Physik

Elektron: Seine Ladung ist doch rund

Genauester Messwert für das elektrische Dipolmoment des Elektrons bestätigt das Standardmodell

Vakuumkammer
In dieser Vakuumkammer mit Ionenfalle haben Physiker das elektrische Dipolmoment des Elektrons neu vermessen. © Casey A. Cass/ University of Colorado

Kein Symmetriebruch in Sicht: Physiker haben eine fundamentale Eigenschaft des Elektrons neu vermessen – sein elektrisches Dipolmoment (eEDM). Der neue Wert verrät, dass die Ladung des Elektrons exakt kugelförmig ist und dadurch auch bei einer Umkehr der äußeren elektrischen Feldrichtung symmetrisch reagiert, wie das Team in „Science“ berichtet. Dies bestätigt das Standardmodell und liefert damit leider keine Hinweise auf Symmetrieverletzungen, die beispielsweise die Dominanz der Materie über Antimaterie erklären könnten.

Bisher hat das physikalische Standardmodell alle Tests bestanden – aber in ihm klaffen riesige Lücken: Es kann nicht erklären, was Dunkle Energie und Dunkle Materie sind und auch die Gravitation oder die Dominanz von Materie über Antimaterie im heutigen Universum kommen in ihm nicht vor. Wissenschaftler vermuten deshalb, dass es noch unbekannte Kräfte oder Teilchen geben muss. Diese könnten sich dadurch verraten, dass sie mit den bekannten Komponenten unseres Universums interagieren und Eigenschaften oder Reaktionen auf subtile Weise beeinflussen.

Wie rund ist die Elementarladung des Elektrons?

Ein mögliches Indiz für solche verborgenen Einflüsse neuer Physik ist das elektrische Dipolmoment des Elektrons (eEDM). Dieses gibt an, welche Form die Elementarladung des Elektrons hat und wie sie auf ein äußeres elektrisches Feld reagiert. Dem Standardmodell nach müsste die Ladung symmetrisch reagieren und nahezu exakt kugelrund sein. Die Abweichung von einem eEDM-Wert von Null dürfte bei maximal 10-38 e cm liegen (e steht für Elementarladung).

Ist die Elementarladung des Elektrons hingegen „unrund“, dann würde dies einen Symmetriebruch nach sich ziehen. Denn das Teilchen kann dann nicht mehr räumlich oder zeitlich gespiegelt werden, ohne dass Abweichungen auftreten. Eine solche Symmetrieverletzung gilt als möglicher Grund dafür, warum es im Kosmos heute mehr Materie als Antimaterie gibt. Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass dies am Dipolmoment liegt: Bisher standen alle Messergebnisse für den eEDM-Wert im Einklang mit dem Standardmodell – sind allerdings noch nicht genau genug.

„Eine Messung von eEDM größer als Null wäre bei unserer momentanen Messgenauigkeit in eindeutiges Signal für neue Physik“, erklären Tanya Roussy von US National Institute of Standards and Technology (NIST) und ihre Kollegen. „Eine präzisere, aber weiterhin mit dem Standardmodell übereinstimmende Messung würde dagegen vielen gängigen Erklärungen für das Materie-Antimaterie-Ungleichgewicht herausfordernde Grenzen setzen.“

Intramolekulares Feld als Messhelfer

Die Physiker um Roussy haben deshalb das elektrische Dipolmoment des Elektrons erneut vermessen – mit einer anderen Methode und genauer als zuvor. Dafür ermittelten sie, wie symmetrisch das Elektron und seine Ladung auf eine Umpolung eines äußeren elektrischen Feldes reagiert. Ähnlich wie frühere Messungen nutzten sie dafür keine isolierten Elektronen, sondern Elektronen in einem ionisierten Molekül, dem Hafniumfluorid-Ion (HfF+).

Der Vorteil dabei: „Intramolekulare elektrische Felder können hunderttausendfach stärker sein als alles im Labor erzeugte“, erklärt das Team. Gleichzeitig reicht ein verhältnismäßig schwaches externes Feld aus, um die Polarisierung der Moleküle zu verändern und damit auch die Ausrichtung des internen elektrischen Felds. Roussy und ihre Kollegen nutzten komplexe spektroskopische Methoden, um die Energie der Moleküle und damit auch ihrer Messelektronen bei Gleichrichtung und Gegenrichtung seiner Elementarladung zum Molekülfeld zu messen.

Kein Hinweis auf Abweichungen

Das Ergebnis: Nach Vermessung von rund 20.000 Molekülen kamen die Forschenden auf einen Wert für das elektrische Dipolmoment des Elektrons, der weiterhin auf Linie mit dem Standardmodell liegt. „Unser Ergebnis ist mit Null vereinbar“, berichten Roussy und ihre Kollegen. Demnach kann der eEDM-Wert nicht höher als 4,1 x 10-30 e cm liegen.

Dieses Resultat bestätigt damit die früheren, mit anderen Methoden erzielten Ergebnisse und erhöht die Messgenauigkeit gleichzeitig um den Faktor 2,4. Im Hinblick auf „neue Physik“ und noch unerkannte Teilchen bedeutet dies, dass deren Raum weiter eingeengt wird. Auch einige Hypothesen und Theorien zu noch unbekannten Teilchen oder Kräften lassen sich mit diesem Messwert widerlegen, wie Roussy und ihre Kollegen erklären.

Trotzdem noch Raum für „neue Physik“

Andererseits lassen die Messungen noch immer Luft für neue Physik, wie auch Mingyu Fan und Andrew Jayich von der University of California in Santa Barbara betonen: „Der vom Standardmodell vorhergesagte eEDM-Wert von maximal 10-38 e cm ist noch immer fast eine Milliarde Mal kleiner als der jetzt von Roussy und ihrem Team gemessene“, schreiben die beiden Physiker in einem begleitenden „Science“-Kommentar. „Das gibt künftigen Experimenten mit höheren Sensitivitäten noch reichlich Raum für Entdeckungen.“ (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adg4084)

Quelle: Science, American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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