Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit – und gegen Hitlers Atomprogramm: Anfang der 1940er Jahren arbeiten Physiker beiderseits des Atlantiks fieberhaft daran, die erst wenige Jahre zuvor entdeckte Kernspaltung zu einer Waffe zu machen – zu einer Atombombe.
Einsteins Brief
Die Nationalsozialisten hoffen, durch eine solche Wunderwaffe doch noch den Krieg zu gewinnen. Im deutschen Uranprojekt führen Wissenschaftler um Werner Heisenberg und Kurt Diebner deswegen noch bis ins Jahr 1945 hinein geheime Experimente mit Uranwürfeln in Testreaktoren durch. Ihr Ziel ist es, die kritische Schwelle zu einer Kettenreaktion zu erreichen – und damit die Voraussetzung für eine Atomexplosion.
In den USA treibt die Angst vor „Hitlers Bombe“ die Forschungen an. Schon im Jahr 1939 warnen die Physiker Leo Szilard und Albert Einstein den US-Präsidenten Franklin Roosevelt in einem Brief, dass die 1938 von Otto Hahn und Lise Meitner nachgewiesene Kernspaltung auch zum Bau einer neuartigen Bombe mit enormer Zerstörungskraft genutzt werden könnte. Die Physiker weisen den US-Präsidenten zudem darauf hin, dass es in Deutschland Hinweise auf eine verstärkte Uranforschung gibt.
Roosevelt und das Atomkomitee
Roosevelt reagiert prompt und veranlasst noch im Herbst 1939 die Bildung eines „Urankomitees“ aus Wissenschaftlern, Politikern und Militärs. Nach dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1941 wird dieses Komitee aufgestockt und die Forschung zur Kernspaltung intensiviert. Auslöser dafür sind Berichte über Uranexperimente der Nazis, aber auch ein britischer Geheimbericht, der warnt, dass eine Atombombe schon in den nächsten zwei Jahren konstruiert werden könnte.
Als leitenden Physiker für die Forschung zur Kettenreaktion durch schnelle Neutronen wählt das Komitee einen jungen Physiker, der zu dieser Zeit an der University of Berkeley arbeitet: J. Robert Oppenheimer. „Er kombiniert eine durchdringende Einsicht in die theoretischen Aspekte des Programms mit gesundem Menschenverstand“, beschreibt der Nobelpreisträger Ernest Lawrence seinen Protegé. Außerdem kann der 1904 in New York geborene Oppenheimer mit einer beeindruckenden akademischen Laufbahn punkten.
Oppenheimer und die deutschen Quantenphysiker
Der junge Physiker hat an der Harvard University in nur drei Jahren ein Studium der Chemie und Physik absolviert und wechselt 1924 an das Labor des britischen Nobelpreisträgers J.J. Thomson in Cambridge. Dort langweilt sich Oppenheimer jedoch und beginnt deshalb 1925 seine Doktorarbeit an der Universität Göttingen – dem damals weltweit führenden Zentrum der Quantenphysik. Dort arbeitet Oppenheimer zusammen mit Physikergrößen seiner Zeit, darunter Wolfgang Pauli, Paul Dirac, Werner Heisenberg und Max Born. Auch die später für das US-Atombombenprojekt entscheidenden Kernphysiker Enrico Fermi und Edward Teller lernt Oppenheimer dort kennen.
Mit nur 23 Jahren schließt Oppenheimer seine Promotion in Physik ab und kehrt nach Forschungsaufenthalten in Zürich und den Niederlanden in die USA zurück. Dort nimmt er eine Stelle als Professor an der University of Berkeley und parallel am California Institute of Technology an. Der ebenfalls dort forschende Physiker Hans Bethe erinnert sich: „Oppenheimer wusste immer genau, was die wichtigen Probleme waren – das zeigte sich auch in der Wahl seiner Forschungsgebiete. Er lebte dann mit diesen Problemen und kämpfte um eine Lösung.“ Als Lehrer und Doktorvater ist Oppenheimer anspruchsvoll, aber beliebt.
Das Manhattan Project beginnt
Nachdem Robert Oppenheimer im Jahr 1942 von der Atomkommission zum „Koordinator für schnelle Spaltung“ ernannt wird, sammelt er die führenden Kernphysiker der USA um sich und sie beginnen, die für eine Atombombe nötige Kettenreaktion, die kritische Masse an spaltbarem Material und weitere Voraussetzungen zu erforschen. Wenige Monate später kommen sie zu dem Schluss: Der Bau einer Atombombe ist machbar, wird aber massive technische, wissenschaftliche und industriele Ressourcen erfordern.
Daraufhin reagiert die US-Regierung prompt und macht das Atombombenprojekt zur Chefsache: Das „Manhattan Project“, wie es nun heißt, erhält weitreichende finanzielle Mittel und die Befugnis, in großem Stil neue Anlagen zur Uranaufbereitung und für alle weiteren Materialien und Bauteile zu errichten. Als Gesamtleiter des Projekts wird General Leslie Groves vom US Army Corps of Engineers ernannt, der schon beim Bau des Pentagon federführend war. Er lässt umgehend mehrere neue Forschungsanlagen erreichten, darunter in Oak Ridge, Hanford und Berkeley.
Doch für den Hauptstandort, die eigentliche „Atombombenfabrik“, fehlt noch ein Standort und ein wissenschaftlicher Leiter…