Schmerzende Knochen: Auch eiszeitliche Säbelzahnkatzen und Schattenwölfe litten unter einem krankhaften Gelenkverschleiß, der sogenannten Osteochondrose. Dabei gehen vermehrt Knochenzellen und Knorpel an den Gelenken zugrunde und verursachen eine Arthrose. Fossilanalysen zeigen, dass bis zu sechs Prozent der eiszeitlichen Raubtiere unter dieser teilweise genetisch bedingten Krankheit litten. Dies könnte darauf hindeuten, dass es damals in den schrumpfenden Populationen dieser Katzen und Wölfe vermehrt zu Inzest kam.
Die Osteochondrosis dissecans ist eine Gelenkserkrankung, die Menschen und Tiere gleichermaßen treffen kann. Dabei führt eine Durchblutungsstörung zunächst dazu, dass Knochenzellen im Bereich des Gelenks absterben. Dadurch erhält der darüberliegende Knorpel nicht genügend Nährstoffe und stirbt ebenfalls ab, ein fortschreitender Gelenkverschleiß ist die Folge. Risikofaktoren für die Osteochondrose sind neben der Überlastung der Gelenke auch genetische Faktoren.
Während bei Menschen und domestizierten Tieren solche Osteochondrose-Fälle gut erforscht sind, ist die Verbreitung unter Wildtieren noch weitgehend undokumentiert.
Anamnese in der Eiszeit
Hugo Schmökel von der schwedischen Evidensia Academy und seine Kollegen haben nun die Osteochondrose-Forschung nicht nur auf den Bereich der Wildtiere ausgeweitet, sondern auch auf die Vergangenheit. In einer groß angelegten Studie untersuchten sie über 1.000 fossile Knochen von Säbelzahnkatzen (Smilodon fatalis) und über 500 von Schattenwölfen (Aenocyon dirus) auf Anzeichen des Gelenkverschleißes. Osteochondrose hinterlässt typischerweise ringförmige Defekte auf den betroffenen Knochenabschnitten, die sich auf Röntgenbildern und teilweise schon mit bloßem Auge erkennen lassen.
Die untersuchten Raubtiere lebten in der Eiszeit vor 55.000 bis 12.000 Jahren und fanden ihr Ende in den La Brea Tar Pits bei Los Angeles. Angelockt von großen Beutetieren, die einst in den dortigen Asphaltgruben stecken geblieben waren, folgten auch die Katzen und Wölfe ihnen unabsichtlich in den Tod. Ihre Knochen blieben dadurch in großer Zahl bis heute erhalten.
Gelenkprobleme offenbar weit verbreitet
Und diese Knochen verraten nun: Sowohl Säbelzahnkatzen als auch Schattenwölfe litten offenbar einst unter Osteochondrose. Bei den eiszeitlichen Katzen fanden Schmökel und sein Team charakteristische Knochendefekte an sechs Prozent der untersuchten Kniegelenke. Es handelte sich dabei vorwiegend um kleine Defekte mit einem Durchmesser von unter sieben Millimetern. Fünf Kniegelenke hatten zum Todeszeitpunkt der Raubtiere außerdem bereits eine leichte Arthrose entwickelt.
Im Fall der Schattenwölfe waren 4,5 Prozent der Schulter- und 2,6 Prozent der Kniegelenke von Osteochondrose gezeichnet, wie die Forschenden berichten. Während die Defekte an den Schultern zumeist klein waren, stellten Schmökel und seine Kollegen an den Kniegelenken einige größere Spuren mit einem Durchmesser von über zwölf Millimetern fest.
Inzest als Auslöser?
Die Forschenden sind selbst überrascht von dieser unerwartet großen Anzahl prähistorischer Osteochondrose-Fälle. „Die Prävalenz von sechs Prozent betroffener Kniegelenke in der Smilodon fatalis-Population ist hoch im Vergleich zum Menschen mit einer Prävalenz von 0,015 bis 0,029 Prozent und zum Haushund mit einer Prävalenz von 0,05 Prozent“, erklären Schmökel und sein Team. Die einzige Kennzahl, zu der es eine heutige Entsprechung gibt, sind die Schulterdefekte der Schattenwölfe. Auch bei einigen überzüchteten Hunderassen wie dem Border Collie und dem Großen Schweizer Sennenhund treten sie in ähnlich hoher Zahl auf.
Dieser Zusammenhang könnte auch erklären, warum Osteochondrose bei den untersuchten eiszeitlichen Raubtieren so häufig vorkam. „Da es sich bei der Osteochondrose um eine Entwicklungskrankheit mit einer genetischen Grundlage handelt, kann ihr Auftreten auf eine genetische Reaktion auf Umweltstress, Inzucht oder andere weitreichende Faktoren hindeuten“, berichten die Forschenden. Sowohl Säbelzahnkatze als auch Schattenwolf standen vor 12.000 bis 10.000 Jahren kurz vor dem Aussterben. Schrumpfende Populationen könnten zu mehr Inzucht und damit auch zu mehr Osteochondrose-Fällen geführt haben, so Schmökel und seine Kollegen.
Familiärer Zusammenhalt sicherte Überleben
Wie sehr Säbelzahnkatzen und Schattenwölfe einst unter den Symptomen ihrer Gelenkprobleme gelitten haben, können die Paläontologen nicht sagen. Doch selbst wenn die Osteochondrose die Jagdfähigkeiten der Räuber beeinträchtigte, bedeutete das wahrscheinlich noch nicht ihren sicheren Tod. Schmökel und seine Kollegen gehen davon aus, dass ein Schattenwolf mit Arthrose wahrscheinlich von den übrigen Mitgliedern seines Rudels unterstützt wurde.
Bei erkrankten Säbelkatzenjungen erfüllte diese Rolle womöglich die Mutter, die die Kleinen über mehrere Jahre hinweg versorgte. (PLoS ONE, 2023; doi: 10.1371/journal.pone.0287656)
Quelle: PLoS ONE