Astronomie

Haben Astronomen „Dunkle Sterne“ entdeckt?

Vom Webb-Teleskop entdeckte Lichtpunkte könnten exotische Dunkle-Materie-Sterne sein

JADES-GS-Galaxien
Diese vom James-Webb-Teleskop aufgenommenen Lichtpunkte galten bisher als frühe Galaxien. Doch es könnte sich auch um Dunkle-Materie-Sterne handeln. © NASA/ESA/CSA

Dunkle Materie statt Kernfusion: Drei bisher als frühe Galaxien interpretierte Lichtpunkte im frühen Kosmos könnten in Wirklichkeit „Dunkle Sterne“ sein – Sterne, die durch die Auslöschung Dunkler Materie in ihrem Inneren strahlen, wie Astronomen berichten. Solche „Dark Stars“ können so hell und schwer werden wie eine kleine Galaxie und gelten als mögliche Vorgänger früher supermassereicher Schwarzer Löcher. Die drei vom James-Webb-Teleskop entdeckten Objekte passen zu solchen Dunkle-Materie-Sternen, bestätigen könnte dies in Zukunft eine bestimmte Helium-Spektrallinie.

Es klingt wie Science-Fiction, ist aber astronomisch denkbar: Im Kosmos könnte es Sterne geben, deren Leuchten nicht auf die Kernfusion normaler Atome, sondern auf die Annihilation Dunkler Materie zurückgeht – die gegenseitige Auslöschung Dunkler-Materie-Teilchen. Diese setzt gängiger Theorie zufolge große Mengen an Energie in Form kurzwelliger, energiereicher Gamma- und Röntgenstrahlung frei. Im Jahr 2008 schlugen einige Astrophysiker vor, dass dieses Leuchten auch eine exotische Art von Sternen antreiben könnte.

Agglomeration aus Dunkler Materie und Gas

Solche „Dunklen Sterne“ entstehen der Theorie zufolge, wenn sich im Zentrum früher Protogalaxien neben Wasserstoff und Helium auch viel Dunkle Materie ansammelt. Wenn sich dann die Gaswolken abkühlen und kollabieren, ziehen sie die Dunkle Materie mit und komprimieren sie. Dadurch kommt es in diesem dichten Klumpen Dunkler Materie zu intensiver Annihilation der Dunkle-Materie-Teilchen – und ihre Energiefreisetzung bringt die kollabierte Gaswolke zum Leuchten.

„Weil diese Objekte relativ kühl bleiben, gibt es in ihnen keine Kernfusion“, erklären Cosmin Ilie von der Colgate University in New York und seine Kollegen. Die Entstehung eines dichten Sternenkerns wird verhindert, weil der Strahlungsdruck der Annihilation einer weiteren Komprimierung entgegenwirkt. Trotzdem reichen Masse und Dichte aus, um immer mehr normale und Dunkle Materie anzuziehen, zu verdichten und so die Annihilation am Laufen zu halten.

Bis zu einer Million Sonnenmassen schwer

Das Entscheidende jedoch: Anders als normale Sterne können Dunkle Sterne im Extremfall bis zu einer Million Sonnenmassen in sich vereinen und zehn Milliarden Mal heller leuchten als die Sonne, wie die Astronomen erklären. Sie ähneln eher einer riesigen strahlenden Wolke als einem kompakten Stern – und können daher leicht mit sehr fernen, sehr frühen Galaxien verwechselt werden. „Wir haben daher schon 2012 prognostiziert, dass solche supermassereichen Dunklen Sterne mit dem James-Webb-Teleskop gefunden werden könnten“, sagt Ilie.

Genau das könnte nun passiert sein: Im Dezember 2022 berichteten Astronomen über vier mit dem James-Webb-Teleskop entdeckte rötliche Lichtpunkte, die aus der Zeit vor mehr als 13,4 Milliarden Jahren stammen. Anhand der Spektren, Größe und Leuchtkraft interpretierten sie diese Lichtpunkte als sehr frühe, noch eher sternenarme Galaxien. Typisch für solche frühen Objekte ist ihre ins Infrarote verschobene UV-Strahlung.

Photometrie für JADES-GS-Objekte
Vom JWST gemessenen photometrische Daten (schwarz) für JADES-GS-z12-0 und JADES-GS-z11-0 und die für Dunkle Sterne im Modell ermittelten (blaue Linie). Die farbigen Spektralbereiche unten zeigen die Bänder des NIRSpec an.© Ilie et al./ PNAS, CC-by 4.0

Drei JADES-GS-Objekte zeigen Merkmale Dunkler Sterne

„Doch wenn wir uns die James-Webb-Daten anschauen, gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten für diese Objekte“, erklärt Seniorautorin Katherine Freese von der University of Texas und dem Nordischen Institut für theoretische Physik in Stockholm. „Die erste ist, dass es sich um Galaxien mit normalen Sternen der ersten Generation handelt. Die zweite ist jedoch, dass wir hier Dunkle Sterne sehen.“ Ob dies der Fall sein könnte, haben die Astrophysiker durch Vergleiche der Webb-Daten mit Modellsimulationen überprüft.

Das Ergebnis: Drei der Objekte, JADES-GS-z13-0, JADES-GS-z12-0 und JADES-GS-z11-0, erfüllen in puncto Größe und photometrischer Merkmale die Kriterien für Dunkle-Materie-Sterne. Bei diesen Lichtpunkten stimmen die vom James-Webb-Teleskop detektierten Spektren mit denen von supermassereichen „Dark Stars“ überein. Theoretisch könnte es sich bei ihnen demnach um solche Dunklen Sterne handeln. „Damit haben wir die ersten Dark-Star-Kandidaten identifiziert“, berichtet das Team.

Helium-Spektrallinie kann den Beweis liefern

Allerdings: Ein eindeutiger Beleg für solche Dunklen Sterne ist erst möglich, wenn eine bestimmte Spektrallinie beobachtet wird, wie auch Ilie und seine Kollegen einräumen. „Ein wichtiges Werkzeug für die Unterscheidung von supermassereichen Dunklen Sternen von frühen Galaxien ist die Helium-II-Lambda-Absorptionslinie bei einer Wellenlänge von 1.640 Nanometern“, erklären sie. Dunkle Sterne absorbieren Strahlung dieser Wellenlänge, so dass an dieser Stelle im Spektrum eine dunkle Absorptionslinie erscheinen müsste.

Handelt es sich bei den Lichtpunkten dagegen um frühe Galaxien, müsste ihr Spektrum an dieser Stelle eine helle Emissionsline oder aber gar nichts zeigen. „Die Helium-II-Lambda-Absorptionslinie bei 1.640 Nanometern wäre daher der rauchende Colt für die drei JADES-Objekte“, so die Astrophysiker. Bisher konnte aber selbst das Nahinfrarotspektrometer NIRSpec des James-Webb-Teleskops diese Spektrallinie nicht auflösen, weil das Signal zu schwach und zu verrauscht ist.

Mögliche Vorläufer für frühe supermassereiche Schwarze Löcher

Noch ist daher offen, ob sich diese drei fernen rötlichen Lichtpunkt wirklich als Dunkle-Materie-Sterne erweisen werden. Doch sollte dies der Fall sein, könnte dies einige offene Fragen zum frühen Kosmos klären. So dürfte es kurz nach dem Urknall noch nicht viele helle, massereiche Galaxien geben, dennoch haben Astronomen überraschende viele solcher Galaxienkandidaten entdeckt. Das sei schwer mit den gängigen Modellen vereinbar. „Aber wenn einige dieser vermeintlichen Galaxien in Wirklichkeit Dunkle Sterne sind, dann würden die Modelle der Galaxienbildung deutlich besser mit den Beobachtungen übereinstimmen“, sagt Freese.

Und auch das überraschend schnelle Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher könnte mit solchen Dunkle-Materie-Sternen erklärt werden: „Wenn ihr Vorrat an Dunkler Materie zur Neige geht, kollabieren solche Dark Stars zu Schwarzen Löchern“, erklärt das Team. Weil diese weit massereicher sind als stellare Schwarze Löcher, könnten sie die Vorläufer der frühen Quasare und anderer supermassereicher Schwarzer Löcher gewesen sein.

„Sollte es gelingen, auch nur eines der jetzt entdeckten Objekte mithilfe der NIRSpec-Spektren als Dunklen Stern zu identifizieren, würde dies eine neue Ära der Astronomie einläuten: die beobachtende Erforschung von Dunkle-Materie-Sternen“, konstatieren die Forschenden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2305762120)

Quelle: University of Texas at Austin

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