Astronomie

Astronomen entdecken einen Spiegel-Planeten

Wolken aus spiegelndem Metall verleihen heißem Exoplaneten die höchste bekannte Albedo

Exoplanet LTT9779
Der Exoplanet LTT9779b (rechts) reflektiert 80 Prozent des auftreffenden Lichts – so viel wie kein anderer bekannter Planet. © Ricardo Ramírez Reyes/ Universidad de Chile

Überraschender Fund: Astronomen haben einen Exoplaneten entdeckt, der einem riesigen Spiegel gleicht. Seine Atmosphäre reflektiert 80 Prozent des einfallenden Lichts – so viel wie bei keinem anderen bekannten Planeten. Möglich ist diese hohe Albedo dank Wolken aus Metallen und Silikaten, die das Licht des nahen Sterns zurückwerfen. Diese spiegelnde Wolkenschicht könnte auch erklären, warum dieser „ultraheiße Neptun“ überhaupt eine Atmosphäre besitzt – denn eigentlich dürfte sie gar nicht mehr existieren.

Unter den tausenden bisher bekannten Exoplaneten sind auch einige, die ihre Muttersterne sehr eng umkreisen – oft benötigen sie weniger als einen Tag für einen Umlauf. Dadurch heizt sich die Oberfläche dieser Planeten so stark auf, dass selbst Metalle wie Eisen oder Titan verdampfen und Moleküle in ihre atomaren Bestandteile zerfallen. Durch die intensive Strahlung des nahen Sterns wird zudem ein großer Teil der Exoplaneten-Gashülle ins All hinausgerissen.

Viele dieser sternennahen, heißen Exoplaneten sind deswegen Gesteinsplaneten ohne Atmosphäre wie der nur 40 Lichtjahre entfernte TRAPPIST-1b. Andere sind massereiche heiße Jupiter, deren große Schwerkraft ihre Gashülle trotz des starken Sternenwinds festhalten kann.

„Dieser Planet dürfte eigentlich nicht existieren“

Umso überraschter waren Astronomen, als sie im Jahr 2020 den Exoplaneten LTT9779b entdeckten. Dieser Planet liegt rund 264 Lichtjahre von uns entfernt und umkreist seinen sonnenähnlichen Mutterstern sehr nah: Für einen Umlauf benötigt er nur 19 Stunden und seine Tagseite wird dabei bis auf fast 2.100 Grad aufgeheizt. Das Erstaunliche jedoch: LTT9779b ist kein heißer Jupiter, sondern nur rund neptungroß. Er ist rund 4,7-mal so groß wie die Erde, 29 Erdmassen schwer – und besitzt eine dichte Atmosphäre.

„Damit dürfte dieser Planet eigentlich gar nicht existieren“, sagt Koautorin Vivien Parmentier vom Observatorium der Côte d’Azur. „Bei solchen Planeten müsste der Stern die Gashülle längst weggerissen haben, übrig bleiben dürfte nichts als blanker Fels.“ Doch bei LTT9779b war dies nicht der Fall, wie Beobachtungen unter anderem mit dem TESS-Weltraumteleskop der NASA nahelegten. Der Exoplanet war damit der erste Vertreter der sogenannten ultraheißen Neptune.

Erforschung von LTT9779b
Beobachtung der Exoplaneten-Transits und der wahrscheinliche Aufbau der Atmosphäre von LTT9779b. © ESA

Zehn „umgekehrte“ Eklipsen

Doch wie hat LTT9779b es geschafft, seine Atmosphäre festzuhalten? Um das herauszufinden, haben die Astronomen um Parmentier und Erstautor Sergio Hoyer vom Astrophysikalischen Laboratorium Marseille den heißen Exoplaneten mit dem europäischen CHEOPS-Weltraumteleskop ins Visier genommen. Dieses ist speziell dafür ausgelegt, mithilfe von Transits die Eigenschaften von bekannten Exoplaneten zu erkunden, darunter neben Größe und Masse auch die Strahlung, die vom Planeten und seiner Atmosphäre abgegeben wird.

Das Team beobachtete den Planeten LTT9779b mithilfe von CHEOPS zehnmal dabei, wie er erst neben seinem Stern stand und dann hinter seinem Stern vorüberzog. Dies ermöglichte es den Astronomen das vom Exoplaneten abgestrahlte Licht von dem seines Sterns zu unterscheiden. Hochauflösende Spektren dieses Lichts verrieten zudem mehr über Temperaturen und Zusammensetzung der Planetenatmosphäre.

80 Prozent Reflexion – planetarer Rekord

Es zeigte sich Überraschendes: LTT9779b reflektiert 80 Prozent des von seinem Stern eingestrahlten Lichts – so viel wie kein anderer bekannter Planet. Der heiße Neptun wirft fast so viel Licht zurück wie ein Spiegel. Selbst Venus, die durch ihre dichte, helle Wolkendecke eine Albedo von rund 75 Prozent hat, bleibt hinter der spiegelnden Atmosphäre dieses heißen Neptuns zurück, wie die Astronomen berichten. Die Erde erscheint mit ihrer Albedo von nur rund 30 Prozent gegenüber LTT9779b gerade zu dunkel.

Erstaunlich ist dies aber noch aus einem anderen Grund: Um so viel Licht zu reflektieren, muss ein Planet entweder von Eis bedeckt sein oder eine helle, dichte Wolkendecke besitzen. LTT9779b ist jedoch für beides eigentlich viel zu heiß: Bei einer Temperatur von mehr als 2.000 Grad sind die meisten Elemente und Moleküle gasförmig und dürften nicht zu flüssigen oder kristallinen Wolkenpartikeln auskondensieren. „Die von uns gemessene Albedo erfordert aber Wolken, die trotz der hohen Einstrahlung auf der Tagseite bestehen“, erklären die Forschenden.

LTT9779b – ein Planet mit spiegelnden Metallwolken.© ESA/ Ricardo Ramírez Reyes (Universidad de Chile)

Übersättigt mit Metallen

Wie aber können solche Wolken dort existieren? „Es war uns wirklich ein Rätsel, bis wir darauf kamen, dass die Wolkenbildung hier ähnlich ablaufen könnte wie im Badezimmer bei der Kondensation von Wasser nach einer ausgiebigen Dusche“, sagt Parmentier. „Das Wasser kondensiert dann entweder aus, weil es auf eine kalte Fläche wie den Badezimmerspiegel trifft oder weil die Luft irgendwann so stark mit Wasserdampf gesättigt ist, dass sie die Feuchtigkeit nicht mehr halten kann.“

Letzteres ist auch bei LTT9779b der Fall – nur dass dort statt Wasser Metalle und Silikate auskondensieren. Wie die Astronomen ermittelten, muss die Atmosphäre des Exoplaneten ungewöhnlich stark mit Metallen wie Titan und Eisen angereichert sein. Ihren Berechnungen zufolge enthält die Gashülle von LTT9779b mindestens 400-mal so viel Metalle wie die Hülle der Sonne. Dadurch kommt es zu einer Übersättigung und die Metalle und Silikate kondensieren zu Wolken.

„Stellen Sie sich eine glühende Welt vor, in der schwere Wolken aus Metallen am Himmel stehen und es Titantropfen regnet“, sagt Koautor James Jenkins von der Diego Portales Universität in Chile.

Schutz vor Hitze und Sternenwind

Die metallischen Wolken verleihen LTT9779b seine erstaunlich hohe Albedo, gleichzeitig könnten sie erklären, warum er seine Atmosphäre noch nicht verloren hat. „Weil die Wolken das Licht reflektieren, verhindern sie, dass sich der Planet noch stärker aufheizt“, sagt Hoyer. „Gleichzeitig macht der hohe Metallgehalt den Planeten und seine Atmosphäre schwer und erschwert ihr Wegreißen.“ Dadurch konnte der ultraheiße Neptun seine Gashülle behalten, obwohl er so nah an seinem Stern kreist und viel kleiner ist als ein „heißer Jupiter“.

Die Astronomen hoffen nun, durch weitere Beobachtungen mehr über diesen exotischen Exoplaneten und seine Metallwolken herauszufinden. „LTT9779b ist ein ideales Ziel für Folgeuntersuchungen mit den Weltraumteleskopen Hubble und James-Webb“, kommentiert Emily Rickman von der europäischen Raumfahrtagentur ESA. „Sie werden es uns erlauben, diesen Exoplaneten in einem breiteten Wellenlängenspektrum vom Infrarot bis zum Ultraviolett zu erkunden. Das könnte helfen, die atmosphärische Zusammensetzung dieses Exoplaneten besser zu verstehen.“ (Astronomy & Astrophysics, 2023; doi: 10.1051/0004-6361/202346117)

Quelle: European Space Agency (ESA)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Exoplaneten - Die Suche nach einer zweiten Erde von Sven Piper

Top-Clicks der Woche