Sonnensystem

Erstes außerirdisches Granitvorkommen entdeckt

Thermische Anomalie auf dem Mond deutet auf granitischen Vulkankomplex hin

Compton-Belkovich-Anomalie
Zwischen den Mondkratern Compton und Belkovich haben Forschende eine thermische Anomalie in der lunaren Kruste nachgewiesen (rot). Sie deutet auf einen alten, granitischen Vulkankomplex hin. © Matthew Siegler/ Planetary Science Institute

Granitgestein galt bisher als typisch irdisches Phänomen – nur auf unserem Planeten kommen diese silikatreichen Gesteine in größerer Menge vor. Doch jetzt könnten Forschende den ersten außerirdischen granitischen Vulkankomplex entdeckt haben: auf dem Mond. Indizien dafür liefert eine Anomalie zwischen den lunaren Einschlagskratern Compton und Belkovich: Dort deuten ein ungewöhnlicher Wärmeüberschuss und hohe Thoriumwerte auf die Präsenz eines großen  Vorkommens erstarrten, granitischen Magmas hin, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Der größte Teil der Mondkruste besteht aus Basalt – einem silikatarmen vulkanischen Gestein, das auf der Erde für die ozeanische Kruste typisch ist. Anders auf der Erde: Hier wandelte sich das silikatarme Gestein der Urkruste durch mehrmaliges Aufschmelzen und Erstarren allmählich in die Granite der kontinentalen Kruste um – die Plattentektonik und die durch sie erzeugten Subduktionszonen und Gebirge machten dies möglich.

Compton-Berkovich-Anomalie Thorium
Bei der Kartierung der lunaren Thoriumgehalte tritt die Compton-Berkovich-Anomalie (C-B) deutlich hervor. © NASA/GSFC/ ASU/WUSTL

Lunare Anomalie im Visier

Unser Planet ist damit geologisch ziemlich einzigartig: Auf keinem anderen Himmelskörper im Sonnensystem wurden bisher Granitvorkommen nachgewiesen. Allerdings finden sich in einigen Mondgesteinsproben der Apollo-Missionen vereinzelte Körnchen granitischen Materials – meist in Verbindung mit erhöhten Gehalten an Thorium und anderen radioaktiven Isotopen. Doch ob diese Granitkörnchen aus lunaren Granitvorkommen stammen oder nur mit Einschlägen auf den Mond gelangt sind, war bisher unklar.

Jetzt könnte diese Frage geklärt sein. Denn Matthew Siegler vom Planetary Science Institute in Tucson und seine Kollegen haben erstmals ein lunares Granitvorkommen aufgespürt. Ausgangspunkt dafür war eine geologische Anomalie zwischen den beiden Einschlagskratern Compton und Belkovich. Dort haben Orbitersonden eine ungewöhnliche Anreicherung von Thorium und anderen radioaktiven Elemente nachgewiesen. Relikte vulkanischer Schlote und Lavadome deuten zudem darauf hin, dass es sich dort ein urzeitlicher Vulkankomplex liegen könnte.

Überraschender Wärmeüberschuss

Für ihre Studie haben Siegler und sein Team Daten der beiden chinesischen Orbitersonden Chang’e 1 und Chang’e 2 ausgewertet, die die Mondoberfläche im Mikrowellenbereich von drei bis 37 Gigahertz abtasten. „Mikrowellen haben eine längere Wellenlänge als Infrarot und können deshalb auch Temperaturen unterhalb der Oberfläche anzeigen“, erklärt Siegler. Daher eignen sie sich besonders gut, um zu ergründen, was sich unter der Compton-Belkovich-Anomalie verbirgt.

Die Auswertungen enthüllten: Unter der Oberfläche dieser rätselhaften Formation ist die Mondkruste neun Grad wärmer als im lunaren Durchschnitt. „Diese vermutete Vulkanregion glühte geradezu im Mikrowellenlicht“, sagt Siegler. „Dieser Hotspot war weder durch die Topografie, oberflächliche Gesteinsverteilung noch die Materialeigenschaften erklärbar und war zu allen Tageszeiten und in allen Frequenzen zu sehen.“ Die Forschenden ermittelten unter der Compton-Belkovich-Anomalie einen Wärmefluss von bis zu 180 Milliwatt pro Quadratmeter.

„Das ist der größte bisher detektierte Wärmefluss auf dem Mond, er hat rund das 20-Fache des für das lunare Hochland typischen Werts von fünf bis zehn Milliwatt pro Quadratmeter“, schreiben die Wissenschaftler.

Radioaktiver Zerfall als Wärmequelle?

Doch woher kommt diese überschüssige Wärme? „Die einzige Erklärung dafür ist, dass es irgendwo in der tieferen Mondkruste eine Quelle zusätzlicher Wärme geben muss“, sagt Siegler. Bei irdischen Vulkanen oder einem bis heute anhaltenden Mondvulkanismus wäre eine Magmakammer mit schmelzflüssigem Gestein die naheliegende Quelle. Aber der Compton-Belkovich-Vulkankomplex brach vor rund 3,5 Milliarden Jahren zuletzt aus. Der jetzt detektierte Wärmeüberschuss kann daher nicht von heißem Magma stammen.

Die unter der lunaren Anomalie detektierte Wärme muss stattdessen aus radioaktiven Zerfallsprozessen im Untergrundgestein stammen, wie die Wissenschaftler erklären. Das würde auch zu der Thorium-Anreicherung an der Oberfläche dieser Zone passen. Um dieser Spur nachzugehen, nutzten Siegler und seine Kollegen geophysikalische Modelle, die Thoriumgehalte und Wärmefluss verschiedener Gesteinstypen simulierten.

GRanitvorkommen
Mittels Modell ermittelte Lage und Größe des granitischen Batholithen unter dem Compton-Berkovich-Komplex. © Matthew Siegler/ Planetary Science Institute

Riesiges Granitvorkommen unter der Oberfläche

Dabei zeigte sich: Das normale lunare Basaltgestein kann diesen Wärmefluss und die dafür nötige Thorium-Anreicherung nicht erklären. Besser passt dagegen ein Modell, bei dem unter dem oberflächennahen Vulkangebiet eine große Ansammlung granitischen Gesteins liegt. Diese muss in rund 7,5 Kilometer Tiefe beginnen und 30 Kilometer tief hinabreichen, wie Siegler und sein Team ermittelten. Der Durchmesser dieses großen Granitvorkommens liegt dem Modell zufolge bei rund 53 Kilometer.

Damit könnte unter der Compton-Belkovich-Anomalie ein sogenannter granitischer Batholith liegen – ein großer, vollständig erkalteter und auskristallisierter Magmakörper, der durch wiederholten Einstrom von schmelzflüssigem Gestein in eine große Magmakammer entstanden ist. Weil das ältere Magma bei jeder dieser Episoden wieder aufschmolz, wandelte sich der ursprüngliche Basalt allmählich in granitisches Gestein um – und reicherte dabei auch radioaktive Elemente an, wie die Forschenden erklären.

Erster Beleg für granitischen Mondvulkanismus

Nach Ansicht der Forschenden sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass es unter dem Compton-Belkovich-Komplex große Mengen an Granitgestein gibt. Sollte sich dies bestätigen, könnte die Anomalie auf der lunaren Rückseite der erste Beleg für einen granitischen Vulkanismus auf dem Mond sein. „Das überraschende Ausmaß dieser Struktur spricht für ein erdähnliches, entwickeltes granitisches System, das größer ist, als man es für den Mond für möglich gehalten hat“, schreiben Siegler und seine Kollegen.

Gleichzeitig wäre dies der erste Nachweis einer Granitgesteinsformation jenseits unseres Planeten. „Ein solches Phänomen war zuvor nur von der Erde bekannt“, erklären Siegler und sein Team. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06183-5)

Quelle: Planetary Science Institute

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