Schwarzen Löcher, wie die Astronomen berichten. Solche ohnehin schon massereiche und leuchtstarken Galaxien profitieren offenbar vom Gedrängel und den Turbulenzen in kosmischen Dichtezonen. In den eher leeren Voids bremst der Mangel an Wechselwirkungen ihr Wachstum dagegen aus.
Doch bei mittelgroßen und kleinen Galaxien kehrt sich dieser Trend um. Ihre zentralen Schwarzen Löcher sind in den Einzelgänger-Galaxien der Voids deutlich häufiger aktiv als im „urbanen“ Milieu. Das Team identifizierte unter diesen Galaxien rund 18 Prozent aktive Galaxienkerne, darunter 20.000, die mit den bisherigen Methoden übersehen worden waren. Entgegen gängiger Annahme bekommen die Schwarzen Löcher dieser Galaxien auch ohne Wechselwirkungen mit galaktischen Nachbarn genügend „Futter“, um aktiv zu sein und heranzuwachsen.
Widerspruch zur gängigen Annahme
„Dieses Resultat widerspricht unserem gängigen Verständnis darüber, wie sich Galaxien entwickeln“, sagt Constantin. Demnach sind für das Wachstum von Galaxie und zentralem Schwarzen Loch nicht unbedingt äußere Einflüsse und externes Material nötig. „Dies zeigt, dass diese isolierten Galaxien den sonst für die Sternbildung genutzten Rohstoff offenbar effizienter in ihr Zentrum leiten als ähnliche Galaxien in dicht gedrängten Umgebungen“, so die Astronomin. Wie genau dies passiert und warum, müssen nun künftige Untersuchungen zeigen. (242nd Meeting of the American Astronomical Society, 2023)
Quelle: James Madison University