Selbst nicht spezialisierte KI-Systeme wie ChatGPT können dabei helfen, neue Roboter zu entwickeln – vom ersten Konzept bis zur Auswahl der technischen Komponenten, wie nun ein Experiment bestätigt. In diesem fragten Forschende die künstliche Intelligenz, in welchem Bereich der Landwirtschaft ein neuer Roboter am hilfreichsten wäre und ließen sich dann Schritt für Schritt konkrete Vorschläge für Einsatzzweck und Konstruktionsdetails geben. Das Ergebnis war ein funktionsfähiger Roboter zur Tomatenernte.
Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT und Co können längst mehr als nur Texte und Bilder erstellen oder eloquent parlieren. Auch in Wissenschaft und Technik sind sie längst versiert. Lernfähige neuronale Netzwerke entschlüsseln Proteinstrukturen, entwerfen Quantenexperimente und agieren als Mathematiker. Das KI-System AlphaCode kann Computerprogramme genauso gut schreiben wie ihre menschlichen Konkurrenten und selbst die nicht speziell dafür ausgelegte KI ChatGPT kann Programmiercode schreiben.
Kann auch ein Sprachmodell Robotik?
Doch wie sieht es mit dem Design von Robotern aus? Kann ein nicht speziell darauf trainiertes KI-System wie ChatGPT ein Konzept und technische Details dafür liefern? Das hat ein Team um Francesco Stella von der Technischen Universität Delft ausprobiert. „Wir wollten ChatGPT nicht nur einfach irgendeinen Roboter designen lassen, sondern einen, der auch nützlich ist“, erklären die Forschenden.
Deshalb fragten Stella und sein Team den Chatbot zunächst, wo die größten Herausforderungen für die Menschheit liegen. Die Antwort darauf: Nahrungsversorgung, alternde Bevölkerung und Klimawandel. Die Forschenden wählten daraufhin die Landwirtschaft als Aktionsbereich und entwickelten im Gespräch mit ChatGPT nach und nach die Idee, einen Ernteroboter zu konstruieren. „ChatGPT hat unsere Expertise erweitert, indem er uns aufzeigte, bei welchen Nutzpflanzen eine Automatisierung der Ernte wirtschaftlich am sinnvollsten wäre“, erklärt Stella. KI und Forschende einigten sich auf einen Roboter für die Tomatenernte.
Technische Tipps auch ohne CAD-Fähigkeiten
Im nächsten Schritt ging es um den konkreten Aufbau des Ernteroboters und seine Konstruktionsdetails. Dafür stellten die Wissenschaftler ChatGPT gezielte Fragen dazu, wie beispielsweise der Greifer beschaffen sein müsste und welche Motoren geeignet wären. Das KI-System lieferte daraufhin Hinweise wie: Die Greifhand sollte aus Gummi oder Silikon bestehen, um die Tomaten nicht zu beschädigen. Oder: Ein Dynamixel-Motor wäre als Antrieb für den Roboter besonders gut geeignet.
Aufbauend auf diesen Dialogen entstand schließlich tatsächlich ein Roboter für die Tomatenernte. Nach Ansicht des Forschungsteams demonstriert dies, dass selbst nicht auf die Robotik spezialisierte KI-Systeme wie die Großen Sprachmodelle bei der Konzeption technischer Systeme wie der Roboter hilfreich sein können. „Obwohl die KI-Systeme noch keine ganzen CAD-Modelle erzeugen, Programmcode evaluieren oder einen Roboter automatisiert herstellen können, können sie den Designprozess in der Robotik unterstützen“, erklärt das Team.
Künstliche Intelligenzen als Roboter-Konstrukteure?
„Unsere Rolle als Ingenieure hat sich dabei verschoben hin zu einer mehr technischen Rolle“, sagt Stella. Nach Ansicht der Forschenden könnte sich daraus eine Kooperation ergeben, in der künstliche Intelligenzen entweder im Dialog mit dem Menschen oder sogar eigenständig das Konzept und den technischen Entwurf entsprechend bestimmter Vorgaben erstellen. Gekoppelt mit spezialisierten Industrierobotern könnte sogar die Konstruktion der Roboter automatisiert werden.
Allerdings: Mit den heutigen KI-Systemen ist eine solche vollautomatisierte Robotik noch nicht machbar – auch, weil sie noch zu oft fabulieren und falsche Ergebnisse liefern. „Die KI-Bots sind darauf ausgelegt, die wahrscheinlichsten Antworten zu liefern, daher besteht ein hohes Risiko für Fehlinformation und Verzerrungen auch im Bereich der Robotik“, sagt Koautor Cosimo della Santina von der TU Delft.
„Letztlich stellt sich die Frage, wie Große Sprachmodelle Robotik-Entwicklern helfen können, ohne die Kreativität und Innovation zu bremsen, die die Robotik benötigt, um die Herausforderungen des 21. Jahrhundert zu bewältigen“, sagt Stella. (Nature Machine Intelligence, 2023; doi: 10.1038/s42256-023-00669-7)
Quelle: Delft University of Technology