Exotisches Paar: Werden Wasser und Graphen kombiniert, kommt es zu einzigartigen Wechselwirkungen wie der Quantenreibung. Jetzt enthüllt ein Experiment, was hinter diesem Phänomen steckt und wie es sich auf atomarer Ebene auswirkt. Demnach gibt es einen nur bei Wassermolekülen beobachtbaren Resonanzeffekt zwischen den Molekülschwingungen und den Schwingungen der Graphenelektronen. Dies ermöglicht einen direkten Energieaustausch und erzeugt die exotischen Effekte, wie Physiker in „Nature Nanotechnolgy“ berichten.
Wasser und Graphen sind beides Materialien mit exotischen Eigenschaften: Wasser verblüfft durch Phänomene wie die Dichteanomalie, exotische Zustände und mehr als ein Dutzend verschiedener Eis-Gitterstrukturen. Das einlagige Kohlenstoffmaterial Graphen zeigt dagegen ungewöhnliche mechanische und elektronische Eigenschaften, darunter auch die Supraleitung.
Quantenreibung: Interaktion mit Elektronen statt nur dem Atomgitter
Noch exotischer aber wird es, wenn man beide Materialien miteinander kombiniert: Wasser strömt auf einer Kohlenstoffoberfläche oder in Kohlenstoff-Nanoröhrchen schneller als es eigentlich dürfte. Aber warum? Einer neuen Theorie zufolge kommt es beim Kontakt von Wasser mit Kohlenstoff zu einer besonderen Art der Interaktion, der sogenannten Quantenreibung. Bei dieser treten die Wassermoleküle mit den Elektronen des Kohlenstoffgitters in eine Resonanz und tauschen Energie aus.
Das Besondere daran: Normalerweise interagieren Flüssigkeiten und Festkörper nur über die Gitterschwingungen des Festkörpers, die sogenannten Phononen. Über sie gibt beispielsweise eine heiße Oberfläche ihre Wärmeenergie an das umgebende Wasser ab und heizt es auf. Für die ebenfalls angeregten Elektronen des Festkörpers sind die Flüssigkeitsmoleküle dagegen „blind“ – mit ihnen können sie nicht direkt wechselwirken. Nur beim Wasser scheint dies anders zu sein, so zumindest die theoretische Annahme.
Vergleichstest mit Wasser und Alkoholen
Jetzt ist es Forschenden um Xiaoqing Yu vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz gelungen, diese Quantenreibung des Wassers auch experimentell zu belegen. Dafür regten sie zunächst eine Graphenschicht mithilfe ultrakurzer Pulse eines Nahinfrarot-Lasers an. Um zu verfolgen, wie schnell die Elektronen des Graphens ihre Energie wieder abgeben, nutzten die Physiker Terahertzpulse. Deren Absorption verrät den Energiegehalt und damit die Temperatur der Graphen-Elektronen.
In mehreren Versuchsdurchgängen leiteten die Forschenden während dieser Tests verschiedene polare Flüssigkeiten über die Graphen-Oberfläche: Wasser, schweres Wasser, Methanol und Ethanol. „Die Graphenelektronen können ihre Anregung entweder durch direkte Interaktion mit der Flüssigkeit verlieren oder aber durch die Phononen“, erklärt das Team. Wenn die Theorie von der Quantenreibung stimmt, müsste zumindest beim Wasser eine direkte Wechselwirkung von Graphenelektronen und Wassermolekülen nachweisbar sein.
Doppelt so schnelle Abkühlung beim Wasser
Tatsächlich zeigten sich deutliche Unterschiede: „Methanol und Ethanol hatten fast keinen Effekt auf die Abkühlungszeit der Elektronen“, berichten Yu und ihre Kollegen. Diese Flüssigkeiten verhalten sich demnach wie nach der klassischen Theorie erwartet: Sie sind für die Elektronen blind und interagieren nur mit den Gitterschwingungen des Graphens. Anders war dies beim Wasser: In seiner Präsenz kühlten sich die Graphenelektronen fast doppelt so schnell ab wie bei den beiden Alkoholen.
„Dies war ein weiterer Hinweis darauf, dass das Paar aus Wasser und Kohlenstoff besonders ist“, sagt Seniorautor Nikita Kavokine vom MPI für Polymerforschung. Die naheliegende Erklärung für diesen Unterschied wäre die Quantenreibung – der direkte Energieaustausch zwischen den Elektronen und den Wassermolekülen. „Wir interpretieren die schnellere Abkühlung als Signatur dieses Energietransfers zwischen Elektronen und Flüssigkeit“, so das Team.
Resonante Schwingungen
Nähere Analysen enthüllten auch, warum nur Wasser und Kohlenstoff diese Quantenreibung zeigen: Die natürlichen Schwingungen der Wassermoleküle, die sogenannte Hydronen, sind mit den Schwingungen der Graphenelektronen, den sogenannten Plasmonen, synchron. Dadurch kann es zu einem Resonanzeffekt kommen, der die Quantenreibung ermöglicht und damit die Wärmeübertragung zwischen Graphen und Wasser verstärkt, wie Yu und ihre Kollegen erklären.
Die Experimente bestätigen somit den theoretisch postulierten Mechanismus der Quantenreibung zwischen Kohlenstoff-Oberflächen und Wasser. „Unsere Ergebnisse sind nicht nur für Physiker interessant, sondern haben auch Auswirkungen auf Elektrokatalysen und Photokatalysen an der Fest-Flüssig-Grenzfläche“, sagt Yu. Auch für Prozesse wie die Filtration oder Entsalzung könnten die neuen Erkenntnisse praktische Auswirkungen haben. Denn mit dem Wissen um die Quantenreibung könnte man Materialien und Prozesse optimieren. (Nature Nanotechnology, 2023; doi: 10.1038/s41565-023-01421-3)
Quelle: Max-Planck-Institut für Polymerforschung