Klimaeffekt mit Hochspannung: Im östlichen Alpenraum ist die Gefahr eines Blitzschlags heute deutlich höher als noch vor 40 Jahren. In den Hochlagen der Alpen blitzt es heute sogar doppelt so oft wie noch 1980, wie eine Studie zeigt. Aber auch in anderen Teilen der Ostalpen und am Alpenrand ist die Blitzhäufigkeit signifikant gestiegen. Ursache dieser Blitzzunahme ist den Analysen zufolge die Erwärmung durch den Klimawandel – sie begünstigt die Bildung von Gewitterwolken.
Blitze sind die stärksten Entladungen der Atmosphäre, sie können bis zu einer Milliarde Volt erreichen und sogar Antimaterie erzeugen. Die meisten Blitze ereignen sich im schwülwarmen Klima der Tropen, aber auch bei uns kommt es vor allem im Sommer häufiger zu Gewittern. Deutsche Blitz-Hochburgen sind dabei das Alpenvorland und vor allem der östliche Alpenrand. Es gibt jedoch erste Hinweise darauf, dass mit dem Klimawandel und der globalen Erwärmung auch Gewitter und Blitze in einigen Regionen häufiger werden, darunter auch in der sommerlichen Arktis.
Blitzdaten, Wetteraufzeichnungen und ein Algorithmus
Ob diese Zunahme von Blitzen und Gewittern auch für den Alpenraum gilt, haben nun Thorsten Simon von der Universität Innsbruck und seine Kollegen näher untersucht. Dafür kombinierten sie in einem ersten Schritt Blitzdaten der letzten gut zehn Jahre für die europäischen Ostalpen mit Wetterdaten für diese Region. „Aus diesen Datensätzen erhalten wir Informationen über die Blitzaktivität mit nahtlosen Aufzeichnungen über das letzte Jahrzehnt“, erklärt Simon.
Im nächsten Schritt nutzte das Team lernfähige Algorithmen, um anhand der Wetterdaten das Auftreten von Blitzen mit den vor Ort herrschenden kleinräumigen Wetterbedingungen zu verknüpfen. „Dann haben wir mit dem maschinellen Lernverfahren und den meteorologischen Daten Blitzhäufigkeiten weiter in die Vergangenheit rekonstruiert, also für eine Zeit, in der es noch keine solchen Blitzmessungen gab“, erklärt Simon.
Das Resultat ist eine Rekonstruktion der Blitzaktivität von Wolke-Boden-Blitzen auf dem Gebiet der europäischen Ostalpen für die Zeit von 1980 bis 2019. Die räumliche Auflösung dieser Zeitreihe liegt bei 32 Kilometern, die zeitliche bei einer Stunde, wie das Team erklärt.
Doppelt so viele Blitze in den Hochalpen
Die Rekonstruktion enthüllt: In den letzten 40 Jahren hat die sommerliche Blitzhäufigkeit in den Ostalpen deutlich zugenommen – im Schnitt um rund fünf Prozent. „Bemerkenswert ist, dass mehr als ein Viertel der Gitterzellen in unserem Gebiet eine Blitzzunahme von mehr als einem Prozent pro Jahrzehnt erfahren hat“, berichten die Forschenden. Besonders ausgeprägt sind diese Veränderungen in den Hochalpen, am östlichsten Rand der Alpen und in einigen Teilen des italienischen Alpenrands.
„In den Hochalpen hat sich die Blitzaktivität in den 2010er Jahren im Vergleich zu den 1980er Jahren verdoppelt“, berichtet Simon. Auch am südlichen Alpenrand blitzt es während der gesamten Gewittersaison heute fast doppelt so oft wie noch vor 40 Jahren. Eine ähnliche, wenn auch schwächere Entwicklung konnte das Team fast im gesamten Bereich der Ostalpen feststellen. „Nördlich der Alpen im Bayrisch-Böhmischen Wald ist der Trend zwar schwächer, aber dennoch signifikant positiv“, berichten sie.
Stärkere tages- und jahreszeitliche Schwankungen
Die Zeitreihe zeigt auch, dass sich die typischen Schwankungen der Blitzaktivität im Tages- und Jahresverlauf intensiviert haben. „Im Tagesverlauf ist der Höhepunkt um bis zu 50 Prozent stärker, wobei es mehr Blitze am Nachmittag und Abend gibt“, berichtet Simon. Auch der jährliche Peak der Blitzhäufigkeit im späten Frühjahr und Frühsommer hat sich in den letzten 40 Jahren verstärkt: „In den hochgelegenen Bereichen der Ostalpen erreicht die Blitzsaison ein stärkeres Maximum und beginnt einen Monat früher“, so der Forscher.
Die Kenntnis dieser Trends ist nicht nur meteorologisch interessant – sie hat ganz praktische Bedeutung. Denn Blitze stellen gerade in Gebirgsregionen eine erhebliche Gefahr für Mensch, Vieh und technische Geräte dar. „Das ist nicht zuletzt für die entsprechende Entwicklung präventiver Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den möglichen Schäden durch Blitzeinschläge wichtig“, sagt Simon.
Klarer Zusammenhang mit dem Klimawandel
Als Ursache für die Zunahme der alpinen Blitze und Gewitter sehen die Wissenschaftler den Klimawandel und die mit ihm verbundenen Veränderungen des Wetters in den Alpen. Den Analysen zufolge stieg die Blitzhäufigkeit nahezu proportional zu der zwei Meter über Grund gemessenen Temperatur und zur Konvektionsenergie der Luftmassen. Andere Faktoren spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle.
„Unsere Analysen haben ergeben, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen die Gewitter- und damit Blitzhäufigkeit noch weiter steigen lassen“, sagt Simon. „Dass dieser Trend so eindeutig im Einklang mit den globalen Veränderungen des Klimasystems steht, hat uns auch überrascht.“ (Climate Dynamics, 2023; doi: 10.1007/s00382-023-06786-8)
Quelle: Universität Innsbruck