Auch ökonomisch sinnvoll: Grüner Wasserstoff aus Deutschland könnte laut neuer Analysen kostengünstiger sein als der H2-Import per Schiff. Demnach liegen die Bereitstellungskosten für hierzulande produzierten Wasserstoff bis 2030 bei sieben bis 13,5 Cent pro Kilowattstunde, bis 2050 bei nur noch 6,7 bis 8,5 Cent pro Kilowattstunde. Damit wäre die heimische Elektrolyse wirtschaftlicher als ein Schiffstransport aus Nordafrika. Um die Nachfrage zu decken, müssten allerdings die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden.
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Denn das energiereiche Gas kann mittels Elektrolyse oder solarer Wasserspaltung aus Wasser gewonnen werden und setzt bei der Verbrennung kein Kohlendioxid frei. Wird die Energie für die Wasserspaltung aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Wind gewonnen, ist Wasserstoff daher klimaneutral. Die Forschung an immer effizienteren Elektrolyseuren und Solar-to-Gas-Verfahren läuft daher weltweit auf Hochtouren.
Allerdings ist die Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion erst im Aufbau. Bisher gibt es weder in Deutschland noch anderswo genügend Elektrolyseanlagen, um den prognostizierten Bedarf zu decken.
Woher soll der Wasserstoff kommen?
Doch wo sollte am ehesten in den Bau von Wasserstoff-Produktionsanlagen investiert werden? Und welcher grüne Wasserstoff wäre am kostengünstigsten? Bisher sehen die Pläne der Bundesregierung vor, Wasserstoff für den heimischen Bedarf primär aus dem Ausland zu beziehen, weil er beispielsweise in Nordafrika und anderen sonnenreichen Ländern günstiger und reichlicher produziert werden kann als hierzulande. Allerdings muss der Wasserstoff dann verflüssigt und per Schiff nach Europa transportiert werden.
Wie es in Deutschland mit den Kosten und dem Bedarf an grünem Wasserstoff in der näheren Zukunft aussieht, haben nun Frank Merten und Alexander Scholz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in einer Metaanalyse untersucht. Dafür werteten sie zwölf Studien aus, die seit 2021 erschienen sind und in denen Wasserstoffkosten und -bedarf für die nahe Zukunft bis 2040 und die mittelfristig bis 2050 untersucht wurden.
Starke Zunahme des Bedarfs bis 2050
Aktuellen Prognosen zufolge wird sich der deutsche Wasserstoffbedarf von aktuell 55 Terawattstunden pro Jahr bis 2030 fast verdoppeln. Bis 2050 gehen Schätzungen von einem H2-Gesamtbedarf von jährlich etwa 200 bis 700 TWh aus, davon benötigt die Industrie je nach Szenario zwischen 75 bis 360 TWh und die Energiewirtschaft zwischen 15 und 375 TWh. Die große Spanne kommt vor allem dadurch zustande, dass einige Szenarien den Einsatz von Wasserstoff im Verkehr und zur Heizung von Gebäuden vorsehen, andere dagegen nicht.
Damit zeichnet sich ab, dass die Nachfrage nach grünem Wasserstoff das Angebot deutlich übersteigen könnte – vor allem, wenn Verkehr und Gebäude miteinbezogen werden. „Sowohl die inländische H2-Produktion als auch die H2-Importe werden kurz- bis mittelfristig nicht mit der stark steigenden H2-Nachfrage Schritt halten können“, sagen die Forscher.
Verkehr und Gebäude müssen warten
Umso wichtiger ist es nach Ansicht der Wissenschaftler, zunächst die Abnehmer zu priorisieren, die Wasserstoff zwingend brauchen, weil deren Prozesse nicht anders dekarbonisierbar oder elektrifizierbar sind. „Dazu zählen die Herstellung von Ammoniak, Primärstahl, Grundstoffchemikalien und ausgewählten Raffinerie-Produkten sowie teilweise die Erzeugung von Hochtemperatur-Prozesswärme und gegebenenfalls der Schwerlastverkehr“, erklären Merten und Scholz.
Eine Begrenzung der Nachfrage auf diese „No-Regret-Anwendungen“ helfe, die künftige Wasserstoff-Nachfrage zu begrenzen – und somit auch die erforderlichen Erzeugungs- und Importmengen. Der Gesamtbedarf könnte dadurch je nach Szenario um 40 bis 470 TWh verringert werden. „Ein umfangreicher Einsatz von Wasserstoff im Gebäude- und Verkehrssektor ist dagegen aus heutiger Perspektive nicht zu empfehlen“, sagt Merten.
Was kostet grüner Wasserstoff aus Deutschland?
Die nächste Frage ist, woher der benötigte Wasserstoff kommen könnte – und wie die Produktions- und Bereitstellungskosten dafür aussehen. Hier kommt die neue Studie zu einem überraschenden Ergebnis: Grüner Wasserstoff aus heimischer Produktion ist durchaus wettbewerbs- und konkurrenzfähig – vor allem im Vergleich zu Importen per Schiff. Dies liegt unter anderem an sinkenden Kosten für die Elektrolyseure, setzt aber einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien voraus.
Der Metanalyse zufolge lägen die Produktionskosten für Wasserstoff aus Deutschland bis zum Jahr 2030 bei sieben bis 13,5 Cent pro Kilowattstunde, bis zum Jahr 2050 könnte dies auf 6,7 bis 8,5 Cent/KWh sinken. „Das ist im Gesamtvergleich in vielen Fällen konkurrenzfähig zum H2-Import per Pipeline und Schiff“, berichten Merten und Scholz. Zum Vergleich: Für den Import von Wasserstoff aus Nordafrika prognostizieren die Szenarien Kosten von im Mittel 10,6 Cent/KWh bis 2030 und 6,9 Cent/KWh bis 2050.
„Der Vergleich zu den angenommenen Produktionskosten für Deutschland zeigt, dass die heimische Produktion Kostenparität erreichen kann“, so die Forscher.
„Neue Importabhängigkeit vermeiden“
Nach Ansicht der Wissenschaftler wäre es demnach durchaus sinnvoll und lohnend, nicht allein auf Wasserstoff-Importe zu setzen, sondern auch die heimische Wasserstoffproduktion gezielt zu fördern. „Die Stärkung einer heimischen, grünen Wasserstoffwirtschaft ist nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Wertschöpfung im eigenen Land sinnvoll“, betont Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertal Instituts. Eine ambitionierte Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland und Europa sei aus ökonomischen Gründen sinnvoll und energietechnisch möglich.
„Außerdem haben wir in Deutschland ausreichend Potenzial erneuerbarer Energien, um signifikante Teile des benötigten Wasserstoffs herzustellen“, ergänzt Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW. „Die Bundesregierung sollte deshalb von vornherein vermeiden, dass es beim Wasserstoff zu einer ähnlich hohen Importabhängigkeit kommt wie bei Erdöl und Erdgas.“ (Studie: Metaanalyse zu Wasserstoffkosten und -bedarfen für die CO2-neutrale Transformation, 2023; doi: 10.48506/opus-8344)
Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie